Drohende Energiekrise Ab sofort ist Stromsparen angesagt

Von Anna Kappeler

20.7.2022

Ab sofort ist – noch freiwilliges – Sparen angesagt. Nichtstun ist laut Behörden keine Option. 
Ab sofort ist – noch freiwilliges – Sparen angesagt. Nichtstun ist laut Behörden keine Option. 
Bild: KEYSTONE

Im Winter droht der Schweiz der Strom auszugehen. Mit einem Vier-Stufen-Plan will der Bund dieses Szenario abfedern. Doch: Ums Stromsparen kommen wir alle kaum herum. Ein Überblick.

Von Anna Kappeler

20.7.2022

Es ist das Thema, das alle im kommenden Winter stärker beschäftigen könnte, als uns lieb ist: der drohende Energie-Engpass. Vor drei Wochen hat der Bundesrat die Öffentlichkeit vor einer sogenannten «Strommangellage» gewarnt, heute haben die Experten des Bundes nachgezogen. «Wir erleben zurzeit die erste weltweite Energiekrise, mit Europa im Epizentrum», sagte Benoit Revaz, Direktor des Bundesamts für Energie (BFE), vor den Medien in Bern (hier der Ticker zum Nachlesen).

Noch ist die Versorgung mit Strom und Gas gesichert, wie die Experten betonten. Doch wie schlimm wird es in der kalten Jahreszeit? Und was tun im Falle eines Engpasses? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie realistisch ist eine Strommangellage?

Das kann derzeit niemand genau sagen. Durch den Krieg in der Ukraine ist Europa laut BFE besonders von der Energiekrise betroffen – und damit auch die Schweiz. Ob und in welchem Umfang Russland weiterhin Gas nach Europa liefert, ist derzeit unklar. Ebenfalls fraglich ist, ob die Schweizer Speicherseen im Herbst und Winter noch genügend gefüllt sind.

Konkret: Was unternimmt der Bund, falls es zu einem Gasmangel kommt?

Wichtig vorab: Auch dann hat es noch Gas, einfach zu wenig. Der Bund hat für diesen Fall einen Vier-Stufen-Plan erarbeitet. Schritt 1: Der Bund würde die Konsument*innen dazu aufrufen, Gas zu sparen. Parallel und als Schritt 2 schriebe der Bund den Firmen mit Zweistoffanlagen die Umstellung von Gas auf Heizöl vor.

Und falls das nicht reicht?

Der Bundesrat würde den Gasverbrauch für gewisse Anwendungen einschränken oder verbieten. Das wäre Schritt 3. Das würde bedeuten, dass die Heiztemperatur in öffentlichen Gebäuden oder in Büros verbindlich beschränkt werden müsste.

Wir müssten also frieren?

Kühlere Temperaturen in Innenräumen im Winter sind nicht auszuschliessen.

Auch in meiner Wohnung?

Vorerst nicht, nein. Von Kontingentierungen wären zunächst nur diejenigen Anlagen betroffen, die nicht zu den sogenannten geschützten Verbrauchern zählen. Das wäre Schritt 4. Davon ausgenommen sind also Privathaushalte sowie Spitäler, Energie- und Wasserversorgung sowie Blaulichtorganisationen.

Die vier Massnahmen-Stufen des Bundes, sollte das Gas knapp werden.
Die vier Massnahmen-Stufen des Bundes, sollte das Gas knapp werden.
Screenshot: Bund

Und was, wenn der Strom auszugehen droht?

Auch dafür gibt es einen Vier-Stufen-Plan. Dieser beginnt mit Sparappellen und steigert sich dann zu Verbrauchseinschränkungen. Schaufensterbeleuchtungen oder Heizgeräte könnten also nur noch eingeschränkt betrieben werden.

Reicht das nicht, käme es zu einer Rationierung oder Kontingentierung des Stromverbrauchs von rund 30'000 Grossverbrauchern.

Die vier Massnahmen-Stufen des Bundes, sollte der Strom knapp werden.
Die vier Massnahmen-Stufen des Bundes, sollte der Strom knapp werden.
Screenshot: Bund

Klingt nicht angenehm.

Ist es auch nicht. Dass die Massnahmen hart wären, sagte auch Michael Frank, Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE). Sie könnten aber nötig sein, um nicht noch einschneidendere Massnahmen ergreifen zu müssen.

Die da wären?

Als Ultima Ratio käme es zu einer Netzabschaltung in gewissen Gebieten über einen Zeitraum von jeweils vier bis acht Stunden. Die Wahrscheinlichkeit, mit der ein solches Szenario eintritt, lässt sich laut Frank derzeit nicht abschätzen.

Wie steht es um unsere Stauseen?

Momentan sind diese noch gut gefüllt, wie die Experten ausführen. In Graubünden beträgt der Füllstand 62 Prozent, im Wallis 58 Prozent, im Tessin 41 Prozent und in der restlichen Schweiz 73 Prozent.

Stromproduzenten warnen aber: Fällt nicht bald Regen, hat die Schweiz im Winter ein Problem. Die Gefahr: Dass das Wasser aus den Stauseen bereits im Dezember und Januar aufgebraucht sei und die Menschen dann im Februar «im Dunkeln sitzen». Diese Sorge äusserte Grünen-Nationalrat Bastien Girod im «Blick».

Wie lässt sich dieses Szenario verhindern?

Laut Girod müsse der Bund einen Minimalpegel an Wasser definieren, den die Stauseen nicht unterschreiten dürfen. Reiche auch das nicht aus, könnte der Wasserexport eingeschränkt werden. Italien hat die Schweiz bereits um Hilfe in Form von Wasser gebeten, da in der Po-Ebene die schlimmste Dürre seit 70 Jahren herrscht.

Und unsere AKW?

Die AKW laufen laut Bund mit Volllast – bis auf das wegen der Hitze teilweise gedrosselte Beznau. Das mit Flusswasser gekühlte AKW komplett abzuschalten, wäre laut Urs Meister, Geschäftsführer der Eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom, nötig, wenn die Aare-Temperatur drei Tage lang über 25 Grad betrage. Ob dieses Szenario eintrifft, bleibt abzuwarten.

Heute Mittwoch hat die Aare in Bern einen Allzeit-Rekord geknackt: Ihr Wasser hat eine Temperatur von 23,84 Grad erreicht. 

Eine Vollabschaltung von Beznau müssten die Elcom, die Atomaufsicht Ensi und der Netzbetreiber Swissgrid bewilligen.

Der Geschäftsführer der ElCom sprach auch über mögliche Notmassnahmen. So plane man derzeit, eine Wasserkraftreserve einzurichten.

Was heisst das alles für mich?

Ab sofort ist – noch freiwilliges – Sparen angesagt. Der Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), Michael Frank, appellierte direkt an die Bevölkerung: «Nichtstun ist keine Option. Wir müssen uns alle vorbereiten.» Jeder und jede müsste bereits heute einen Beitrag leisten, indem wir weniger Strom und Gas verbrauchten. «Jede Kilowattstunde zählt.»

So kannst du ohne grossen Aufwand Wasser sparen

  • Beim Händewaschen und Zähneputzen den Wasserhahn nicht dauernd lassen, sondern zudrehen.
  • Das empfiehlt sich auch während des Einseifens unter der Dusche.
  • Duschen statt baden.
  • Wasserspareinsätze an Wasserhähnen und in der Dusche anbringen.
  • Toilette nur so lange spülen wie nötig und Stopptaste nutzen.
  • Tropfende Wasserhähne sofort reparieren, Geschirrspüler und Waschmaschine voll beladen (aber nicht überladen), Sparprogramme nutzen, auf Vorwäsche verzichten.
  • Obst und Gemüse in einer Schüssel statt unter fliessendem Wasser waschen. Das Wasser kannst du dann zum Blumen giessen verwenden.
  • Im Garten Regenwasser auffangen und Pflanzen nur im Wurzelbereich giessen.
  • Tropfschläuche statt Rasensprenger benutzen.