Debatte in Deutschland Was für eine Impfpflicht spricht – und was dagegen

Von Anne Funk

27.1.2022

Die Impfdebatte hat im Bundestag begonnen

Die Impfdebatte hat im Bundestag begonnen

Die Impfdebatte hat im Bundestag begonnen

26.01.2022

Österreich hat sie schon, Deutschland diskutiert ausgiebig darüber: die allgemeine Impfpflicht. Was sie bringen könnte und ob sie auch in der Schweiz denkbar wäre – ein Überblick.

Von Anne Funk

27.1.2022

Es ist eines der kontroversesten Themen der Pandemie: Sollen Bürgerinnen und Bürger verpflichtet werden, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen? Als erstes EU-Land hat Österreich kürzlich eine allgemeine Impfpflicht beschlossen.

Und auch in Deutschland wird heftig diskutiert: Am Mittwoch debattierte der Bundestag zum ersten Mal darüber, ob die Pflicht flächendeckend eingeführt werden soll. Ihre Befürworter sehen darin eine nötige Massnahme, um im Kampf gegen das Coronavirus die Impfquote deutlich zu erhöhen und damit die Pandemie in den Griff zu bekommen.

Die Gegner bezweifeln die Notwendigkeit einer solchen Pflicht und verweisen darauf, dass führende Politiker aller Parteien bis vor Kurzem unisono erklärt haben, es werde keine Impfpflicht geben.

Noch ist die Impfung gegen Corona in Deutschland freiwillig. Das könnte sich ändern.
Noch ist die Impfung gegen Corona in Deutschland freiwillig. Das könnte sich ändern.
Bild: Keystone/dpa/Frank Hammerschmidt

Worum genau es in der Debatte geht und was für oder gegen eine Impfpflicht spricht:

Das ist die Ausgangslage

Weltweit steigen seit Ende des vergangenen Jahres die Infektionszahlen. Am Mittwoch hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) für die Schweiz 43'199 Neuinfektionen gemeldet, in Deutschland das Robert-Koch-Institut (RKI) 164'000 Fälle registriert. Täglich sorgt die Omikron-Welle für neue Höchstwerte.

Zugleich stagniert die Impfquote: Etwa 68 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind bisher vollständig geimpft, die Boosterimpfung erhielten etwa 38 Prozent. In Deutschland sieht die Lage nur unwesentlich besser aus: 73 Prozent der Deutschen sind vollständig geimpft, immerhin mehr als 50 Prozent haben eine Boosterimpfung erhalten und geniessen damit den grösstmöglichen Immunschutz vor der Variante Omikron.

Während in der Schweiz die Zeichen auf Lockerungen stehen und eine Impfpflicht aktuell nicht zur Diskussion steht, debattierte das deutsche Parlament heute zum ersten Mal darüber, ob eine Impfpflicht der Weg aus der Pandemie ist. 

Was spricht für eine allgemeine Impfpflicht?

Durch eine höhere Impfquote würden nicht nur mehr Menschen vor einer Ansteckung beziehungsweise schweren Erkrankung geschützt, auch für die, die sich nicht impfen lassen können, würde so das Risiko sinken, sich mit dem Coronavirus anzustecken. Zudem würde das eine Entlastung des Gesundheitssystems bedeuten.

Was spricht gegen eine allgemeine Impfpflicht?

Viele deutsche Politikerinnen und Politiker hatten eine Impfpflicht zunächst kategorisch ausgeschlossen. Dass sie nun plötzlich dafür sind, mag gute Gründe haben, wird ihnen von Gegner*innen der Impfpflicht allerdings negativ angerechnet.

Ausserdem wäre die Pflicht zur Impfung ein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das nur durch entsprechende Gesetze eingeschränkt werden darf. So sollte eine solche Einschränkung immer auch verhältnismässig und gut begründet sein.

Wie Tagesschau.de berichtet, haben sowohl der Deutsche Ethikrat als auch Juristen betont, dass vor einer Verpflichtung zur Impfung zunächst mildere Massnahmen ausgereizt sein müssten. Darunter fallen beispielsweise freiwillige Impfungen sowie verstärkte Werbung.

Des Weiteren müsse der Staat nachweisen können, dass die Impfpflicht auch wirksam sein wird. Genau darin liegt das Problem: Wenn sich die Wirkung der Impfung schnell wieder abschwächt, müsste man sich immer wieder von Neuem impfen lassen.

Gehe man ausserdem davon aus, dass die Omikron-Variante weniger gefährlich ist, ist dann überhaupt eine Impfpflicht notwendig?

Welche Möglichkeiten einer Impfpflicht werden diskutiert?

Aus den Reihen der drei regierenden Parteien in Deutschland, SPD, Grüne und FDP, kommt der Vorschlag einer Impfpflicht ab 18 Jahren, die für einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren und für drei Impfdosen gilt.

Eine Gruppe von FDP- und Grünen-Abgeordneten schlägt dagegen eine Impfpflicht für Personen ab 50 Jahren vor. Dabei solle es aber zunächst ein verpflichtendes Arztgespräch geben. Erst wenn durch diese Aufklärungskampagne keine höhere Impfquote erreicht werde, solle es zu einer Impfpflicht kommen.

Könnte die Impfpflicht auch in der Schweiz kommen?

Eine Impfpflicht in der Schweiz scheint zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich. Statt darüber eine Diskussion zu führen, stehen Schritte Richtung Lockerung zur Debatte. 

Das BAG gab sich in der vergangenen Woche geradezu optimistisch und erklärte, die Omikron-Welle habe ein weniger schlimmes Ausmass angenommen als erwartet. Trotz anhaltend hoher Fallzahlen sei eine starke Hospitalisierungswelle ausgeblieben. Man bereite sich nun eher auf ein Leben mit dem Virus vor, auf die sogenannte endemische Lage.

Wie halten es andere Länder mit der Impfpflicht?

Als erstes EU-Land hat Österreich eine allgemeine Impfpflicht für alle ab 18 Jahre beschlossen, die ab dem 1. Februar 2022 in Kraft treten wird. Wer sich weigert, dem drohen Bussen bis 3'600 Euro.

Bereits seit dem vergangenen Jahr gibt es in Italien eine berufsbezogene Impfpflicht. So muss sich das Personal an Schulen, in der Verwaltung des Gesundheitsbereichs, bei der Polizei, dem Militär und den Rettungskräften immunisieren lassen. Seit Anfang Januar gilt nun auch eine Impfpflicht für Menschen über 50 Jahre. Ab dem 1. Februar müssen Ungeimpfte dann mit einer Busse von 100 Euro rechnen.



In Griechenland gilt seit Mitte Januar eine Pflicht zur Impfung für Menschen ab 60 Jahren. Wer sich trotzdem weigert, kann ab Februar mit einer Busse von 100 Euro belangt werden.

Einige Länder haben eine Impfpflicht lediglich für bestimmte Berufsgruppen eingeführt, darunter Frankreich, Russland und Grossbritannien. Auch in Deutschland gilt ab dem 15. März 2022 eine einrichtungsbezogene Impfpflicht. Bis zu diesem Stichtag müssen Beschäftigte in Einrichtungen des Gesundheits- und Pflegebereichs nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind oder aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können.