Vermeintliche Witwe berichtet Wagner-Truppe lässt offenbar leere Särge beerdigen

twei

21.1.2023

Jewgeni Prigoschin ist Gründer und Chef der russischen Privatarmee Wagner.
Jewgeni Prigoschin ist Gründer und Chef der russischen Privatarmee Wagner.
Bild: Uncredited/AP/dpa

Über Wochen trauerte eine Russin um ihren Mann. Die Wagner-Söldner hatten sie wissen lassen, er sei im Krieg gefallen. Doch dann informierte sie der ukrainische Geheimdienst, ihr Ehemann sei am Leben.

twei

21.1.2023

In wenigen Wochen, am 24. Februar, jährt sich der Überfall Russlands auf die Ukraine das erste Mal. Ein Mann, der im Fahrwasser des Angriffskrieges immer mehr aus dem grossen Schatten Wladimir Putins heraustrat, ist Jewgeni Prigoschin. Er befehligt die Söldner-Truppe Wagner, zuletzt forderte er gar das russische Verteidigungsministerium zu einem Machtkampf heraus.

Prigoschins Mannen kämpfen an vorderster Linie, geben ihr Leben für das Vaterland. Diesen patriotischen Heldennarrativ füttert «Putins Koch» systematisch, etwa mit symbolisch aufgeladenen Beerdigungen und einem mitunter abstrus anmutenden Heldenkult in Zusammenhang mit den gefallenen Söldnern.

Dabei sind aber offenbar längst nicht alle Toten wirklich aus dem Leben geschieden, wie der «Stern» unter Berufung auf den unabhängigen, russischen TV-Sender Dozhd berichtet. Das zumindest legt die Schilderung einer vermeintlichen Witwe nahe, die unter dem Pseudonym Angelina das Schicksal ihres Ehemannes beschrieb.

Dankschreiben für «heldenhaften Tod»

Der war wegen Mordes im Gefängnis gelandet. Dort habe ihn Angelina aber irgendwann nicht mehr erreicht. Stattdessen sei ihr gesagt worden, ihr Mann habe sich der Wagner-Truppe angeschlossen. Schon diese Tatsache habe Angelina stutzig gemacht, denn: «Für meinen Mann war die Ukraine nie ein faschistischer Staat. Er war oft dort. (...) Er hat dort Verwandte, sein Großvater lebt noch immer in der Ukraine.»

Gesuche an das russische Verteidigungsministerium blieben ebenso ohne Ergebnis wie ein Schreiben an den Bundesgefängnisdienst. Erst Ende Dezember sei ein Anruf bei Angelina eingegangen. «Mich rief ein Vertreter der Wagner-Truppe an und teilte mir mit, dass mein Mann tot ist», erinnerte sie sich im Gespräch mit Dozhd.

Wenig später wurde der (vermeintliche) Leichnam in einem geschlossenen Sarg an die trauernde Angehörige überstellt. Neben Wagner-Medaillen und einem Dankschreiben für den «heldenhaften Tod» ihres Mannes erreichte Angelina auch die Ansage, den Sarg nicht zu öffnen. Die DNA des verstorbenen Söldners sei zweifelsfrei ihrem Mann zugeordnet worden.

«Was ist, wenn mit ihm dann irgendwas geschieht?»

Doch wenige Wochen nach der Beerdigung bekam die traurige Geschichte eine zynische Wendung. Ein Unbekannter kontaktierte Angelina per Nachricht und informierte sie: «Ihr Mann wurde von der Wagner-Truppe angeworben und befindet sich nun in Debalzewe. Alles weitere bestimmt das Schicksal.»

Was Angelina zunächst nicht glauben wollte, bestätigte kurz darauf telefonisch ein Mann, der sich als Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes der Ukraine präsentierte. Angelinas Mann sei nach einer Verletzung von ukrainischen Streitkräften gerettet worden und warte nun auf einen Prozess.

«Sie sagten nichts Konkretes, verrieten aber, dass er Ende Oktober festgenommen wurde und bis jetzt in Untersuchungshaft ist», berichtete Angelina dem TV-Sender. Sie habe ausserdem die Bestätigung der ukrainischen Militärkommandantur über den Verbleib ihres Mannes erhalten. Vor weiteren Nachforschungen habe Angelina aber Respekt, wie sie einräumte. «Was ist, wenn mein Mann wirklich am Leben ist und sie ihn finden, bevor er sich selbst meldet. Was ist, wenn mit ihm dann irgendwas geschieht?», befürchtete sie.