Im Oktober wurde ein Iraker wegen Beteiligung an der Terrormiliz IS zu 70 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die er im Kantonalgefängnis Frauenfeld verbüsst. Vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona beginnt heute die Berufungsverhandlung.
Keystone-SDA, zs, sda
07.07.2021, 06:34
07.07.2021, 10:08
SDA
Vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona beginnt am Mittwoch die Berufungsverhandlung gegen einen 53-jährigen Iraker. Er wurde im Oktober wegen Beteiligung an der Terrormiliz IS zu 70 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die er im Kantonalgefängnis Frauenfeld verbüsst. Wegen seines problematischen Verhaltens im Strafvollzug hat die Bundesanwaltschaft ein neues Verfahren eröffnet.
Nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung im September hatte das Bundesstrafgericht den Iraker kurdischer Herkunft am 8. Oktober wegen Beteiligung an der verbotenen Terrormiliz Islamischer Staat (IS), das heisst wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation und weiterer Delikte zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 10 Monaten sowie 15 Jahren Landesverweis verurteilt.
Den erstmals von der Bundesanwaltschaft (BA) in einem solchen Verfahren gestellten Antrag zu einer Verwahrung des Straftäters wies das Bundesstrafgericht damals ab. Ebenso scheiterte die BA mit ihrem Anklagepunkt, wonach der Iraker Vorbereitungen für einen Anschlag in der Schweiz unternommen habe. Die Ermittlungsbehörde konnte keine entsprechenden Beweise vorlegen. Sowohl der Verurteilte als auch die BA legten gegen das Urteil Beschwerde ein.
Für das Gericht galt als erwiesen, dass sich der Mann im tatrelevanten Zeitraum bis zu seiner Verhaftung im Jahr 2017 «in multifunktionaler Rolle und mit grossem Zeitaufwand» für die Terrormiliz IS eingesetzt hatte, er im Kontakt mit Führungspersonen des IS stand und sich als Angehöriger der Terrororganisation sah.
Laut schriftlichem Urteil handelte es sich nicht einfach um einen «Fusssoldanten der Terrororganisation», sondern um einen Aktivisten «im mittleren Kader». Das Gericht spricht von einem «Überzeugungstäter» mit einer «besonders stark ausgeprägten fanatischen Gesinnung». So hatte er seine via Internet im Libanon geheiratet Ehefrau bei ihren Plänen für einen Selbstmordanschlag unterstützt.
Wegweisung aufgeschoben
Der in einer Grossfamilie mit elf Geschwistern aufgewachsene Iraker war 1967 in Kirkuk geboren worden und nach einer Flucht 1998 in die Schweiz gekommen. Dort lebte er seither, mit einem Intermezzo in Schweden, ohne einer regulären Arbeit nachzugehen. Sein Asylantrag war abgelehnt worden – der Vollzug der Wegweisung aus der Schweiz wurde jedoch zugunsten einer vorläufigen Aufnahme aufgeschoben.
Der Mann war im Mai 2017 in einer Asylunterkunft in Eschlikon TG verhaftet worden und sitzt seither in Untersuchungs- beziehungsweise Sicherheitshaft. In der Hauptverhandlung hatte er vehement bestritten, ein radikaler Islamist zu sein. Bei ihm sichergestellte kompromittierende und gewaltverherrlichende Chats in den sozialen Netzwerken bezeichnete er wiederholt als «leeres Gerede». Die Verteidigung hatte auf weitgehenden Freispruch plädiert.
Das Verhalten des verurteilten Irakers im Kantonalgefängnis Frauenfeld scheint indes grosse Probleme zu schaffen, wie der «Tages-Anzeiger» in seiner Ausgabe vom Dienstag publik machte. Demnach betreibt er weiter Propaganda und hat sogar aus der Haft den Auftrag erteilt, seine ehemalige Ehefrau zu töten. Die Bundesanwaltschaft äussert sich nicht im Detail zu den Vorgängen, bestätigte aber auf Anfrage, «dass sie in diesem Zusammenhang ein neues Verfahren eröffnet hat». (Fall CA.2020.18)
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