MittelmeerWas steckt hinter dem türkisch-griechischen Säbelrasseln?
AP/toko
30.8.2020
Der Konflikt um Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer eskaliert immer weiter. Hinter dem Streit verbergen sich nach Ansicht von Experten viel weiter reichende Ambitionen der Türkei.
Griechische und türkische Kriegsschiffe demonstrieren im östlichen Mittelmeer militärische Stärke, während die Regierungen in Athen und Ankara um Erdgasvorkommen in dem Gebiet streiten, das beide Länder für sich beanspruchen. Trotz des Säbelrasselns scheint keine Seite ernsthaft einen Krieg riskieren zu wollen. Aber zugleich ist auch niemand bereit nachzugeben.
Sowohl Griechenland als auch die Türkei verfügen im Mittelmeer über etliche Luftwaffen- und Marinestützpunkte. An den Militärmanövern der Konfliktparteien in der Region sind Frankreich, die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate beteiligt. Das Risiko, dass ein Unglücksfall die Lage weiter eskalieren lässt, ist exponentiell gestiegen. Die Gefahr wurde vor wenigen Wochen deutlich, als eine griechische Fregatte in den Gewässern vor Kreta ungewollt mit einem türkischen Kriegsschiff kollidierte. Ein Überblick über die Hintergründe des Konflikts: Griechische und türkische Kriegsschiffe demonstrieren im östlichen Mittelmeer militärische Stärke, während die Regierungen in Athen und Ankara um Erdgasvorkommen in dem Gebiet streiten, das beide Länder für sich beanspruchen. Trotz des Säbelrasselns scheint keine Seite ernsthaft einen Krieg riskieren zu wollen. Aber zugleich ist auch niemand bereit nachzugeben.
Sowohl Griechenland als auch die Türkei verfügen im Mittelmeer über etliche Luftwaffen- und Marinestützpunkte. An den Militärmanövern der Konfliktparteien in der Region sind Frankreich, die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate beteiligt. Das Risiko, dass ein Unglücksfall die Lage weiter eskalieren lässt, ist exponentiell gestiegen. Die Gefahr wurde vor wenigen Wochen deutlich, als eine griechische Fregatte in den Gewässern vor Kreta ungewollt mit einem türkischen Kriegsschiff kollidierte. Ein Überblick über die Hintergründe des Konflikts:
Oberflächlich betrachtet geht es bei dem Streit darum, wer das Recht hat, nach potenziell lukrativen Erdgasfeldern unter dem Meeresboden zu suchen. Griechenland macht geltend, dass das Gebiet vor Kreta zu seiner Wirtschaftszone gehöre und die Türkei mit ihrer Suche daher gegen internationales Recht verstosse.
Das gleiche gilt für die geteilte Insel Zypern, die der Türkei wegen der Manöver Piraterie vorwirft. Die türkischen Schiffe drangen dabei auch in Gebiete vor, deren Erkundung sich grosse Energieunternehmen wie Total aus Frankreich per Lizenz gesichert haben.
Die Spannungen sind seit mehreren Wochen hoch, nachdem die Türkei ihr Forschungsschiff «Oruc Reis» in Begleitung von Kriegsschiffen in die Region zwischen Kreta, Zypern und der Südtürkei geschickt hat, um seismische Erkundungen vorzunehmen. Athen entsandte seinerseits Kriegsschiffe zur Beobachtung und zur Verfolgung der türkischen Flotte.
Die Strategie der Türkei
Die türkische Regierung rechtfertigt ihr Vorgehen mit dem Ziel, die eigenen Ansprüche auf Energievorkommen zu sichern. Doch nach Ansicht von Analysten steckt viel mehr dahinter.
Die Bestimmtheit der Türkei steht in Einklang mit einer strategischen Ambition des Landes, zu einem globalen Player zu werden – und zu einem Führer in der islamischen Welt, der die Region mit seiner Macht und seinem Einfluss nach eigenem Wunsch formen kann.
«Es geht also nicht um Energie», sagt der politische Analyst Ian O. Lesser von der US-Denkfabrik German Marshall Fund. «Es geht um eine breitere und zunehmend konkrete türkische Vision der eigenen Interessen in der Region.»
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ringt mit politischen Herausforderern und einer schwachen Wirtschaft. Seine Regierung will zudem gegen eine Zusammenarbeit zwischen Griechenland, Zypern, Israel und Ägypten im Energiesektor vorgehen, die Ankara als Bedrohung empfindet, wie Lisel Hintz erklärt, Professorin für Internationale Beziehungen an der Johns-Hopkins-Universität.
Ein Seegrenzabkommen, das die Türkei Ende vergangenen Jahres mit Libyen unterzeichnete, diente zum Teil dazu zu demonstrieren, dass bei regionalen Energieplänen kein Weg an Ankara vorbeiführt.
Unruhestifter
Das aggressive militärische Auftreten der Türkei im östlichen Mittelmeer gilt als destabilisierend für die Region, und Ankara macht sich damit keine Freunde. «Wenn überhaupt wird man auf beiden Seiten des Atlantiks momentan wenige Unterstützer für die türkische Haltung finden», sagt Lesser.
Die EU-Mitglieder Griechenland und Zypern haben die Türkei wiederholt eingeladen, sich den Energie-Partnerschaften anzuschliessen, sofern das Land seine Einschüchterungstaktik aufgibt und sich an die Regeln hält.
Doch nach Einschätzung von Lesser ist die Türkei offenbar nicht willens, an etwas teilzunehmen, das nach eigenem Empfinden das Land einschränken und seine weitergehenden Ansprüche in der Region untergraben würde. Appelle des deutschen Aussenministers Heiko Maas an beide Seiten, ihre Kräfte zurückzuziehen und Gespräche aufzunehmen, haben bislang nicht gefruchtet.
Verunsicherte EU
Die Europäische Union schwankt zwischen Aufforderungen zur Mäßigung und Gesprächen über schärfere Sanktionen gegen die Türkei. Aber es ist unklar, ob es der EU-Diplomatie gelingen wird, die Türkei zu zügeln.
«Die Beziehungen zwischen der Türkei und wichtigen europäischen Partnern und auch über den Atlantik befinden sich jetzt auf einem so dysfunktionalen Level, dass es schwierig wird, auf diese Weise diplomatisch mit Ankara wirksam zu werden», erklärt Lesser.
Hintz verweist auch auf vier Millionen in der Türkei lebende Syrer. Diese Tatsache biete Ankara einen kraftvollen Hebel gegen Europa, das einen neuen Zustrom von Flüchtlingen verhindern will.
Ein Fall für die Justiz?
Gibt es einen juristischen Ausweg aus diesem Streit? Beide Seiten sehen das internationale Recht auf ihrer Seite, was ihre Seegrenzen und Gebietsansprüche im Osten des Mittelmeers angeht. Einem Gericht die Entscheidung zu überlassen, erschiene daher vernünftig. Doch die Türkei lehnt diesen Weg ab, weil sie sich laut Lesser in der schwächeren Position sieht.
Mit dem jüngsten Schachzug im östlichen Mittelmeer könnte sich das Land übernehmen - angesichts seiner Militärpräsenz in Libyen und Syrien. Aber einige operative Erfolge dort könnten Ankara ermutigt haben, seine Interessen «zu überschaubaren Kosten mit vorhersehbarem Ergebnis» zu verfolgen, wie Lesser sagt. Das gelte vor allem für Gebiete wie um Griechenland und Zypern, wo Erdogan die öffentliche Meinung in der Türkei stabil hinter sich wisse.