Wahlen in der Türkei Spannendes Rennen um die Präsidentschaft — Opposition wirft Regierung Manöver vor

dpa/toko

14.5.2023 - 21:59

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, kommt zur Stimmabgabe in ein Wahllokal.
Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, kommt zur Stimmabgabe in ein Wahllokal.
Bild: Keystone/AP/Francisco Seco

Bei der Präsidentenwahl in der Türkei liegt Amtsinhaber Erdogan nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmen vorn. Die Opposition sieht sich in Führung und wirft der Regierung Manöver bei der Stimmenauszählung vor.

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  • Die Stimmabgabe bei der Parlaments- und Präsidentschaftswahl in der Türkei ist seit 16 Uhr MESZ beendet.
  • Bei der Präsidentenwahl zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und Oppositionsführer Kemal Kilicdarolgu ab.
  • Nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmen liegt Amtsinhaber Erdogan mit knapp über 50 Prozent in Führung.
  • Die türkische Opposition hat der Regierungspartei taktische Manöver bei der Stimmauszählung vorgeworfen.

Dieser Artikel wurde zuletzt um 21:59 Uhr aktualisiert.

Bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei hat sich das erwartet spannende Rennen zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und seinem Herausforderer, Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu, abgezeichnet.

Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu lag Erdogan am Sonntagabend (Stand: 21:59 Uhr) nach der Auszählung von 80 Prozent der Stimmen bei knapp über 50 Prozent, Kilicdaroglu bei rund 44 Prozent. Sollte kein Kandidat eine absolute Mehrheit erreichen, kommt es am 28. Mai zu einer Stichwahl. Laut verschiedenen Medienberichten könnte es zu Verzögerungen kommen.

Die Wahl in der Türkei gilt als richtungsweisend und wegen der zu erwartenden innen- und aussenpolitischen Auswirkungen als eine der weltweit wichtigsten in diesem Jahr.

Die Opposition warf Erdogans islamisch-konservativer Regierungspartei unterdessen «taktische Manöver» bei der Stimmauszählung vor. Ihren Angaben zufolge liege Kilicdaroglu knapp vorne, erklärten die Bürgermeister von Istanbul und Ankara bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in der Hauptstadt. Die islamisch-konservative AKP Erdogans lege bewusst Einspruch gegen die Ergebnisse in Hochburgen der Oppositon ein. Dadurch werde die Auszählung langsamer gemacht, und das Ergebnis falle zunächst zugunsten der Regierung aus.

AKP-Sprecher Ömer Celik wiederum warf der Opposition eine «diktatorische Haltung» während der Stimmauszählung vor, weil sie Ergebnisse frühzeitig bekannt gebe.

Die Staatsagentur veröffentlicht in der Regel zunächst die Auszählungsergebnisse in Erdogan-Hochburgen. Die ersten Daten lassen daher noch keine Rückschlüsse auf das Endergebnis zu.

Der Kandidat eines ultranationalistischen Parteienbündnisses, Sinan Ogan, lag laut Anadolu bei rund 5,3 Prozent. Muharrem Ince von der Vaterlandspartei hatte seine Kandidatur kurz vor der Wahl zurückgezogen, seine Name stand aber noch auf den Stimmzetteln.

Nachdem 60 Prozent der Stimmen bei den Parlamentswahlen ausgezählt wurden, kam Erdogans Parteienbündnis nach Angaben von Anadolu auf rund 52 Prozent. Die Oppositionsallianz rund um Kilicdaroglus CHP erlangte gut 33 Prozent der Stimmen, das Oppositionsbündnis mit der prokurdischen Partei HDP gut 9 Prozent.

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei und Präsidentschaftskandidat, gibt seinen Stimmzettel in eine Wahlurne in einem Wahllokal in Istanbul.
Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei und Präsidentschaftskandidat, gibt seinen Stimmzettel in eine Wahlurne in einem Wahllokal in Istanbul.
Umit Bektas/Pool Reuters/AP/dpa

Seit der Einführung eines Präsidialsystems vor fünf Jahren hat der 69 Jahre alte Erdogan so viel Macht wie noch nie und kann weitestgehend am Parlament vorbei regieren. Kritiker befürchten, dass das Land mit rund 85 Millionen Einwohnern vollends in die Autokratie abgleiten könnte, sollte er erneut gewinnen. Auch international wird die Abstimmung in dem Nato-Land aufmerksam beobachtet.

Die Wahl lief nach einer ersten Einschätzung der zuständigen Behörde ohne Probleme ab. Oppositionspolitiker meldeten kleinere Zwischenfälle aus verschiedene Provinzen. Rund 64 Millionen Menschen im In- und Ausland waren zur Stimmabgabe aufgerufen. In Deutschland waren rund 1,5 Millionen Menschen mit türkischem Pass stimmberechtigt.

Kemal Kilicdaroglu, Vorsitzender der CHP-Partei und Präsidentschaftskandidat der Nationalen Allianz, gibt seinen Stimmzettel in einem Wahllokal in eine Wahlurne.
Kemal Kilicdaroglu, Vorsitzender der CHP-Partei und Präsidentschaftskandidat der Nationalen Allianz, gibt seinen Stimmzettel in einem Wahllokal in eine Wahlurne.
Uncredited/AP/dpa

Erdogan beschimpfte Opposition als «Terroristen»

Der Wahlkampf war angespannt und galt als unfair, vor allem wegen der medialen Übermacht der Regierung. Bestimmendes Thema war die schlechte wirtschaftliche Lage mit einer massiven Inflation. Erdogan versprach unter anderem eine Anhebung von Beamtengehältern und weitere Investitionen in die Rüstungsindustrie. Er führte eine aggressive Kampagne und beschimpfte die Opposition als «Terroristen». Ein beliebter Oppositionspolitiker war nur eine Woche vor der Wahl mit Steinen beworfen worden. Kilicdaroglu trug am Freitag bei einem Auftritt in der Erdogan-Hochburg Samsun eine kugelsichere Weste.

Kilicdaroglu gilt als besonnener Politiker. Er stammt aus der osttürkischen Provinz Tunceli und gehört der religiösen Minderheit der Aleviten an. Der Oppositionsführer will die Unabhängigkeit von Institutionen wie der Zentralbank wiederherstellen und die hohe Inflation in den Griff bekommen. Er steht für eine Wiederannäherung an Deutschland und die EU, aber auch für eine schärfere Migrationspolitik.

Hohe Beteiligung in der Schweiz

Die Stimmbeteiligung der türkischen Wählerinnen und Wähler in der Schweiz hat bei der Präsidentschaftswahl dieses Jahr 56,7 Prozent betragen. Das teilte die türkische Botschaft in der Schweiz am Freitag auf Anfrage mit. Dies sei die höchste Wahlbeteiligung, die in der Schweiz je erreicht worden sei.

2018 habe sie noch bei 49,5 Prozent gelegen. Die Wahllokale in Bern, Zürich und Genf waren für die Wahlen 2023 bis am 7. Mai geöffnet. In der Schweiz seien 105'820 türkische Wählerinnen und Wähler registriert, so die Botschaft, die sich auf Zahlen des Obersten Türkischen Wahlrats stützt.

Insgesamt wurden laut Botschaft in der Türkei und weltweit 64 Millionen Wählerinnen und Wähler zu den Urnen gerufen.