Corona-Krisengipfel «Wir haben es geschafft» – EU-Gipfel einigt sich auf Billionen-Paket

SDA/dpa

21.7.2020 - 05:42

Stimmen zum historischen Entscheid in Brüssel

Stimmen zum historischen Entscheid in Brüssel

«Haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, Berechenbarkeit herzustellen» – so bewertet die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Einigung auf ein 1,8-Billionen-Euro-Coronapaket am EU-Gipfel.

21.07.2020

Nach tagelangem Ringen beschliessen die 27 EU-Staaten ihr bisher grösstes Haushalts- und Finanzpaket. Die deutsche Kanzlerin Merkel sagt «sehr schwierige Diskussionen» mit dem Europaparlament voraus.

Im Kampf gegen die Corona-Wirtschaftskrise haben sich die EU-Staaten auf das grösste Haushalts- und Finanzpaket ihrer Geschichte geeinigt. Der Kompromiss wurde nach mehr als viertägigen Verhandlungen am frühen Dienstagmorgen bei einem Sondergipfel in Brüssel von den 27 Mitgliedsstaaten angenommen, wie Ratschef Charles Michel auf Twitter mitteilte.

Zusammen umfasst das Paket 1,8 Billionen Euro – davon 1'074 Milliarden Euro für den nächsten siebenjährigen Haushaltsrahmen und 750 Milliarden Euro für ein Konjunktur- und Investitionsprogramm gegen die Folgen der Pandemiekrise.

Michel und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen feierten den Beschluss als historisch. «Wir haben es geschafft», sagte Michel. Das sei der richtige Deal für Europa. «Wir sind uns bewusst, dass dies ein historischer Moment in Europa ist», ergänzte von der Leyen.

Entscheid hat Folgen für Jahrzehnte

Mit dem Finanzpaket will sich die Europäische Union gemeinsam gegen den historischen Wirtschaftseinbruch stemmen und den EU-Binnenmarkt zusammenhalten. Gleichzeitig soll in den Umbau in eine digitalere und klimafreundlichere Wirtschaft investiert werden. Dafür werden erstmals im grossen Stil im Namen der EU Schulden aufgenommen, das Geld umverteilt und gemeinsam über Jahrzehnte getilgt.

Am Montag waren zwei der umstrittensten Einzelpunkte gelöst und damit der Weg zum Gesamtdeal freigemacht worden. Zum einen fand man nach tagelangem Streit einen Kompromiss zum Kern des Corona-Programms: Die sogenannten sparsamen Staaten akzeptierten, dass gemeinsame Schulden aufgenommen werden und das Geld als Zuschuss an EU-Staaten geht.

Im Gegenzug willigten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien ein, die Summe dieser Zuschüsse aus dem Corona-Programm von 500 Milliarden Euro auf 390 Milliarden zu verringern. Dazu kommen 360 Milliarden Euro, die als Kredit vergeben werden.

Unterschiedliche Interpretationen der Klausel

Der zweite Knackpunkt wurde dann am Montagabend geklärt: Man fand eine Formel zur Koppelung von EU-Geldern an die Rechtsstaatlichkeit, die alle 27 Staaten annahmen. Zuvor hatten sich Polen und Ungarn strikt gegen einen solchen Rechtsstaatsmechanismus gewehrt, zumal gegen beide Staaten Verfahren wegen Verletzung von EU-Grundwerten laufen. Mehrere andere EU-Staaten beharrten jedoch darauf, dass EU-Gelder gebremst werden, wenn gemeinsame Werte missachtet werden. Die Kompromissformel wurde von mehreren Staaten erarbeitet und in der Runde der 27 vom lettischen Regierungschef Krisjanis Karins vorgetragen.



Die Interpretation der Klausel war unterschiedlich. Während EU-Vertreter sie als wirksame Koppelung bezeichneten, zitierte die polnische Nachrichtenagentur PAP polnische Regierungsquellen mit der Einschätzung, die Koppelung sei gestrichen worden. Ungarische Medien feierten die Einigung als Sieg für Ministerpräsident Viktor Orban.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich erleichtert über die Einigung. Es sei darum gegangen, Entschlossenheit zu zeigen. «Das war nicht einfach», sagte die CDU-Politikerin am Dienstagmorgen zum Abschluss des am Freitag begonnenen Gipfels in Brüssel. Für sie zähle aber, «dass wir uns am Schluss zusammengerauft haben».

Neue Verhältnisse erforderten auch aussergewöhnliche neue Methoden, sagte Merkel. Damit habe der Gipfel auch aussergewöhnlich lange gedauert. «Der Haushalt ist ausgerichtet auf die Zukunft Europas», sagte die Kanzlerin. Es gehe aber auch darum, dass der Binnenmarkt in einer der schwersten Krisen der Gemeinschaft weiter funktionieren könne. Sie sagte «sehr schwierige Diskussionen» mit dem Europaparlament voraus.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron würdige die Einigung als grosse Leistung. Macron schrieb am frühen Dienstagmorgen auf Twitter: «Historischer Tag für Europa!»

Der Franzose hatte sich gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel für das milliardenschwere Programm gegen die Corona-Krise eingesetzt. Im Laufe der über vier Tage des EU-Gipfels hatte es heftige Auseinandersetzungen mit den sogenannten sparsamen Staaten gegeben, die gegen Zuschüsse für bedürftige EU-Länder waren. Am Ende hatte es einen Kompromiss gegeben.

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