Fragen und Antworten Konnte Trump streng geheime Dokumente überhaupt freigeben?

dpa

14.8.2022 - 11:34

Klar ist nach der FBI-Razzia: Donald Trump hat nach seiner Zeit im Weissen Haus Dokumente mit nach Florida genommen. Doch was, wenn es sich um streng geheime Unterlagen handelt? Welche Konsequenzen hätte dies für Trump – und sein Team?

Was wird Donald Trump genau vorgeworfen?

Drei Straftatbestände werden im Durchsuchungsbefehl des FBI aufgeführt: Einerseits das Sammeln, Übermitteln oder Verlieren von Verteidigungsinformationen, das Entfernen oder Zerstören offizieller Dokumente sowie das Zerstören oder Verändern von Dokumenten, um Ermittlungen zu behindern. Der erste Punkt – der unter das US-Spionagegesetz fällt – kann mit bis zu zehn Jahren, der zweite mit bis zu drei Jahren und der dritte mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden. 

Laut dem Katalog der beschlagnahmten Dokumente, der am Freitag zusammen mit dem Durchsuchungsbefehl veröffentlicht wurde, wurden im Anwesen mehrere Dokumente mit dem Status «Top Secret», «Secret» oder «Vertraulich» vorgefunden. 

Welche Dokumente fallen unter die höchste Sicherheitsstufe? 

Als streng geheime Dokumente werden solche klassifiziert, von denen höchstwahrscheinlich erwartet werden kann, «dass sie der nationalen Sicherheit aussergewöhnlich schweren Schaden zufügen» können, schreibt CNN. Als geheim würden Dokumente hingegen eingestuft, die einen «schweren Schaden» für die nationale Sicherheit verursachen könnten. 

Als «Top Secret» würden zum Beispiel Informationen zu Atomwaffen oder Informationen, die von einer besonders sensiblen menschlichen Quelle stammen oder abgefangen wurden, eingestuft, erklärt Philip Mudd, CNN-Experte. Wer solche Dokumente einsehen dürfte, sei einer intensiven Sicherheitsprüfung unterzogen worden. Meist dürften die Dokumente nur an einem bestimmten, gesicherten Ort eingesehen werden. Zudem gebe es weitere Abstufungen in dieser Klassifizierung: Wer Zugriff zu einem streng geheimen Dokument erhalte, bekomme nicht automatisch Zugriff auf alle Dokumente dieser Kategorie. 

Trump behauptet, er habe die beschlagnahmten Dokumente in der Sicherheitsklassifikation abgestuft. Doch stimmt das wirklich?
Trump behauptet, er habe die beschlagnahmten Dokumente in der Sicherheitsklassifikation abgestuft. Doch stimmt das wirklich?
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Hätte Trump den Status der Dokumente ändern können, wie er es behauptet?

Amtierende Präsidenten haben zwar weitreichende Befugnisse, Informationen freizugeben und die Geheimhaltung aufzugeben. Doch für die Freigabe von Dokumenten gibt es ein formelles Verfahren mit mehreren hochoffiziellen Schritten – eine einfache mündliche Anweisung reicht nicht. Zudem muss ein Präsident die Geheimhaltung während seiner Amtszeit aufheben – er kann dies nicht nachträglich tun. Es ist unklar, ob die Dokumente den rechtlich notwendigen Prozess zur Freigabe durchlaufen haben. 

Laut USA-Experte Stephan Bierling gebe es keine Belege dafür, dass Trump diesen Prozess durchlaufen habe. «Selbst wenn das der Fall ist, darf er die Dokumente nicht einfach mit nach Hause nehmen», erklärt er weiter gegenüber SRF.

Denn:  Schon die Aufbewahrung von Dokumenten ohne Genehmigung kann im Zusammenhang mit der nationalen Verteidigung ein Verbrechen darstellen, wenn die Sicherheit des Landes dadurch gefährdet wird. Auch andere Expert*innen weisen darauf hin, dass bestimmte Dokumente etwa zu Atomwaffen nicht einfach freigegeben werden können. All diese Fragen werden nun Gerichte klären müssen.

Kann nur Trump selbst belangt werden für den Vorfall?

Nein, sein Team könnte allenfalls wegen Behinderung der Justiz vor Gericht gebracht werden. Denn sein Team soll einem Bericht der «New York Times» zufolge unvollständige Angaben über den Verbleib von Geheimdokumenten in Trumps Besitz gemacht haben. Mindestens eine Anwältin oder ein Anwalt des Republikaners soll im Juni eine Erklärung unterzeichnet haben, wonach das als geheim gekennzeichnete Material komplett an die Regierung zurückgegeben worden sei, schrieb die Zeitung am Samstag unter Berufung auf vier namentlich nicht genannte Personen. 

Wie jetzt aber die FBI-Razzia ans Licht brachte, befanden sich zu diesem Zeitpunkt wohl immer noch streng geheime Dokumente im Anwesen. Dieser mutmassliche Verschleierungsversuch könnte auch für das Team von Trump rechtliche Konsequenzen haben.

Was bedeutet der Vorfall langfristig?

Die Razzia werde die Spaltung zwischen Demokraten und Republikaner weiter vorantreiben, sagte USA-Experte Martin Thunert im Gespräch mit blue News bereits Anfang Woche. Für ihn stand fest, dass Trumps Anhänger versuchen werden, die FBI-Durchsuchung seines Anwesens Mar-a-Lago als Beleg für eine drohende linke Diktatur heranzuziehen.

Dabei sind vor allem sie es, die die sozialen Spannungen immer weiter verschärfen. Spannungen, die längst zur Belastungsprobe für die Demokratie geworden sind. Spätestens seit dem Sturm auf das Kapitol durch Trump-Anhänger am 6. Januar vergangenen Jahres ist deutlich, wie fragil diese Demokratie in den USA ist. Das Trump-Lager versucht nun, finanziellen und politischen Nutzen aus der FBI-Durchsuchung zu ziehen, auch wenn das die Gesellschaft weiter spaltet. Die Rhetorik der stramm rechten Anhänger des Ex-Präsidenten hat dabei eine neue Schärfe erreicht. Und womöglich bleibt es nicht bei Worten. Der Trump-Anhänger, der bewaffnet versuchte ein FBI-Büro anzugreifen und dabei erschossen wurde, scheint dafür ein Vorzeichen.

Und was passiert innerhalb der republikanischen Partei?

Bei den Republikanern gewinnt die Gruppe der Wahlleugner immer mehr Einfluss. Besonders alarmierend: Bei den Vorwahlen haben die Republikaner bislang in vier sogenannten Swing States – also in womöglich wahlentscheidenden Bundesstaaten, die weder Republikanern noch Demokraten klar zuzuordnen sind – Wahlleugner als Kandidaten für das Amt des Secretary of State nominiert. Diese sind in den Bundesstaaten die obersten Wahlaufseher.

Bizarr mutet an, dass die Demokraten für manche Trump-Kandidaten sogar Werbung machen – es ist ein Spiel mit dem Feuer. Die wahltaktische Überlegung hinter dem parteiintern umstrittenen Schritt: In moderaten Wahlbezirken dürften die Chancen demokratischer Kandidaten steigen, wenn der republikanische Gegner extreme Meinungen vertritt.

Der «Washington Post»-Kolumnist und Autor Dana Milbank sieht in der Radikalisierung der Republikaner, die schon lange vor Trumps Ära eingesetzt habe, den Versuch, sich gegen den fortschreitenden Machtverlust der weissen Noch-Mehrheit in den USA zu stemmen. «Leider zerstören die Republikaner, um sich an der Macht zu halten, im Grunde die Grundlagen der Demokratie.» Er warnt davor, dass die USA zu «einer nordamerikanischen Version Ungarns» werden könnten. Milbank sagte: «Das ist eine gefährliche Zeit, und ich habe im Moment Angst um das Land.» Ob er glaubt, dass Trump 2024 wieder antritt? «Ich bin sicher, dass er das will.»