Kalifornien Schlafen im Schuppen – Wohnungskrise im «Golden State»

AP

26.10.2018

Auch nördlich der Monterey-Halbinsel in San Francisco steigen die Mieten in astronomische Höhen.
Auch nördlich der Monterey-Halbinsel in San Francisco steigen die Mieten in astronomische Höhen.
Bild: Keystone/Archiv

Normalverdiener können sich Wohnraum in Teilen Kaliforniens kaum noch leisten. Die Wähler könnten deshalb bald für eine drastische Massnahme stimmen.

Salinas in Kalifornien gehört zu den teuersten Städten in den USA. Auch hier können die Einwohner im November darüber abstimmen, ob eine Mietpreiskontrolle eingeführt wird - wohl wissend, dass dies keine dauerhafte Lösung sein wird.

Englischlehrerin Maryam Powers macht keine Ferien. Sie unterrichtet weiter oder betreut neue Kollegen, um zusätzliches Geld zu verdienen. Doch um die Hypothek ihres 330'000 Dollar (329'000 Franken) teuren Hauses abzuzahlen, das sie 2015 im kalifornischen Salinas gekauft hat, muss sie noch das grösste Schlafzimmer für 800 Dollar (797 Franken) im Monat vermieten. «Ich arbeite und arbeite und arbeite», sagt die zweifache Mutter. «Ich mache jeden Extra-Job, den ich kriegen kann, und komme nie ganz voran.»

Wie Powers' Familie geht es vielen in der Stadt zwischen der bei Touristen beliebten Monterey-Halbinsel und dem Silicon Valley. Farmer in der Umgebung züchten einen Grossteil der weltweiten Menge an Salaten, der in Salinas geborene Autor John Steinbeck liess sich hier zu seinem Roman «Früchte des Zorns» inspirieren. Die Stadt ist eine der teuersten der USA und steht für die Wohnungskrise im ländlichen wie städtischen Kalifornien. Im Schnitt haben Familien in Salinas 69'000 Dollar (knapp 69'000 Franken) im Jahr zur Verfügung, wobei die 90'000 Farmarbeiter der Region deutlich weniger verdienen. Nach Angaben der Immobilien-Plattform Zillow kostet ein Haus in der Gegend im Schnitt fast 550'000 Dollar (548'000 Franken), die Miete für eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern liegt bei rund 1'800 Dollar (knapp 1'800 Franken) im Monat.

Über die Hälfte der Mieten sind zu hoch 

Der Ärger über die hohen Wohnkosten wächst, und so setzen manche Kalifornier auf die Zwischenwahlen zum Repräsentantenhaus im November, bei denen sie in ihrem Staat auch über eine Mietpreiskontrolle werden abstimmen können. Kalifornische Politiker kommen um das Thema nicht mehr herum, wenn sie die Bedürfnisse der Einwohner in Einklang bringen wollen, in einem Staat, in dem die Superreichen ebenso zu Hause sind wie jene in Salinas, wo sich mehrere Generationen in Einfamilienhäuser zwängen, Schuppen im Hinterhof zu Schlafzimmern umfunktioniert werden und Familien nicht wissen, wie sie die nächste Rechnung zahlen sollen.

Dass eine Mietpreiskontrolle auf lange Sicht nicht die Lösung ist – Wirtschaftsexperten sind sich einig, dass dann auch weniger gebaut wird – , das wissen die Einwohner in Salinas. Dennoch sind sie bereit, ihren Nachbarn in Not zu helfen.

«Die Mieten sind einfach zu hoch, da muss was passieren», sagt Noelia Verwulf, die mit anderen eine Gruppe namens «Viviendas para Todx» (Wohnraum für alle) gegründet hat. Sie organisieren Gemeindeforen, melden die Menschen zur Wahl an und werben dafür, an den Abstimmungen teilzunehmen, die mit der Wohnungslage zusammenhängen. «Es ist eine Zwischenlösung.»

Von den elf Anträgen, über die die Kalifornier im November bei den Zwischenwahlen mit abstimmen können, befassen sich vier mit dem Wohnungsmarkt, darunter auch die Mietpreiskontrolle. Der Grossraum Salinas gehört mit weiteren sechs in Kalifornien zu den zehn teuersten in den USA, wie eine Analyse der Universität Harvard mit Zahlen aus dem Jahr 2016 ergeben hat. Das ausgedehnte Los Angeles, das reiche Santa Barbara und auch das ländliche Redding stehen auf der Liste. Die kalifornische Regierung sieht Wohnkosten als zu hoch an, wenn sie mehr als ein Drittel eines Haushaltseinkommens betragen. Doch mehr als die Hälfte der kalifornischen Mieter und fast ein Drittel der Hausbesitzer geben das bereits aus - oder sogar mehr.

Mietpreiskontrolle ist umstritten

Um Geld zu sparen, vermieteten etwa Maryam Powers und ihr Lebensgefährte schon früher das grösste Schlafzimmer, als sie noch in einem anderen Haus lebten. In ihren eigenen vier Wänden machen sie es nun ebenso, um die monatliche Hypothek von 2'300 Dollar (knapp 2'300 Franken) zahlen zu können. «Ich wusste, dass ich niemals reich sein würde, aber ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig wird», sagt die 39-Jährige.

Die Abstimmung über die Mietpreiskontrolle ist umstritten. Sind die Wähler dafür, muss ein bestehendes Gesetz abgeschafft werden, das genau diese Kontrollen für Einfamilienhäuser und Gebäude, die nach 1995 errichtet wurden, einschränkt. Damit wären neue lokale Regelungen darüber möglich, wie stark Vermieter die Mieten erhöhen können.

Anna Caballero, demokratische Abgeordnete im kalifornischen Parlament, ist gegen die Mietpreiskontrolle, sagt aber, dass sie jene versteht, die sie fordern. Es wirke, «als ob das Einzige, das sie machen können, um die Aufmerksamkeit der Vermieter zu bekommen, etwas Drastisches ist», sagt sie. Gespräche mit etwa zwei Dutzend Einwohnern von Salina zeigen, dass viele glauben, die Politiker hätten die Wohnungskrise in der Region nicht im Griff. Nur wenige sagten allerdings, dies würde sie dazu motivieren, eine andere Partei zu wählen.

Die Stadt hofft jetzt, dass sie mehr als 10'000 Wohnungen auf Feldern am Rande von Salinas bauen kann. Manche fürchten, dies reiche nicht aus.

Eine geplante Zugverbindung nach Silicon Valley könnte die neuen Wohnungen zur günstigen Alternative für Mitarbeiter der Tech-Branche machen. «Der Bedarf an Wohnungen ist unersättlich», sagt Stadtrat Scott Davis. «Egal, wie viele Häuser wir bauen, wir werden niemals genug haben.»

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