Neuer Putsch befürchtet Eine Familie will zurück an die Macht in Thailand

AP/toko

6.5.2023 - 00:00

Paetongtarn Shinawatra (r.) ist Vorsitzende der thailändischen Oppositionspartei Pheu Thai. Die Partei gilt als Favorit für die meisten Sitze bei den Parlamentswahlen am 14. Mai.
Paetongtarn Shinawatra (r.) ist Vorsitzende der thailändischen Oppositionspartei Pheu Thai. Die Partei gilt als Favorit für die meisten Sitze bei den Parlamentswahlen am 14. Mai.
AP Photo/Sakchai Lalit/Keystone

Paetongtarn Shinawatra will in die Fussstapfen ihres Vaters Thaksin treten und Ministerpräsidentin in Thailand werden. Beobachter befürchten einen erneuten Militärputsch.

DPA, AP/toko

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  • Paetongtarn Shinawatra, Tochter des berühmten Ex-Regierungschefs Thaksin Shinawatra, führt derzeit vor den kommenden Wahlen in Thailand.
  • Beobachter befürchten einen neuerlichen Militärputsch.

Sie hat Selbstvertrauen und Charisma, aber vor allem trägt sie den Familiennamen und das Gesicht, das viele an ihren berühmten Vater erinnert. Vor der Parlamentswahl in Thailand hat Paetongtarn Shinawatra laut Umfragen die besten Chancen, künftige Ministerpräsidentin zu werden.

Doch manche blicken einem möglichen Wahlsieg der jüngsten Tochter von Ex-Regierungschef Thaksin Shinawatra, dem umstrittensten Politiker des Landes, mit Sorge entgegen. Sie befürchten, dass Thailand dann wieder in den bekannten Kreislauf aus Protesten und militärischer Intervention abrutschen könnte.

Von der Spitzenkandidatur der 36-jährigen Paetongtarn wird ihre Partei, die oppositionelle Pheu Thai, wohl stark profitieren. Die Umfragen lassen Hoffnung auf einen eindeutigen Sieg mit so vielen Sitzen zu, dass die Pheu Thai die Regierungspartei überholen und damit die Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten ernennen dürfte. Während Paetongtarn zweifelsfrei das Zugpferd unter den drei Kandidierenden ihrer Partei ist, könnten jeder und jede der drei am Ende das höchste Regierungsamt bekommen. Paetongtarn hatte im Wahlkampf versprochen, sich für bessere Arbeitsbedingungen, einen höheren Mindestlohn sowie für eine sauberere Umwelt einzusetzen und Thailand zu einem Zentrum der Finanztechnologie zu machen.

Paetongtarn Shinawatra, rechts, neben dem Brutkasten mit ihrem neugeborenen Sohn.
Paetongtarn Shinawatra, rechts, neben dem Brutkasten mit ihrem neugeborenen Sohn.
AP Photo/Sakchai Lalit/Keystone

«Es ist nicht der Schatten meines Vaters»

Paetongtarns heute 73-jähriger Vater war der erste thailändische Politiker in der Geschichte des Landes, der eine absolute Mehrheit an Mandaten geholt hatte. Mit seinem populistischen Kurs gewann der Milliardär und Geschäftsmann zwar eine stabile Wählerbasis, machte sich aber zugleich die Elite des Landes zum Feind. Thaksin wurde 2006 bei einem Militärputsch gestürzt und lebt seit mehr als zehn Jahren freiwillig im Exil, um einer Gefängnisstrafe wegen Machtmissbrauchs zu entgehen. Das Urteil hat er als politisch motiviert kritisiert. Millionen Wählerinnen und Wählern liegt er aber weiter am Herzen, vor allem den Armen und den Menschen im relativ benachteiligten Norden.

Paetongtarn betont, dass sie mehr sei als eine blosse Stellvertreterin ihres Vaters. «Es ist nicht der Schatten meines Vaters», sagte sie sie kürzlich bei einer Kundgebung. «Ich bin für immer die Tochter meines Vaters, aber ich treffe meine eigenen Entscheidungen.»

Die von Thaksin unterstützten Parteien sind seit dem ersten Wahlsieg des Politikers 2001 bei Wahlen erfolgreich, konnten sich aber nie lange im Amt halten. Grund dafür waren Streitigkeiten vor den Gerichten, die eng mit dem konservativen Establishment verbunden sind, und destabilisierende Proteste, die von Thaksins Gegnern orchestriert wurden.

2011 war Thaksins Schwester Yingluck Shinawatra als erste Frau an die Spitze der thailändischen Regierung gewählt worden. Doch diese wurde 2014 durch einen weiteren Putsch entmachtet. Der Drahtzieher dahinter, Heereschef Prayut Chan-o-cha, stand dann fünf Jahre lang einer Militärregierung vor und wurde nach der Parlamentswahl 2019 zum Ministerpräsidenten ernannt. Wie ihr Bruder ging Yingluck ins Exil, um einer Strafe auszuweichen.

Amtsinhaber in Umfragen hinten

Der 69-jährige Prayut tritt nun zur Wiederwahl an, hat aber Mühe, mit Paetongtarns politischem Geschick mitzuhalten. In Umfragen zu den favorisierten Kandidierenden für das Amt des Regierungschefs liegt er abgeschlagen auf dem dritten Platz. Seine Partei kommt auf lediglich etwa zehn Prozent der Stimmen.

Paetongtarn demonstrierte im Wahlkampf Entschlossenheit, indem sie bis kurz vor der kürzlichen Geburt ihres zweiten Kindes zahlreiche Termine wahrnahm. Vom Spital aus, in dem sie ihren Sohn Prutthasin zur Welt brachte, erklärte sie, sie sei bereit, direkt auf die Rednerbühne zurückzukehren.

«Sie kommt in Kontakt mit der Wählerschaft, der Basis», sagt der Politikwissenschaftler Thitinan Pongsudhirak von der Chulalongkorn-Universität in Bangkok. «Sie hat auch, wie ich finde, einiges Talent, das sie von ihrem Vater geerbt haben könnte, für Wahlreden, für Ansprachen vor einem grossen Publikum und für einen Wahlkampf in schwangerem Zustand. Sie hat definitiv das Format zur Ministerpräsidentin.»

Ob es so weit kommt oder nicht – ein starkes Abschneiden der Pheu Thai bei der Wahl würde in jedem Fall die fast neunjährige Herrschaft des Militärs bedrohen. Es könnte zudem die Feindseligkeit der Familie gegenüber neu anfachen, die 2013 und 2014 zu monatelangen Protesten geführt hatte.

Paetongtarn bemüht sich indes, die Gefahr eines weiteren Staatsstreiches herunterzuspielen. «Ich bin nicht diejenige, die den Putsch erfunden hat», sagte sie kürzlich. «Tatsächlich habe ich sehr grosse Hoffnungen, dass es nicht wieder dazu kommen wird.»