Rebellierende Republikaner Wahlkrimi bei erster Zusammenkunft des neuen US-Kongresses erwartet

tjnj / sda / dpa

3.1.2023

Kevin McCarthy, Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus, möchte sich zum Vorsitzenden der Kammer wählen lassen. Innerparteiliche Kritiker drohen, ihm die Stimme zu verweigern.
Kevin McCarthy, Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus, möchte sich zum Vorsitzenden der Kammer wählen lassen. Innerparteiliche Kritiker drohen, ihm die Stimme zu verweigern.
Bild: Susan Walsh/AP/dpa

Bei der konstituierenden Sitzung des neuen US-Kongresses steht ein dramatischer Wahlkrimi bevor. Innerparteiliche Kritiker des republikanischen Fraktionschefs Kevin McCarthy stellen dessen Wahl zum Vorsitzenden der Kammer in Frage.

tjnj / sda / dpa

3.1.2023

Nach den Parlamentswahlen im November kommt der Kongress am Dienstag (12 Uhr Ortszeit, 18 Uhr MEZ) erstmals in neuer Konstellation zusammen.

Die Republikaner übernehmen dann die Kontrolle im Repräsentantenhaus - im Senat haben die Demokraten von Präsident Joe Biden weiter eine knappe Mehrheit. Der Start der neuen Legislaturperiode wird überschattet von einem Machtkampf der Republikaner um die Führung im Repräsentantenhaus.

Deren Fraktionschef, Kevin McCarthy, will sich zum Vorsitzenden der Kammer wählen lassen. Der Posten, den in den vergangenen Jahren die Demokratin Nancy Pelosi besetzte, steht in der staatlichen Rangfolge der USA an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dessen Vize.

Innerparteilicher Protest

Mehrere Parteikollegen lehnten sich aber gegen McCarthy auf - und angesichts einer knappen Mehrheit der Republikaner gelang es ihm bis zuletzt nicht, sich die nötigen Stimmen für die Wahl zu sichern. Die Rebellion gegen ihn könnte das übliche Prozedere zum Auftakt der Legislaturperiode sehr verzögern oder womöglich ins Chaos stürzen.

Die Republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus ist wie die gesamte Partei zerrissen zwischen rechtsgerichteten Anhängern des Ex-Präsidenten Donald Trump und moderateren Parteimitgliedern. Angesichts der nur knappen Mehrheit muss McCarthy die verschiedenen Flügel hinter sich vereinen und selbst Mitglieder vom äussersten Rand seiner Fraktion für sich gewinnen.

Fünf Republikaner hatten früh öffentlich angekündigt, McCarthy ihre Stimme zu verweigern. Danach meldeten weitere Widerstand an.

Zugeständnisse an die Kritiker

Doch McCarthy kann sich angesichts der Mehrheitsverhältnisse kaum Abweichler leisten. Am Dienstag wollten die Republikaner im Repräsentantenhaus zunächst zu einem internen Treffen zusammenkommen. Ein Durchbruch wurde nicht erwartet.

In den vergangenen Wochen hatte McCarthy versucht, interne Kritiker durch allerlei Zugeständnisse zu besänftigen. Zuletzt liess er sich sogar darauf ein, die Hürden für eine mögliche Abberufung des Vorsitzenden im Repräsentantenhaus deutlich zu senken, wie mehrere US-Medien übereinstimmend unter Berufung auf interne Gespräche in der Fraktion berichteten. Das könnte als ständiges Druckmittel gegen ihn verwendet werden.

Keine Mehrheit gesichert

Doch selbst trotz dieses Entgegenkommens war bis zuletzt keine Mehrheit für McCarthy gesichert. Einer von McCarthys Gegnern, der republikanische Abgeordnete und Vorsitzende der ultrakonservativen Vereinigung Freedom Caucus, Scott Perry, schrieb am Dienstag auf Twitter, McCarthy habe in den Gesprächen zahlreiche Forderungen seiner Gruppe abgelehnt. McCarthy habe die Chance gehabt, Vorsitzender zu werden. «Er hat sie zurückgewiesen.»

Bei der Kongresswahl Anfang November waren alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus sowie 35 der 100 Sitze im Senat neu vergeben worden.

Neue Verhältnisse

Beide Kammern tagen an diesem Dienstag in getrennten Sitzungen erstmals in neuer Besetzung. Bidens Demokraten hatten bei der Wahl stärker abgeschnitten als erwartet. Eine vorausgesagte Erfolgswelle für die Republikaner blieb aus.

Ihnen gelang es nicht, die Kontrolle im Senat zu erobern, und im Repräsentantenhaus erreichten sie nur eine knappe Mehrheit von 222 Sitzen. 212 Sitze stellen die Demokraten. Ein Sitz ist noch offen, da ein Abgeordneter kurz nach der Wahl starb. Maximal 434 Stimmen sind also zu vergeben.

McCarthy bekam Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Für die Republikaner wurde ausserdem der Abgeordnete Andy Biggs vom rechten Flügel der Partei nominiert. Die Demokraten nominierten ihren Fraktionschef Hakeem Jeffries.

Für die Vorsitzenden-Wahl ist im einfachsten Szenario eine Mehrheit von 218 Stimmen nötig - falls alle 434 neu gewählten Parlamentarier anwesend sind und einem Kandidaten ihre Stimme geben. Sollten sich einige von ihnen enthalten, wäre die nötige Mehrheit kleiner.

Ohne Vorsitzenden geht nichts

Nach wenigen formalen Schritten ist die Vorsitzenden-Wahl der erste grosse Tagesordnungspunkt der Sitzung. Bis der Vorsitz geklärt ist, geht gar nichts: Die Kongresskammer kann nicht ihre Arbeit aufnehmen, nicht mal die neuen Abgeordneten können vereidigt werden.

Falls McCarthy im ersten Wahlgang durchfallen sollte und weitere Wahlgänge nötig wären, käme das einer kleinen Sensation gleich. Üblicherweise ist die Wahl eine Formalie.

Es ist 100 Jahre her, dass ein Kandidat bei der Abstimmung zum Vorsitz im Repräsentantenhaus nicht im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit erreichte: 1923 waren neun Wahlgänge nötig, um einen Vorsitzenden zu bestimmen. Damals dauerte es mehrere Tage.

McCarthy bereits jetzt geschwächt

Schon die Zitterpartie für McCarthy im Vorfeld sticht nun heraus und schwächt ihn, selbst wenn er am Ende erfolgreich sein sollte bei der Abstimmung.

Aus McCarthys Umfeld hiess es laut dem Sender CNN, er werde nicht aufgeben und wolle im Zweifel auch mehrere Wahlgänge durchziehen. Das könnte sehr lange dauern. Jeder Wahlgang ist langwierig, weil alle Abgeordneten einzeln aufgerufen werden, um ihren Wunsch-Kandidaten zu benennen.

Mit den veränderten Mehrheitsverhältnissen und ihrer neuen Stärke im Repräsentantenhaus können die Republikaner künftig Biden das Leben schwer machen. Sie haben bereits parlamentarische Untersuchungen gegen den Präsidenten und andere Regierungsmitglieder angekündigt, und sie können nach Belieben Gesetzgebungsvorhaben blockieren.