Ärzte beklagen sich über ständige Extrawünsche «Anspruchshaltung der Patienten ist eine Katastrophe»

zis

2.6.2024

Der Hausarztbesuch spielt eine grosse Rolle – aber auch Recherchen im Internet gewinnen an Bedeutung.
Der Hausarztbesuch spielt eine grosse Rolle – aber auch Recherchen im Internet gewinnen an Bedeutung.
Benjamin Nolte/dpa-tmn

Patienten mit falschen Erwartungen oder hohen Anspruchshaltungen sorgen bei Ärzten für einen hohen Zeitaufwand. Nun erzählen Mediziner von den Erlebnissen hinter den Kulissen.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Immer mehr Patienten versuchen, Ärzten vorzuschreiben, was für Behandlungen vorgenommen werden sollen. 
  • Entscheiden sich Ärzte für andere Behandlungen, riskieren sie schlechte Bewertungen im Internet.
  • Ein Arzt schildert: «Diese Anspruchshaltung der Patienten ist eine wirkliche Katastrophe.»

Immer mehr Patienten äussern online ihren Unmut über Arztbesuche. Leander Muheim, Hausarzt und Vizepräsident des Medix-Verbunds, berichtet im Gespräch mit dem «Tagesanzeiger» von zunehmenden Druck seitens der Patienten: «Immer mehr Patienten sagen uns direkt, welche Behandlungen wir auszuführen haben.»

Diese steigende Anspruchshaltung führt zu Frustration und negativen Bewertungen. Patienten würden oft teure und unnötige Untersuchungen verlangen, heisst es in dem Bericht. Bleibt ein Arzt standhaft und ordnet beispielsweise bei einem verstauchten Fuss kein MRT an, riskiert er negative Kommentare.

Ein Arzt schildert: «Diese Anspruchshaltung der Patienten ist eine wirkliche Katastrophe.» Auch ältere Patienten hätten heute häufig eine Anspruchshaltung, «sie stehen den Jüngeren in nichts nach.» Ein weiterer Arzt sagt: «Oft haben die Patienten völlig falsch im Internet recherchiert und sagen uns: ‹Ich möchte das und das›, und lassen sich kaum davon abbringen.»

Höherer Selbstbehalt als Lösung?

Schweizer besuchen durchschnittlich 4,5-mal pro Jahr einen Arzt, jüngere Patienten fast genauso häufig wie ältere. Schwer kranke Patienten benötigen mehr Zeit, während Bagatellen schnell behandelt werden müssen. Ein Anspruch, den viele Patienten nicht auf sich sitzen lassen wollen. «Wir haben den Beruf gewählt, um Kranken zu helfen, und nicht, um unnötige Behandlungen zu machen», betont Muheim.

Er schlägt gegenüber dem «Tagesanzeiger» daher vor, dass Patienten, die nicht im Hausarztmodell zusammenarbeiten, einen höheren Selbstbehalt zahlen sollten. «Eine sinnvolle Medizin braucht Stabilität, Solidarität und gegenseitiges Vertrauen», so Muheim. Vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehungen reduzieren die Anspruchshaltung und führen zu positiven Bewertungen.

Onlinebewertungen sind zudem nicht immer verlässlich. Studien zeigen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Onlinebewertungen und der tatsächlichen medizinischen Leistung gibt. Plattformen wie Medicosearch, die Bewertungen nur von real behandelten Patienten zulassen, bieten eine bessere Alternative als grosse Portale wie beispielsweise Google Bewertungen, zeigen Untersuchungen.