Zu lange auf Impfstoff gewartet So will Afrika sich ein eigenes Corona-Vakzin bauen

Von Lori Hinnant, Maria Cheng und Andrew Meldrum, AP

26.10.2021 - 23:55

Um dem akuten Mangel an Impfstoffdosen gegen das Coronavirus entgegenzuwirken, greifen afrikanische Forscher nun zu einem ungewöhnlichen Mittel. (Symbolbild)
Um dem akuten Mangel an Impfstoffdosen gegen das Coronavirus entgegenzuwirken, greifen afrikanische Forscher nun zu einem ungewöhnlichen Mittel. (Symbolbild)
Bild: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Nach wie vor kommt nur wenig Corona-Impfstoff in ärmeren Ländern an. In Südafrika versuchen junge Forschende nun, den Impfstoff von Moderna nachzubauen – unterstützt von der WHO. Doch rechtliche Fragen sind noch ungeklärt.

DPA, Von Lori Hinnant, Maria Cheng und Andrew Meldrum, AP

Die glänzend neuen Labore in den ehemaligen Lagerhallen in Kapstadt vibrieren vor Energie: Junge Forschende wollen hier nichts weniger als einen Corona-Impfstoff für die Ärmsten der Welt nachbauen.

In ihrem Ziel, das Vakzin des US-Unternehmens Moderna zu kopieren, werden sie sogar von der Weltgesundheitsorganisation unterstützt. Die WHO koordiniert in Südafrika ein Impfstoff-Zentrum für Forschung, Weiterbildung und Produktion, zusammen mit einer Lieferkette für wichtige Rohstoffe. Es ist der verzweifelte Versuch, Bedürftige mit den nötigen Dosen zu versorgen, und die Frage nach dem geistigen Eigentum bleibt unbeantwortet.



«Wir tun das jetzt für Afrika, und das treibt uns an», sagt Emile Hendricks, 22, der als Biotechnologe für Afrigen Biologics and Vaccines arbeitet. Das ist die Firma, die versucht, den Moderna-Impfstoff nachzubauen. «Wir können uns nicht länger auf die Weltmächte verlassen, dass sie kommen und uns retten.»

Erhebliche Ungleichheiten bei Impfstoffverteilung

Manche Experten sehen den Nachbau von Impfstoff als eine der wenigen letzten Möglichkeiten an, das Ungleichgewicht im Kampf gegen die Pandemie zu beseitigen. Nur 0,7 Prozent des Impfstoffs sind bislang in Niedriglohnländer gekommen, während fast die Hälfte an reiche Länder ging. Das zeigt eine Analyse der People's Vaccine Alliance, einer Koalition aus verschiedenen Organisationen und Aktivisten, die sich für Impfstoff als globales Allgemeingut einsetzen.

Dass die WHO, die auf den guten Willen der reichen Länder wie auch der Pharmaindustrie angewiesen ist, den Versuch des Impfstoff-Nachbaus unterstützt, zeigt, wie hoch die Ungleichheiten bei der Verteilung von Corona-Vakzinen sind.

Auch der von den Vereinten Nationen unterstützten Initiative Covax ist es nicht gelungen, den akuten Mangel in den ärmeren Ländern zu lindern. Die Impfstoffspenden, die bislang eintreffen, reichen bei Weitem nicht, um die Lücken zu füllen.

Corona-Impfungen – wie hier in Marokko – sind in Afrika noch immer über weite Strecken Mangelware. (Symbolbild)
Corona-Impfungen – wie hier in Marokko – sind in Afrika noch immer über weite Strecken Mangelware. (Symbolbild)
Bild: Keystone/EPA/Jalal Morchidi

Joe Biden setzt Moderna unter Druck

Bisher hat sich die WHO noch nie direkt an der Nachkonstruktion eines neuen Impfstoffs für die weltweite Nutzung beteiligt, weil die ursprünglichen Entwickler dagegen waren. Das Zentrum in Kapstadt soll nun den Zugang zu der neuartigen Messenger-RNA-Technologie erleichtern, mit der sowohl Moderna als auch Biontech-Pfizer ihre Impfstoffe entwickelt haben.

«Das ist das erste Mal, dass wir das auf diese Weise tun, weil es so dringend ist, aber auch, weil die Technologie noch so neu ist», sagt Martin Friede, Koordinator für Impfstoff-Forschung bei der WHO, der das Zentrum mit leitet.

Derweil macht die Regierung von US-Präsident Joe Biden Druck auf Moderna: Da deren Impfstoff-Entwicklung grösstenteils von amerikanischen Steuerzahlern finanziert worden sei, müsse das Unternehmen nun die Produktion ausweiten, um Entwicklungsländer mit zu versorgen. Je nachdem, wie viele andere Impfstoffe noch auf den Markt kommen, wird der weltweite Mangel bis einschliesslich 2022 auf 500 Millionen bis vier Milliarden Impfdosen geschätzt.

Impfstoff-Fabrik reicht vielen Afrikanern nicht

Moderna hat zugesagt, eine Impfstoff-Fabrik in Afrika zu bauen. Doch nach all dem Flehen an die Pharmakonzerne, doch ihre Impfstoff-Bauanleitungen, Rohstoffe und das technologische Wissen zu teilen, wollen manche ärmeren Länder nicht länger warten.



Doch sobald ein rekonstruierter Impfstoff kommerziell hergestellt wird, könnten Urheberrechte zum Problem werden. Moderna hat mitgeteilt, keine Firmen wegen der Verletzung von Impfstoff-Rechten vor Gericht zu belangen. Zugleich will Moderna aber auch keine Firmen unterstützen, die sich bereit erklärt haben, das mRNA-Vakzin herzustellen.

Der Vorsitzende Noubar Afeyan sagt, Moderna wolle stattdessen seine eigene Produktion ausweiten, um kommendes Jahr Milliarden an zusätzlichen Dosen liefern zu können. «In den kommenden sechs bis neun Monaten ist der verlässlichste und effizienteste Weg hin zu hochwertigem Impfstoff der, dass wir es selbst machen», sagt Afeyan.

Junge Forscher mit grossem Ziel

Nach Ansicht des mRNA-Experten Zoltan Kis von der britischen Universität von Sheffield ist es durchaus «möglich», das Moderna-Vakzin nachzubauen. Doch sei dies sehr kompliziert: «Den Bauplan zu haben, wäre sehr, sehr hilfreich. Auch wenn jemand dir zeigt, wie du es letztlich machst.»

Beim Medicines Patent Pool, einer von den UN unterstützten Organisation für öffentliche Gesundheit, hofft man weiterhin darauf, Moderna umstimmen zu können. «Es geht nicht darum, dass Aussenstehende Afrika helfen», sagt Leiter Charles Gore über das Impfstoff-Zentrum in Südafrika. «Afrika will in die Lage versetzt werden, es selbst zu tun.» Es wird letztlich Gores Aufgabe sein, die Frage nach dem geistigen Eigentum zu klären.

Ein eigener Impfstoff gegen das Coronavirus – davon träumt eine Gruppe junger, afrikanischer Forscher. (Symbolbild)
Ein eigener Impfstoff gegen das Coronavirus – davon träumt eine Gruppe junger, afrikanischer Forscher. (Symbolbild)
Bild: Luka Dakskobler/SOPA Images via ZUMA Wire/dpa

Die Arbeit, den Moderna-Impfstoff nachzubauen, ist als Forschung geschützt. Ein möglicher Rechtsstreit würde sich darum drehen, die nachgebaute Version zu Geld zu machen. «Es geht darum, Moderna zu überzeugen, mit uns zusammenzuarbeiten, statt auf andere Methoden zurückzugreifen.»

Im Labor in Kapstadt sind die jungen Forschenden dennoch motiviert. «Wir wollen unbedingt lernen, wie wir mRNA-Technologie dafür nutzen können, einen Impfstoff gegen Covid-19 zu entwickeln», sagt Caryn Fenner, technische Leiterin bei Afrigen. Doch wichtiger sei es, erklärt Fenner, «die Technologie nicht nur gegen Corona zu verwenden, sondern darüber hinaus».