Fragen und AntwortenWas es mit dem Polit-Eklat in Thüringen auf sich hat
Von Philipp Dahm
7.2.2020
Politisches Beben in Deutschland: Was gerade in Thüringen geschieht, erschliesst sich dem interessierten Schweizer nicht auf Anhieb. Warum die Aufregung, was passiert ist und wer wo steht, lesen Sie hier.
Was ist passiert?
Nach der Landtagswahl in Thüringen hat kein Lager genug Stimmen, um den Ministerpräsidenten stellen zu können. Beobachter rechnen in dieser Situation damit, dass der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linken eine Minderheitsregierung bilden wird, die für wichtige politische Entscheidungen neben der Zustimmung von SPD und Grünen auch bei CDU und FDP vorstellig werden müsste. Mit der AfD will keine der bürgerlichen Parteien zusammenarbeiten.
Unter diesen Vorzeichen kommt es am 5. Februar zur Ministerpräsidenten-Wahl. In den ersten beiden Wahlgängen, in denen das Verhältniswahlrecht gilt, kommen weder Ramelow noch Christoph Kindervater, der parteilose Kandidat der AfD, auf das notwendige Mehr.
Im dritten Wahlgang, in dem die einfache Mehrheit reicht, kommt ein Kandidat der FDP hinzu: Thomas Kemmerich. In diesem dritten Anlauf stimmt die AfD-Fraktion im Geheimen geschlossen für Kemmerich, der so 45 Stimmen auf sich vereint und damit gewählter Ministerpräsident ist. Es ist erst das zweite Mal, dass seine Partei diesen Posten bekleidet.
Na, und?
Kemmerichs Wahl hat für einen politischen Aufschrei gesorgt: Zum ersten Mal ist in Deutschland ein Politiker mithilfe der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Nicht zuletzt repräsentiert Kemmerich gerade mal fünf Prozent der Wähler.
Sein Versuch, sich nach seiner Kür von den Rechtsaussen und deren besonders auffälligen Thüringer Vorsitzenden abzugrenzen – «Ich bin Anti-AfD, ich bin Anti-Höcke» – konnte die breite Front seiner Kritiker nicht beruhigen.
Aus der Bundes-FDP bekam der neue Landesvater alleine vom Vizevorsitzenden Wolfgang Kubicki Rückendeckung, der den rechten Flügel vertritt.
Wie geht es weiter?
Kemmerich wird auch dafür kritisiert, dass er sich nicht gleich nach seiner überraschenden Kür für Neuwahlen ausgesprochen hat. Das Zögern hat wohl denselben Grund wie die Weigerung der Thüringer CDU, Neuwahlen zu fordern, obwohl Angela Merkel das ausdrücklich empfohlen hat.
Beide Parteien fürchten offenbar, bei einer Neuwahl abgestraft zu werden und noch weniger Zuspruch zu bekommen. Auch die Grünen würden wohl lieber noch mal Ramelow aufstellen, doch politische Mehrheiten sind mit den jetzigen Ergebnissen kaum zu bekommen: De facto ist ein erneuter Urnengang unausweichlich.
Bis dato bleibt Kemmerich Ministerpräsident ohne ein Kabinett, denn bisher ist er nicht zurückgetreten: Als einziges Regierungsmitglied vertritt er nun beispielsweise Thüringen im Bundesrat, der deutschen Länderkammer. Stellt er im Thüringer Parlament in Erfurt die Vertrauensfrage und verliert diese, wählt der Landtag einen neuen Ministerpräsidenten. Geht das auch nicht, gibt es Neuwahlen.
Was ist das Problem?
Der AfD ist mit ihrem Vorstoss ein politischer Coup gelungen. Es ist Konsens der bürgerlichen Parteien, die Rechtsaussen auszuschliessen, doch diese Phalanx ist aufgebrochen.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die in zwei Kabinetten deutsche Justizministerin gewesen ist und den liberalen Flügel der FDP vertritt, drückt es im Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» so aus:
«Es gibt eine unverrückbare Linie zwischen Liberalen und Demokratiefeinden wie der AfD, das ist eine grundlegende Komponente unserer Politik. Wenn man sich mit AfD-Stimmen in ein Amt wählen lässt, dann ist diese Linie klar überschritten.»
Wie reagiert die AfD?
Es ist bezeichnet, was man liest, was der rechte Publizist Götz Kubitschek in seinem Blog schreibt. Demnach sei Kemmerich «die Figur, die König Ramelow matt setzte, mehr nicht, und er hat sich – so ist das bei Figuren – nicht selbst geführt». Björn Höckes AfD habe «den Gegner überrumpelt», was «Wirkung» haben werde.
Die stellvertretende Bundessprecherin der AfD, Beatrix von Storch, twitterte, die Wahl sei eine «politische Revolution», und der Vorsitzende Jörg Meuthen wird von der deutschen «Tagesschau» zitiert, das Ergebnis sei der «erste Mosaikstein der politischen Wende in Deutschland».
Was bedeutet der Eklat für die FDP?
Dazu Leutheusser-Schnarrenberger mehr als deutlich: «Der Faschist Höcke gratuliert dem durch ihn zum Ministerpräsidenten gewählten Liberalen – das sind verheerende Bilder. Machen wir uns nichts vor: Unsere Glaubwürdigkeit hat stark gelitten.»
«Not in my name», schrieb gar Guy Verhofstadt, der Vorsitzende der liberalen Fraktion im EU-Parlament. Der frühere belgische Ministerpräsident nannte das Ergebnis schlicht «inakzeptabel».
FDP-Chef Lindner räumte Fehler ein: Er habe die Taktik der AfD bei der Wahl des Ministerpräsidenten von Thüringen falsch eingeschätzt. Nun wolle er eine «klare Grenze zur AfD« zu ziehen und Neuwahlen. Seinen Kurs liess er sich von seiner Partei mit einer Vertrauensabstimmung bestätigen.
Wem schadet diese Sache noch?
Insgesamt muss sich das bürgerliche Lager den Vorwurf gefallen lassen, dass es sich bei dieser Wahl so übertölpeln lassen konnte und der AfD eine Bühne für ihre politische Agitation bietet, die Höcke und Co. leidlich zu nutzen wissen.
Annegret Kamp-Karrenbauer steht in der Kritik, weil erst Angela Merkel aus dem fernen Südafrika ein Machtwort sprechen musste. Von dem von ihr gesetzte Kurs ist die Thüringer CDU abgewichen.
In nächtlicher Sitzung konnten sich die Erfurter Christdemokraten nicht durchringen, Neuwahlen zu ermöglichen. Diese können aber erst dann stattfinden, wenn zwei Drittel der Abgeordneten einer Auflösung des Landtags zustimmen. Der Chef der Thüringer CDU-Fraktion ist deshalb nun zurückgetreten.
Nicht zuletzt schadet der Eklat dem Ansehen Deutschlands, dessen politisches System bisher ein Garant für die Stabilität in Europa gewesen ist.
Ein Mann geht an Tonnen von Müll vorbei, die am Fusse des Wasserkraftwerks am Potpecko-Stausee in Serbien schwimmen. Vor allem Plastikabfälle gelangen durch Nebenflüsse in den Stausee und sammeln sich hier an. Eine serbische Zeitung schrieb bereits von einer «fliessenden Müllhalde». (26.1.2021)
Bild: Darko Vojinovic/AP/dpa
Klein, aber oho: Ein internationales Forscherteam hat auf Madagaskar eine neue Chamäleonart entdeckt, bei der das Männchen lediglich 13,5 Millimeter lang ist. Obwohl das männliche Tier das kleinste unter rund 11'050 Reptilienarten ist, verfügt es in Relation zur Körpergrösse über die grössten Genitalien. Der Grund: Eine erfolgreiche Paarung mit den bedeutend grösseren Weibchen wäre sonst nicht möglich. (28.1.2021)
Bild: Frank Glaw/SNSB-ZSM/dpa
Feuer an der Tankstelle: Die deutsche Rastanlage Hunsrück Ost an der Autobahn A61 ist einer nur knapp einer Katastrophe entgangen, nachdem hier ein Kleintransporter beim Betanken in Vollbrand geriet. Erst die Feuerwehr konnte das Feuer löschen – zuvor hatte der Kassier allerdings richtig reagiert und per Notschalter die ganze Tankanlage ausser Betrieb genommen. (28.1.2021)
Bild: Keystone
Winston hat das Coronavirus besiegt: Der Gorilla erholt sich im Zoo von San Diego nach einer umfangreichen medikamentösen Behandlung von einem schweren Verlauf seiner Corona-Infektion. Bei dem 48-jährigen Silberrücken Winston waren im Zuge der Infektion eine Lungenentzündung und Herzprobleme aufgetreten. Er wurde daraufhin mit einer Antikörper-Therapie, Herzmedikamenten und Antibiotika behandelt. (26.1.2021)
Bild: Ken Bohn/San Diego Zoo Global/dpa
Und sie tun es immer noch: In Rio De Janeiro tummeln sich grosse Menschenmengen auf engem Raum am Strand von Ipanema in Rio de Janeiro. Und das, obwohl Brasilien nach wie vor sehr hohe Corona-Fallzahlen hat.
Bild: Bruna Prado/AP/dpa
Von Ruhe auf einer Parkbank kann hier nicht die Rede sein: Möwen und Tauben schwirren und fliegen um eine Frau in Tokio umher. (26.1.2021)
Bild: Eugene Hoshiko/AP/dpa
Nasskaltes Ende: Zwischen Frauenfeld und Matzingen ist eine 33-jährige Wagenlenkerin bei Glatteis von der Strasse abgekommen und im Murgkanal gelandet. Die Frau wurde mit leichten Verletzungen ins Spital gebracht. (26.1.2021)
Bild: Kapo TG
Banger Blick zum Horizont: Ein freiwilliger Helfer benutzt sein Walkie-Talkie, während er den Vulkan Mount Merapi während einer Eruption überwacht. Der Vulkan, der als einer der gefährlichsten der Welt gilt, ist erneut ausgebrochen und spukte mehrere Stunden glühende Asche und Gestein. (27.1.2021)
Bild: Slamet Riyadi/AP/dpa
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Bild: Keystone
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