Deutschland Weltklimagipfel läutet Abschied von der Kohleverbrennung ein

SDA

14.11.2021 - 05:11

dpatopbilder - Alok Sharma (M), Präsident der COP26, bei der schließenden Plenarsitzung der UN-Klimakonferenz. Foto: Christoph Soeder/dpa
dpatopbilder - Alok Sharma (M), Präsident der COP26, bei der schließenden Plenarsitzung der UN-Klimakonferenz. Foto: Christoph Soeder/dpa
Keystone

Die UN-Klimakonferenz in Schottland hat mit einem als historisch gefeierten Beschluss den weltweiten Abschied von der Kohleverbrennung eingeläutet.

Keystone-SDA

Erstmals in der Geschichte der Weltklimagipfel gab es dafür einen Konsens unter den rund 200 Staaten. Der am Samstagabend nach leidenschaftlichen Diskussionen gebilligte «Klimapakt von Glasgow» enthält zudem die Forderung, «ineffiziente» Subventionen für Öl, Gas und Kohle zu streichen. Die Formulierung wurde allerdings in letzter Minute auf Druck Chinas und Indiens abgeschwächt.

Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) lobte den Deal dennoch. «Das fossile Zeitalter geht zu Ende, die Energiewende wird weltweit zum Leitbild», sagte sie. Der US-Klimabeauftragte John Kerry sagte, in Verhandlungen dürfe das vermeintlich Perfekte nie dem Guten im Wege stehen. «Und das hier ist gut.»

Die weltweit bekannteste Klimaaktivistin Greta Thunberg zog hingegen eine vernichtende Bilanz des auch als COP26 bezeichneten Gipfels. «Die COP26 ist vorbei. Hier ist eine kurze Zusammenfassung: Blah, blah, blah», twitterte die Schwedin. Sie war zur Halbzeit des Gipfels zusammen mit Zehntausenden Demonstranten auf die Strasse gegangen und dann abgereist.

Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, äusserte sich ernüchtert. «Es ist ein wichtiger Schritt, aber es ist nicht genug. Es ist Zeit, in den Notfallmodus zu gehen.»

Die Mammutkonferenz mit 40.000 registrierten Teilnehmern sollte eigentlich schon am Freitag enden, wurde aber wegen stundenlanger Debatten bis in die späten Stunden des Samstags verlängert.

Die wichtigsten Beschlüsse im Überblick:

- Aufruf zum Abschied von der Kohle

EU-Kommissar Frans Timmermans liess im Plenum seinem Frust freien Lauf, dass die Forderung zum Kohleausstieg auf Druck Chinas und Indiens noch abgeschwächt wurde. Statt von einem Ausstieg (phase-out) ist auf Druck der stark von Kohle abhängigen Staaten China und Indien nun nur noch von einem schrittweisen Abbau (phase-down) die Rede. Damit bleibt offen, ob beide Staaten jemals komplett auf Kohlestrom verzichten wollen.

Als sich mehrere Staaten bitterlich über die Verwässerung kurz vor der Schlussabstimmung beschwerten, kämpfte der britische COP26-Präsident Alok Sharma mit den Tränen. «Ich bitte um Verzeihung für die Art, wie das gelaufen ist», sagte der Gastgeber. Er fügte an: «Es ist auch von elementarer Bedeutung, dass wir dieses Paket schützen.» Bundesumweltministerin Schulze pflichtete ihm bei und erklärte, mit dem Beschluss zur Kohle sei «etwas wirklich Weltbewegendes gelungen».

- Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel

In der Abschlusserklärung bekennen sich die Länder gemeinsam zu dem Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen. Dazu sollen sie bis Ende 2022 ihre bislang unzureichenden Klimaschutzpläne für dieses Jahrzehnt nachschärfen. Das ist drei Jahre früher als bislang vorgesehen. In der Erklärung wird zudem festgehalten, dass der Ausstoss klimaschädlicher Treibhausgase weltweit noch in diesem Jahrzehnt um 45 Prozent sinken muss, wenn das 1,5-Grad-Limit erreichbar bleiben soll.

- Hilfen für arme Staaten

Zugesagt wurden auch mehr Finanzhilfen für arme Staaten, damit diese sich an die vielerorts fatalen Folgen der Klimakrise anpassen können. Zig Millionen Menschen sind schon jetzt häufiger mit Dürren, Hitzewellen, Stürmen und Überschwemmungen konfrontiert, weil sich die Erderhitzung beschleunigt. Konkret sollen diese Finanzhilfen bis 2025 verdoppelt werden, also von aktuell jährlich rund 20 auf dann 40 Milliarden US-Dollar (etwa 35 Milliarden Euro.)

- Hilfe nach Klimaschäden

Erstmals wird auch die jahrelange Forderung armer Staaten aufgegriffen, einen Geldtopf für Hilfen bei Schäden und Verlusten einzurichten. Gemeint sind etwa Zerstörungen oder erzwungene Umsiedlungen nach Dürren, Sturmfluten oder Wirbelstürmen. Die Staaten werden aufgefordert, dafür Geld einzuzahlen. Konkrete Summen dafür werden aber nicht genannt. Es soll nur «technische Unterstützung» nach Schadensereignissen bereitstehen, aber nicht der komplette Schaden beglichen werden.

Der Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig nannte es «schon bitter, dass wieder einmal die von der Klimakrise besonders betroffenen, ärmeren Länder des Globalen Südens an den Rand gedrängt wurden». Genauso bewertet es Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU): «Aus Sicht der Entwicklungsländer sind die Ergebnisse absolut unzureichend, zu kleinteilig und zu langsam», sagte er der Funke-Mediengruppe.

- Regelbuch für Pariser Abkommen komplett

Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth lobte die Beschlüsse zum sogenannten Regelbuch des Pariser Klimaabkommens, wo seit Jahren noch Punkte offen waren. Man habe von Anfang an das Ziel gehabt, das «Geröll der Rechtsverhandlungen» aus dem Weg zu räumen. «Das ist alles gelungen», sagte Flasbarth. Geregelt wurde etwa, dass künftig Klimaschutzziele für fünf Jahre vorgelegt werden und nach einheitlichen Standards berichtet wird. Bei der Frage, wie künftig Emissionsminderungen zwischen Staaten gehandelt werden können, gab es ebenfalls eine Einigung. Dabei ist es laut Flasbarth gelungen, Schlupflöcher auszuschliessen.

Den Samstag über hatten stundenlange, hitzige Debatten die Beratungen verzögert. Politiker standen dicht zusammen, gestikulierten wild und diskutierten. Timmermans umgarnte die Delegierten schliesslich: «Ich flehe euch an, nehmt diesen Text an.»

Greenpeace-Chef Kaiser sieht nach Glasgow nun die geplante Ampel-Koalition im Bund in der Pflicht, Sofortmassnahmen zu ergreifen. «So ist der Kohleausstieg bis 2030 zwingend notwendig. Ab heute dürfen unsere Steuergelder nicht mehr für Kohle, Öl und Gas eingesetzt werden.»

Der nächste Gipfel, die COP27, findet im November 2022 in Ägypten statt.