Forderungen nach Vertrauensfrage Welche Konsequenzen drohen Merkel nach dem Oster-Debakel?

Maximilian Haase

24.3.2021

Nach der Rücknahme des Oster-Lockdowns stellte sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel einer Fragerunde im Bundestag. Was bedeutet das Debakel für ihre Kanzlerschaft?
Nach der Rücknahme des Oster-Lockdowns stellte sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel einer Fragerunde im Bundestag. Was bedeutet das Debakel für ihre Kanzlerschaft?
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Nach der Rücknahme des Oster-Lockdowns fordern Oppositionspolitiker, dass Angela Merkel im Bundestag die Vertrauensfrage stellen soll. Für einige Kommentatoren ist die Kanzlerin samt ihrer Partei angeschlagen.  

«Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler»: Mit diesen Worten hat Angela Merkel die zuvor festgelegte «Osterruhe» in Deutschland nach heftiger Kritik wieder zurückgenommen. Sie übernehme für den Bund-Länder-Beschluss, der für viel Verunsicherung gesorgt habe, die volle Verantwortung – und bitte alle Bürger um Verzeihung. 

Unterschiedliche Seiten zollten der Kanzlerin für diesen Schritt Respekt. Einige Beobachter sehen im Corona-Chaos indes das endgültige Ende der Ära Merkel. So mancher fragt sich: Hat die CDU im Superwahljahr endgültig verspielt? Derweil forderten Politiker der Opposition die Kanzlerin dazu auf, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen.



So schrieb der FDP-Vorsitzende Christian Lindner bei Twitter, dass sich Merkel der geschlossenen Unterstützung ihrer Koalition nicht mehr sicher sein könne. Die Vertrauensfrage wäre «ratsam, um die Handlungsfähigkeit der Regierung von Frau Merkel zu prüfen», so der Fraktionsvorsitzende der Liberalen.

Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki forderte laut «Bild»-Zeitung Merkel zur Vertrauensfrage auf. Sie habe «nicht nur ihre eigene Unfähigkeit eingestanden» – zudem «auch offensichtlich das Vertrauen eines Teiles ihrer Koalitionsfraktionen verloren».

Auch Linke und AfD fordern Vertrauensfrage

Der Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, betonte in einem Interview mit der Funke Mediengruppe, dass «konsequente Pandemiebekämpfung» nur gehe, «wenn die Kanzlerin das Vertrauen der Mehrheit des Parlaments geniesst». Merkel «sollte im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage stellen», so der linke Politiker.

Bei einer Regierungsbefragung, der sich die Bundeskanzlerin direkt nach dem Rückzug von den Ruhetagen im Bundestag stellte, fragte Bartsch abermals fordernd: «Sind Sie sich sicher, dass Sie die Unterstützung Ihrer Fraktion und auch der sozialdemokratischen Fraktion haben?» Die Reaktion fiel deutlich aus: Ein knappes «Ja» von Merkel und donnernder Applaus aus der Unionsfraktion.



Während auch AfD-Innenpolitiker Gottfried Curio die Kanzlerin fragte, ob sie nun nicht die Vertrauensfrage stellen müsse, lehnten die Grünen derlei Forderungen ab: «Das Virus lässt sich auch von populistischen Wahlkampfspielen wie der Vertrauensfrage nicht aufhalten», so Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

Merkel als «lame duck»

Dass Angela Merkel sechs Monate vor den Bundestagswahlen und dem ohnehin geplanten Ende ihrer Kanzlerschaft ihre Zustimmung im Bundestag auf die Probe stellt oder gar zurücktritt, gilt als unwahrscheinlich. Für viele deutsche Medien ist die Kanzlerin aber dennoch angeschlagen.

«Merkels Ende rückt näher», titelt etwa die «tageszeitung» in einem Kommentar. «Eine Regierung, die ihre Massnahmen nicht mehr plausibel erklären kann, verliert, was in der Pandemie unbedingt erforderlich ist: das Vertrauen der Regierten», heisst es darin: «Diese Regierung ist dabei, ihre Autorität zu pulverisieren.»

Es sei «dies die Krise von Angela Merkel, vielleicht ihre letzte», schreibt die «taz» weiter. Merkel sei «ab jetzt endgültig eine Lame Duck». Die Kanzlerin werde von der Union beiseitegeschoben: «Im Zweifel wird sie an all dem schuld sein, was schiefgeht.»

Auch die «Zeit» urteilt in einem Kommentar: «In den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft ist noch nie eine politische Massnahme so schnell gescheitert. Es ist eine Blamage erster Güte». Nun stehe sie da «wie eine Amateurin, die Vorschläge durchsetzt, die zwar eindrucksvoll klingen, aber kein bisschen durchdacht sind».

Blick auf den möglichen Kanzlerkandidaten

Mit Konsequenzen für das Oster-Debakel müsse manchen Kommentatoren zufolge weniger Merkel selbst rechnen als ihre Partei. Schon vor dem Ruhetag-Entscheid waren die Umfragewerte der Union infolge von Maskenskandal und Impfchaos immer weiter gesunken. Eine Umfrage von RTL sieht sie bei gerade einmal 26 Prozent – so niedrig wie zu Zeiten der Spendenaffäre.

Nicht zuletzt könnte die Causa zum Problem für den noch nicht gewählten künftigen Kanzlerkandidaten werden, der Merkel und ihre 16 Jahre währende Ära ab Herbst beerben soll. Wahrscheinlichster Kandidat: der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Vorsitzende Armin Laschet.

Laschet und seine Amtskollegen «hatten nicht den Mut, den Vorschlag zurückzuweisen. Sie sind damit mitverantwortlich für die Verunsicherung, die ein solches Hin und Her mitten in der schwersten Krise in der deutschen Nachkriegsgeschichte erzeugt», heisst es etwa in der «Zeit».

Mit Blick auf Laschet kommentiert auch die «Frankfurter Allgemeine Zeitung»: «Nicht mehr von Merkel erwartet man von diesem Tag an, dass sie weiss, wie man es denn besser machen kann. Sondern vom CDU-Vorsitzenden und möglichen Kanzlerkandidaten.»

Mit Material von DPA und AFP