GeiseldiplomatieWill Russland einen weiteren Gefangenenaustausch?
mmi
12.6.2023
US-Basketballerin Griner kehrt nach Hause zurück
Bilder des russischen Fernsehens zeigten die Sportlerin an Bord eines Flugzeugs. Der im Gefangenenaustausch gegen sie freigekommene Waffenhändler russische Bout wurde in Moskau von Familie und Reportern empfangen.
09.12.2022
Der Russlanddeutsche Dieter Woronin sitzt in einem Moskauer Gefängnis, wegen angeblicher Spionage für den deutschen Geheimdienst. Diese hingegen bestreiten das. Will Russland damit einen Gefangenenaustausch provozieren?
mmi
12.06.2023, 06:30
12.06.2023, 10:00
mmi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Dieter Woronin ist von einem Moskauer Gericht zu 13 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt worden.
Dem Russlanddeutschen wird Spionage vorgeworfen, unter anderem für den Deutschen Nachrichtenbund oder die Universität Zürich.
Woronin weist die Anschuldigungen vor sich.
Vielmehr steht der Verdacht im Raum, dass Russlands Regierung willkürlich ausländische Staatsbürger festsetzt, um einen Gefangenenaustausch zu provozieren.
Die Szene, wie sie sich laut dem deutschen Magazin «Spiegel» zugetragen hat, liest sich wie ein Drehbuch für ein Spionagethriller. Und die geht so:
Dieter Woronin, ein russisch-deutscher Geschäftsmann, war wie so oft auf Dienstreise in Mokau. Zum Valentinstag wollte er nach Hause kommen, wo seine Verlobte Yevgeniya Kozmenko in der gemeinsamen Berliner Wohnung wartete. Vergebens.
Weil sie ihren Verlobten nicht mehr erreichen konnte, buchte Kozmenko einen Flug in die russische Hauptstadt. Doch am Flughafen wurde ihr der Zutritt ins Flugzeug verwehrt. Aus ungeklärten Gründen wie der «Spiegel» schreibt.
Fünf Tage verstrichen, dann meldete sich eine russische Journalistin per Telefon, um Kozmenko mitzuteilen, dass Woronin wegen Spionageverdacht in Haft sitze.
Das war im Jahr 2021. Ihren Verlobten hat sie seither nicht wiedergesehen.
13 Jahre und 3 Monate Haft wegen Spionagevorwürfen
Seit März dieses Jahres hat Kozmenko nun Gewissheit: Sie wird Woronin für lange Zeit nicht mehr sehen. Ein Moskauer Gericht hat ihn zu 13 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt, zu verbüssen in einem Straflager.
Woronin wird vorgeworfen russische Staatsgeheimnisse, unter anderem an die Universität Zürich und an den Bundesnachrichtendienst (BND) weitergegeben zu haben. So steht es zumindest in russischen Medien. Woronin, seine Verlobte wie auch der BND bestreiten eine entsprechende Zusammenarbeit.
Ab 2010 hatte der Politologe sein Geburtsland Russland zu seinem Beruf und sich selbstständig gemacht. Zweimal im Monat reiste er jeweils für mehrere Tage nach Russland, um zu recherchieren, auf Konferenzen zu gehen. Seinen Kunden bot er Rechercheberichte an: zur politischen Situation in Russland, zu Cybersicherheit, zum Energiemarkt – aber auch, so glaubt seine Verlobte, über Russen, die Kunden bei Schweizer Banken werden wollten.
Willkürliche Festnahmen
Gemäss dem «Spiegel» spreche viel dafür, dass der 43-Jährige für die Russen eine Art Opfer war. Es sei nicht das erste Mal, dass Putins Regime willkürlich ausländische Staatsbürger festgesetzt habe – mit dem Ziel seine eigenen, im Westen inhaftierten Geheimagenten, freizupressen.
Man erinnere sich an die Festnahme der US-amerikanischen Basketballerin Brittney Griner. Sie wurde zu neun Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem bei einer Kontrolle in Russland eine cannabisölhaltige Flüssigkeit für eine E-Zigarette gefunden worden war. Ebenfalls in die Kategorie gehören womöglich der ehemalige US-Marine Paus Whealan sowie der Russlandkorrespondenten des «Wall Street Journals» Evan Gershkovich – beide wegen angeblicher Spionage.
Ihnen gegenüber dürften mindestens ein Dutzend russische Spione und andere Kriminelle, die in westlichen Staaten inhaftiert sind, stehen. Aus russischer Sicht sitzen wertvolle Personen ein, wie etwa der «Tiergarten-Mörder» Vadim Karsikov, der im Sommer 2019 in der deutschen Hauptstadt einen Exilgeorgier im Auftrag staatlicher russischer Stellen erschossen hat. Das geht aus den Gerichtsurteilen hervor.
Weiter sitzen sogenannte illegale Agenten, in deren Ausbildung und Tarnung Russland viele Jahre und Geld investiert haben soll. Bis vor ein paar Monaten gehörte auch Wiktor But dazu, der 2012 in den USA zu e25 Jahren Haft verurteilt wurde, wegen Waffengeschäften in Krisenregionen.
Doch vor ein paar Monaten überstellte Washington ihn nach Moskau, um Basketballerin Griner freizubekommen.
Diese Geiseldiplomatie sei sehr unappetitlich, sagte Bill Richardson, ein langjähriger US-Verhandler in Geiselfragen zu «Spiegel». Sie sei jedoch in vielen Fällen notwendig. Dennoch wird der Austausch zwischen But und Griner als «der schlechteste Deal» für die USA bezeichnet.
In den Überlegungen, wer als Nächstes ausgetauscht werden kann, wird auch Woronins Name genannt. Doch ob und gegen wen der russisch deutsche Geschäftsmann ausgetauscht werden könnte, sind bislang nur Gerüchte und dürfte kaum eine schnelle Freilassung bedeuten. «Leider ist Dieter ein Niemand», sagt seine Verlobte Yevgeniya Kozmenko. Er sei ja offenbar nicht mal ein Spion.