Nur die Hälfte der Straftäter wurde weggewiesen Ausschaffungs-Bilanz: Sommaruga denkt an Gesetzesrevision

uri

6.6.2018

Bundesrätin Simonetta Sommaruga denkt über eine Gesetzesrevision nach. (Archiv) 
Bundesrätin Simonetta Sommaruga denkt über eine Gesetzesrevision nach. (Archiv) 
Keystone

Lediglich die Hälfte der kriminellen Ausländer wird ausgeschafft – offenbar, weil Staatsanwälte häufig sogenannte «Härtefallklauseln» anwenden. SP-Bundesrätin Sommaruga kann sich vorstellen, das Gesetz zu verschärfen.

Am Montag veröffentlichte das Bundesamt für Statistik (BfS) erstmals Zahlen zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative. Demnach fällten die Gerichte Urteile gegen 1210 Ausländer – nur gut die Hälfte von ihnen mussten das Land verlassen.

Nicht nur mehrere Staatsanwaltschaften zogen diesen Wert in Zweifel, da sie nach eigenen Auswertungen auf eine höhere Ausschaffungsquote kamen, auch von der SVP kam prompt donnernde Kritik. In einer Medienmitteilung spricht die Partei davon, dass die Bevölkerung «bei der Nicht-Durchsetzung der Ausschaffungsinitiative ... von Bundesrätin Sommaruga, Ständerat Müller und dem ganzen Rest der Classe politique brandschwarz angelogen» wurde.

Wie «Blick» schreibt, existieren tatsächlich riesige kantonale Unterschiede bei den Ausschaffungsquoten. Die Kantone Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Genf, Graubünden, Tessin, Waadt und Zürich etwa kämen auf rund 60 Prozent. Bedeutend seltener ausgewiesen würden kriminelle Ausländer aber in den Kantonen Aargau, Freiburg, Neuenburg, Solothurn und Wallis.

Staatsanwälte wenden häufig «Härtefallklausel» an

Grund für die Diskrepanzen sei nicht zuletzt eine unterschiedliche Anwendung der sogenannten «Härtefallklausel», die es in Ausnahmen ermögliche, von einer Ausschaffung abzusehen.

Pikanterweise würde die Härtefallklausel gar nicht so oft von Richtern angewendet, sondern ausgerechnet von Staatsanwälten mittels Strafbefehl, schreibt die Zeitung. Ganze 440 der insgesamt 559 Entscheide gegen eine Ausschaffung hätten Staatsanwälte demnach selbst gefällt.

Die abweichenden Zahlen zwischen BfS und den kantonalen Staatsanwaltschaften resultieren laut «20 Minuten» hingegen auch daraus, dass die Tabelle des BfS bisher etwa den Straftatbestand des einfachen Betrugs mit erfasse. Laut der Botschaft des Bundesrats sei Betrug hingegen nur dann eine Katalogtat, die den obligatorischen Landesverweis nach sich ziehe, wenn er im Bereich der Sozialversicherungen und der öffentlich-rechtlichen Abgaben erfolge. Würden Verurteilungen wegen Betrugs – die ohnehin fast nie zu einem Landesverweis führten – komplett aus der Statistik gestrichen, steige der Prozentsatz bei den Ausschaffungen auf 69 Prozent.

SVP hält auch eine Quote von 69 Prozent für inakzeptabel

Das BfS kündigte bereits an, die Statistik erneut zu publizieren – dieses Mal ohne den Straftatbestand des einfachen Betrugs. Und auch die zuständige Bundesrätin Simonette Sommaruga will womöglich aktiv werden. In der Fragestunde des Nationalrates erklärte sie am Montag, dass der Bundesrat die Entwicklung aufmerksam verfolge und sich eine Gesetzesrevision vorbehalte, falls das bestehende Recht die Absicht des Gesetzesgebers vereitle. Es sei etwa denkbar, Strafbefehle bei kriminellen Ausländern zu verbieten. 

Auf wenig Begeisterung stösst diese Idee bei der Staatsanwälte-Konferenz (SSK). Sie hält an einer Empfehlung vom November 2016 fest, wonach die kantonalen Staatsanwaltschaften die Möglichkeit des Strafbefehls nutzen sollen. SSK-Präsident Fabien Gasser erklärte gegenüber «Blick», der Strafbefehl habe viele Vorteile: «Die Kosten der Justiz sinken. Es gibt weniger Beschwerden vor den kantonalen Gerichten und weniger Gerichtsverhandlungen.»

Gar kein Verständnis für solche Feinheiten hat die SVP. «Es geht darum, die Zahlen zurechtzubiegen und von den Versäumnissen abzulenken», zitiert «20 Minuten» den ehemaligen SVP-Präsidenten Toni Brunner - selbst eine Ausschaffugsquote von 69 Prozent sei noch inakzeptabel.

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