SteuernAusländische Versandplattformen sollen bald Mehrwertsteuer zahlen
gg, sda
10.5.2022 - 17:18
Ausländische Onlinehändler sollen künftig auf ihrem Schweizer Umsatz eine Mehrwertsteuer entrichten müssen. Wie der Bundesrat will auch der Nationalrat diesen Systemwechsel vornehmen. Dem Bund sollen so neue Einnahmen zufliessen.
gg, sda
10.05.2022, 17:18
10.05.2022, 18:47
SDA
Bestellt man heute übers Internet ein Produkt, müsste das ausländische Versandhandelsunternehmen Schweizer Mehrwertsteuer zahlen, wenn es mit seinen Lieferungen jährlich mehr als 100'000 Franken Umsatz macht. Seit diese Regel vor drei Jahren in Kraft trat, registrierten sich jedoch nur wenige Firmen für die Mehrwertsteuer.
«Ein beachtlicher Teil des Konsums bleibt unversteuert», sagte Kommissionssprecherin Daniela Schneeberger (FDP/BL) am Dienstag im Nationalrat. Das bedeute für den Bund Einnahmenausfälle in Millionenhöhe. Darum brauche es Korrekturen.
Angst vor teureren Produkten
Statt ganz viele kleine Händler zu registrieren, sollen es künftig nur die grossen Plattformen sein, die dann auf ihrem Gesamtumsatz in der Schweiz die Mehrwertsteuer zahlen. Kommen sie der Steuerpflicht nicht nach, kann der Bund künftig Sendungen von in- und ausländischen Versandhandelsunternehmen und Online-Versandhandelsplattformen vernichten lassen.
Der Nationalrat stimmte einer solchen Plattformbesteuerung als Erstrat zu. Grundsätzliche Kritik äusserte nur die SVP. «Wir lehnen neue Steuern und Abgaben ab», begründete Fraktionssprecher Thomas Burgherr (AG). Er gab zu bedenken, dass für die Kundinnen und Kunden die Ware aus dem Ausland wegen der Mehrwertsteuer teurer werde.
Für die Mehrheit überwogen aber die Vorteile – etwa, dass die neue Regelung einfach durchsetzbar wäre. Wenn sich heute ein kleines ausländisches Versandhandelsunternehmen nicht registrieren lässt, ist dieses Steuervergehen schwierig zu ermitteln.
IT-Dienstleistungen ausgeklammert
Mit der Besteuerung der grossen internationalen Plattformen wie Ebay, Alibaba und Amazon sähe es mit den Kontrollen für den Schweizer Staat besser aus. Die Plattformen wären verpflichtet, die schweizerische Mehrwertsteuer bei ihren Unterlieferanten einzutreiben. Die EU und Grossbritannien haben bereits gehandelt. Die Schweiz soll nun nachziehen.
Anders als der Bundesrat will der Nationalrat die neuen Regeln auf alle steuerpflichtigen Importeurinnen und Importeure ausdehnen. Die grosse Kammer folgte dem Antrag ihrer vorberatenden Wirtschaftskommission. Damit soll sichergestellt werden, dass inländische Importunternehmen gegenüber ausländischen elektronischen Plattformen nicht benachteiligt werden.
Umstritten war in der Kommission, ob neben Waren auch importierte IT-Dienstleistungen in die obligatorische Plattformbesteuerung einbezogen werden sollen. Ja, sagte eine starke Minderheit um SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi. Nein, befand eine Mitte-Links-Mehrheit, die sich im Plenum schliesslich deutlich durchsetzte.
«Tamponsteuer» reduzieren
Mit der gleichen Mehrwertsteuerrevision werden noch andere Steuerthemen mitbehandelt. So sollen Produkte der Monatshygiene wie Tampons und Binden günstiger werden und künftig einem reduzierten Mehrwertsteuersatz von 2,5 statt 7,7 Prozent unterliegen. Dieser reduzierte Satz gilt für Güter des täglichen Bedarfs. Der Nationalrat folgte in diesem Punkt dem Bundesrat.
Nur relativ knapp scheiterte ein Antrag der Ratslinken, die Steuerreduktion auf Babywindeln und Einlagen für inkontinente Personen auszuweiten. Die grosse Kammer lehnte dies mit 97 zu 83 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab. Ebenfalls erfolglos war ein Antrag aus der SVP-Fraktion, den Mehrwertsteuersatz für Hotels zu senken.
Mehrwertsteuerpflichtig machen will der Nationalrat im Einklang mit dem Bundesrat neu die Übertragung von Emissionsrechten, Zertifikaten und Bescheinigungen für Emissionsverminderungen, Herkunftsnachweisen für Elektrizität und ähnlichen Rechten. Die Mehrheit verwies auf ein Bundesgerichtsurteil, das eine Besteuerung als notwendig taxierte.
Aufträge des Parlaments
Ferner entschied der Nationalrat, dass ausländische Reisebüros nicht von der Steuerpflicht befreit werden sollen. Der Bundesrat hatte dies – mit Verweis auf einen entsprechenden Auftrag des Parlaments – vorgeschlagen.
Dagegen will die Mehrheit der grossen Kammer parallel zur Steuerausnahme für Heilbehandlungen in Spitälern auch Leistungen von Ambulatorien und Tageskliniken von der Steuer ausnehmen. Zudem beschloss der Nationalrat, eine zusätzliche Steuerausnahme für Anlagestiftungen zu schaffen.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 129 zu 53 Stimmen bei einer Enthaltung an. Die Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes geht nun an den Ständerat. Die meisten Änderungen beruhen auf vom Parlament überwiesenen Vorstössen. Es handelt sich bereits um die zweite Revision des Gesetzes, das erst 2010 total überarbeitet wurde.
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