Nach schwerer HirnverletzungSein Vater gab ukrainischen Soldaten nicht auf – heute macht er grosse Fortschritte
AP/twei
6.9.2024 - 22:03
Vor zwei Jahren wurde der ukrainische Soldat Witalij Schumei im Krieg schwer am Kopf verletzt. Mit dem Beistand seines Vaters macht er nach und nach Fortschritte. Doch sein Weg ist noch weit.
DPA, AP/twei
06.09.2024, 22:03
dpa
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Im Krieg gegen die Ukraine trug der ukrainische Soldat Witalij Schumei schwere Hirnverletzungen davon.
Obwohl die Ärzte teilweise die Hoffnung verloren, ist er heute auf dem Weg der Besserung – auch wegen seines Vaters.
Selbst der Fussballklub Schachtar Donezk half dem verwundeten Soldaten und übernahm die Kosten für die teure Behandlung. Doch der Weg ist noch weit.
Zwei Jahre lang wich Serhij Schumei nicht von der Seite seines bettlägerigen Sohns Witalij, der eine schwere Hirnverletzung erlitten hatte. Er begleitete den 36-Jährigen durch Krankenhäuser und Reha-Zentren und erfreute sich an den kleinsten Fortschritten: einem Lächeln, einem neuen Wort, einer unerwarteten Bewegung. Es waren Meilensteine, die die Ärzte des ukrainischen Soldaten kaum für möglich gehalten hatten.
Die AP berichtete vor eineinhalb Jahren über Schumeis Geschichte, die viral ging. Unter anderem wurde der ukrainische Fussballclub Schachtar Donezk aufmerksam, der anbot, für Schumeis teure und dringend notwendige medizinische Behandlung aufzukommen.
Der Flugabwehrraketen-Kommandeur war im August 2022 bei Gefechten in der Region Donezk verletzt worden, dem am härtesten umkämpften Teil der 1000 Kilometer langen Front in der Ukraine. Schumei war bei der Verteidigung der Stadt Awdijiwka im Einsatz, die inzwischen von den russischen Streitkräften erobert wurde. Der Kampf um Bachmut, der längste seit Kriegsbeginn, hatte zum Zeitpunkt von Schumeis Verletzung gerade erst begonnen.
Vater gibt Hoffnung nicht auf: «Bald werden wir gehen»
Nun rücken die russischen Truppen auf eine weitere grosse Stadt, Pokrowsk, vor, wo der Kampf wohl ebenso zermürbend und brutal verlaufen wird wie in anderen Städten im Donbass. Doch den ultimativen Preis für das langsame Vorrücken der russischen Kräfte in der Region zahlen die Soldaten und ihre Familien im Krieg, in dem schon Tausende getötet oder verletzt wurden.
«Wir haben schon ein paar Fortschritte gemacht, wenn nur seine Beine anfangen würden zu funktionieren», sagt Serhij Schumei. «Bald werden wir gehen und jeden Tag Übungen machen.» In ihrem Zimmer im Reha-Zentrum im westukrainischen Modrytschi stehen zwei Betten. Witalij Schumei schläft am Fenster, sein 65-jähriger Vater gegenüber. Serhij Schumeis Leben dreht sich jetzt vor allem um die Zukunft seines Sohnes.
Die Wand des Zimmers ist geschmückt mit einem Fussballtrikot mit dem Namen Schumei und der Nummer 35 darauf. Daneben hängen eine ukrainische Flagge mit den Autogrammen der Schachtar-Spieler und ein Foto des lächelnden Witalij vor seiner Verletzung. Serhij ist schon zeitlebens leidenschaftlicher Schachtar-Fan. Als der Verein vor eineinhalb Jahren anbot, die Kosten für die Behandlung seines Sohnes zu übernehmen, konnte er das kaum glauben.
Soldat konnte nach Verletzung nur «Ja» und «Nein» sagen
Damals war Witalijs Zustand ernst, nachdem er im Schützengraben von einer Granate getroffen worden war. Die Explosion riss einen Krater von der Grösse einer halben Melone in seinen Schädel. Er konnte blinzeln und schlucken, war aber weitgehend immobil.
Nach langwierigen Untersuchungen wurde Witalij in Barcelona operiert. «Der Eingriff war sehr komplex, aber Witalij ist stark», sagt der Vater. «Ich wusste, dass er es überstehen würde.» Wenige Monate später kehrten Vater und Sohn in die Ukraine zurück. Im Februar dieses Jahres fing Witalij wieder an zu lachen und zu sprechen. Am Anfang beschränkten sich seine Antworten noch auf «ja» und «nein». Doch sein Wortschatz wuchs nach und nach, bis er wieder Farben, Wochentage und die Namen enger Verwandter nennen konnte.
Sein Vater ist bei jeder Reha-Anwendung mit dabei. Zuletzt habe Witalij bedeutsame Fortschritte gemacht, sagt seine Ergotherapeutin Switlana Kononeko, die ihn seit mehreren Monaten behandelt. Zu ihren Patienten gehören mehrere Soldaten.
Vater steht verletztem Sohn immer bei
Auch Serhij braucht Unterstützung auf dem schwierigen Weg. Die freiwillige Helferin Iryna Tymofejewa begleitet die Familie seit eineinhalb Jahren. «Es war eine lange und schwierige Reise», sagt sie. Nur diese beiden Männer seien «verrückt genug» gewesen, um von Anfang an den Erfolg zu glauben.
Noch heute bleibt Serhij fast ständig in der Nähe seines Sohnes. «Ich lasse ihn erst allein, wenn ich sehe, dass er auf seinen Füssen steht», sagt er. «Dann kann er anfangen, sein eigenes Leben zu leben.» Wann Witalij wieder gehen und stehen können wird, ist nach Angaben der Reha-Spezialisten noch nicht abzusehen.
Gewiss ist ihm indes der Beistand seines Vaters. «Er ist mein Kind, und ich muss durchhalten und alles in meiner Macht Stehende tun, damit es ihm besser geht», sagt Serhij Schumei. Aufzugeben sei für ihn keine Option.