Trump schafft einseitig Fakten Wofür der Iran-Deal steht – und was Trump daran kritisiert

von Jon Gambrell, AP

10.5.2018

Der Atomvertrag von 2015 lässt dem Iran einige Freiheiten. Nur so konnte überhaupt eine Einigung erzielt werden. Seitdem wird gestritten: Bringt das Entgegenkommen Teheran zur Mässigung? Oder eröffnet es radikalen Kräften ganz neue Möglichkeiten?

Die genauen Folgen sind noch nicht absehbar. Sicher ist nur, dass die Beziehungen zwischen dem Iran und dem Westen vor einer harten Probe stehen. Mit seiner Entscheidung, das mühsam ausgehandelte Atomabkommen mit Teheran aufzukündigen, hat der US-Präsident einseitig Fakten geschaffen. Was aber hat Donald Trump so sehr an der bisherigen Lösung gestört? Und wie könnte es nun weitergehen?

Der Kern des Vertrags ist einfach: Der Iran soll nicht in der Lage sein, eine Atombombe zu bauen. Im Gegenzug bleibt er von scharfen Sanktionen verschont. Konkret wurde Teheran verpflichtet, die eigenen Bestände an angereichertem Uran auf 300 Kilogramm zu reduzieren. Diese dürfen zudem nur auf maximal 3,67 Prozent angereichert sein. Für den Betrieb eines Reaktors genügt das, für eine Bombe hingegen nicht – dafür müssten es 90 Prozent sein. Auch bezüglich der Zahl und der Art der Zentrifugen wurden Beschränkungen festgelegt.

Ein iranischer Schwerwasserreaktor wurde so umgebaut, dass damit kein waffenfähiges Plutonium mehr hergestellt werden kann. Ausserdem erklärte sich Teheran bereit, die unterirdische Atomanlage Fordo in ein Forschungszentrum zu verwandeln und der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) an diesem und anderen massgeblichen Standorten mehr Zugang zu gewähren.

Beschränkungen zeitlich begrenzt

Der Vertrag hindert den Iran allerdings nicht daran, Raketen mit grosser Reichweite zu testen oder auch abzufeuern. Zudem sind die Beschränkungen des Nuklearprogramms zeitlich begrenzt. So darf der Iran bereits in achteinhalb Jahren bis zu 30 zusätzliche, leistungsfähigere Zentrifugen einsetzen, zwei Jahre später sogar unzählige weitere. Fünfzehn Jahre nach Abschluss des Vertrags fallen auch die Vorgaben zu den Höchstmengen an angereichertem Uran weg.

Während der Laufzeit des Vertrags hätte der Iran laut Experten tatsächlich keine realistische Möglichkeit, eine Atombombe herzustellen.

Was aber passiert nach 15 Jahren? Die Gegner des Abkommens argumentieren, dass sich der Iran mit dem Bau von Zentrifugen auf diesen Tag vorbereiten und dann sehr zügig mit der Urananreicherung beginnen könnte. Umgekehrt würde nichts den Westen daran hindern, dann auch mit neuen Sanktionen zu reagieren.

Die Befürworter des Atomabkommens hoffen allerdings darauf, dass die 15 Jahre genutzt werden, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Unterdessen könnten beide Seiten von einer Öffnung der iranischen Wirtschaft profitieren. In einem Folgevertrag, so die Idee, liessen sich dann auch andere strittige Punkte klären.

Trump: «Schlechteste Vereinbarung aller Zeiten»

Trump teilt diese Zuversicht nicht. Seit dem Wahlkampf vor zwei Jahren bezeichnet er den Iran-Deal mal als «Katastrophe», mal als «schlechteste Vereinbarung aller Zeiten». Der US-Präsident kritisiert vor allem, was alles nicht im Vertrag berücksichtigt ist – neben dem Raketenprogramm Teherans etwa auch dessen Unterstützung von radikalen Gruppen wie der Hisbollah im Libanon oder von Syriens Präsident Baschar al-Assad.

Zu den schärfsten Kritikern zählt neben Trump der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Um dem US-Präsidenten weitere Argumente für einen Ausstieg zu liefern, präsentierte er in der vergangenen Woche mutmassliche Beweise dafür, dass der Iran bezüglich seiner nuklearen Ambitionen gelogen habe. Die bei einer Pressekonferenz gezeigten Bilder und Dokumente deckten sich jedoch weitgehend mit dem, was die IAEO längst veröffentlicht hatte – ganz abgesehen davon, dass es als «offenes Geheimnis» gilt, dass auch Israel über ein Arsenal an Atomwaffen verfügt, ohne dies je offiziell eingeräumt zu haben.

Die Ursprünge des iranischen Atomprogramms gehen ausgerechnet auf Unterstützung aus Washington zurück. Im Jahr 1967, als in Teheran noch Schah Mohammad Reza Pahlavi regierte, wurde ein von den Amerikanern gelieferter Forschungsreaktor in Betrieb genommen. Nach dem Sturz des Schahs im Rahmen der Islamischen Revolution wurde die Hilfe 1979 eingestellt. In den 90er Jahren konnte der Iran sein Atomprogramm dennoch ausweiten, diesmal mit Unterstützung vor allem aus Pakistan.

Annäherung unter Obama

Im Jahr 2002 wurde bekannt, dass der Iran unter anderem in Natanz eine geheime Atomanlage aufgebaut hatte. Nach internationalen Verhandlungen setzte Teheran die Urananreicherung im Oktober 2003 zunächst aus. Unter Präsident Mahmud Ahmadinedschad folgte 2006 dann aber ein erneuter Kurswechsel. Die internationale Gemeinschaft reagierte mit Sanktionen, die das Land in vielen Bereichen von der globalen Wirtschaft isolierten.

Unter US-Präsident Barack Obama erfolgte dann die Annäherung, die schliesslich zu dem Vertrag von 2015 führte. Die Europäer zeigen sich bisher entschlossen, zumindest am grundsätzlichen Rahmen des Abkommens festzuhalten. Aus Teheran ist zwar erwartungsgemäss heftige Kritik an Trump zu hören. Aber aus wirtschaftlichen Gründen wäre es auch im Interesse des Irans, weiter auf Diplomatie zu setzen. Für den gemässigten Präsidenten Hassan Rohani dürfte es dabei nun jedoch schwieriger werden, den Einfluss der radikalen Kräfte im eigenen Land in Grenzen zu halten.

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