Moderne Sklaverei in GrossbritannienClan liess Männer jahrelang bei McDonald's schuften
Von Samuel Walder
2.10.2024
Über vier Jahre hinweg wurden 16 tschechische Arbeiter in Grossbritannien Opfer moderner Sklaverei. Sie wurden gezwungen, unter katastrophalen Bedingungen zu arbeiten – und das unbemerkt.
Samuel Walder
02.10.2024, 04:30
02.10.2024, 05:56
Samuel Walder
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Ein Clan zwang 16 Menschen aus der Tschechischen Republik, unter menschenunwürdigen Bedingungen in Grossbritannien zu arbeiten.
Trotz diverser Anzeichen von Zwangsarbeit bemerkten die Unternehmen den Missstand nicht.
Die Opfer erhielten zwar den Mindestlohn, doch die Bande sackte fast das gesamte Geld ein.
Die Betroffenen wurden zu extremen Arbeitszeiten, darunter bis zu 100 Stunden pro Woche gezwungen.
Trotz regelmässiger Überprüfungen der beteiligten Firmen versagte das System, was zu scharfer Kritik an der Verantwortung von Unternehmen und der Wirksamkeit des britischen Sklavereigesetzes führte.
Vier Jahre lang wurden in Grossbritannien 16 Personen Opfer moderner Sklaverei. Ein Clan zwang insgesamt 16 Menschen, in einer McDonald’s-Filiale und einer Fabrik zu arbeiten, die Brotprodukte an Supermärkte wie Asda, Co-op, M&S, Sainsbury’s, Tesco und Waitrose lieferte.
Die Opfer, alle aus der Tschechischen Republik, wurden über vier Jahre hinweg systematisch ausgebeutet, während die Anzeichen von Zwangsarbeit bei den Unternehmen nicht aufgefallen sind, wie BBC schreibt.
Zu den klaren Warnsignalen gehörten unter anderem, dass die Löhne von vier Opfern auf das gleiche Bankkonto überwiesen wurden. Das Bankkonto gehörte den Bandenmitgliedern. Dies blieb lange unbemerkt. Die Opfer mussten in beengten und teils unzumutbaren Unterkünften leben – darunter ein undichter Schuppen und ein ungeheizter Wohnwagen.
Die Polizei entdeckte, dass die Bande den Lohn der Arbeiter für Luxusgüter wie teure Autos, Goldschmuck und ein Anwesen in der Tschechischen Republik verwendete. Während der Clan seine Opfer mit Gewalt und Angst kontrollierte.
Dramatische Arbeitsbedingungen der Opfer
Erst 2019 hatte die Angst der Betroffenen ein Ende, als sich einige Betroffene an die Polizei in der Tschechischen Republik wandten. Diese informierte daraufhin ihre britischen Kollegen. Allerdings war der Missbrauch bereits seit mindestens vier Jahren im Gange, wie eine Recherche der BBC zeigte.
Die Opfer waren besonders schutzbedürftig, viele von ihnen obdachlos oder drogenabhängig, und verdienten zwar den gesetzlichen Mindestlohn, doch fast ihr gesamtes Gehalt wurde von den Tätern eingesackt.
Besonders alarmierend sind die Bedingungen, unter denen die Betroffenen arbeiten mussten. Ein Opfer berichtete, dass er 70 Stunden pro Woche bei McDonald's arbeitete, ohne jemals seine vollen Löhne zu sehen. Einige schufteten sogar bis zu 100 Stunden in der Woche. Eine besonders erschütternder Fall betrifft einen Arbeiter, der eine 30-Stunden-Schicht leisten musste.
Die Unternehmen nehmen Stellung
Die Frage stellt sich: Warum blieben die klaren Anzeichen so lange unbemerkt?
McDonald's UK erklärte in einer Stellungnahme, dass man inzwischen die Systeme verbessert habe, um «potenzielle Risiken» schneller zu erkennen. Die britischen Supermärkte Asda, Tesco, Waitrose und M&S gaben an, dass sie nach Bekanntwerden der Missstände ihre Geschäftsbeziehungen zur betroffenen Bäckerei eingestellt haben.
Der Direktor der Bäckerei, die 2022 insolvent ging, verteidigte sich in einem Interview und betonte, dass das Unternehmen regelmässig überprüft wurde und alles rechtmässig verlaufen sei. Doch die Tatsache, dass Opfer von moderner Sklaverei unter katastrophalen Bedingungen lebten und arbeiteten, wirft ernsthafte Fragen über die Sorgfaltspflicht der beteiligten Unternehmen auf.
Die britische Regierung will handeln
Die ehemalige Premierministerin Theresa May, die 2015 das britische Gesetz gegen moderne Sklaverei einführte, räumte ein, dass das Gesetz in diesem Fall versagt habe und verstärkt werden müsse.
May, die vor einem Jahr die «Global Commission on Modern Slavery and Human Trafficking» gründete, bezeichnete den Fall als «schockierend» und betonte, dass Unternehmen mehr Verantwortung übernehmen müssten, um ihre Lieferketten sorgfältiger zu überprüfen und solche Missstände frühzeitig zu erkennen.
Die britische Regierung hat angekündigt, in Zukunft weitere Massnahmen zur Bekämpfung moderner Sklaverei zu ergreifen, während Opfer wie Pavel, der einer der Ausgebeuteten ist, mit den psychischen und physischen Folgen ihres Missbrauchs leben müssen. «Den Schaden an meiner psychischen Gesundheit kann man nicht rückgängig machen», sagt er. «Er wird immer bei mir bleiben.»