Referendum gegen Vaterschaftsurlaub Bezahlte Unterschriftensammler täuschten Bürger

uri

6.2.2020

Ein Passant gibt eine Unterschrift für ein Referendum ab. (Symbolbild)
Ein Passant gibt eine Unterschrift für ein Referendum ab. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Das Referendum gegen den Vaterschaftsurlaub ist zustande gekommen. 54'489 gültige Unterschriften wurden gesammelt, das sind 4'489 mehr als nötig. Fragen wirft aber auf, wie einige der Unterschriften zustande kamen.

Gestern bestätigte die Bundeskanzlei, dass das Referendum gegen den Vaterschaftsurlaub nach Überprüfung der eingegangenen Unterschriften mit 54'489 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist. Wahrscheinlich wird das Stimmvolk am 27. September 2020 über die Initiative abstimmen können.

Eine Recherche des Westschweizer Fernsehens RTS zeigt jedoch, dass wenigstens ein Teil der Unterschriften unter fragwürdigen Bedingungen geleistet wurden. Reporter der Sendung «Mise au point» mischten sich dafür mit versteckter Kamera unter Passanten in Lausanne. Sie dokumentierten, wie dreist die Unterschriftensammler täuschten

Die Tricks der Unterschriftensammler

Eine junge Frau etwa erklärte einem Reporter, sie sammle Unterschriften für den Vaterschaftsurlaub. Nachdem der Journalist sie darauf hinwies, dass auf ihrem Formular aber «Nein gegen den teuren Vaterschaftsurlaub» stehe, erklärte sie schlicht, man habe sie so instruiert.



Eine Kollegin der Frau sagte den Reportern, dass sie in nur einer Stunde 67 Unterschriften bekommen habe, indem sie den Passanten vormachte, dass es bei der Unterschriftensammlung um die Ausweitung des Vaterschaftsurlaubs gehe.

Ein weiterer Unterschriftensammler, der den Journalisten unterkam, hatte seinen seinen Bogen gleich so geschickt gefaltet gehabt, dass man die relevanten Informationen zum Referendum gar nicht sehen konnte.

Verein Incop fiel bereits negativ auf

Wie RTS berichtet, handelte es sich bei den Unterschriftensammlern in Lausanne indes keineswegs um «Überzeugungstäter» hinter dem Referendum, etwa SVP-Vertreter oder Jungfreisinnige, sondern um bezahlte Auftragnehmer des in Lausanne ansässigen Vereins Incop.

Der Geschäftsführer von Incop, Franck Tessemo, erklärte im RTS-Beitrag, er habe mit unlauteren Sammelmethoden nichts zu tun. Ganz im Gegenteil weise man die Unterschriftensammler bei Incop darauf hin, dass sie neutral informieren sollten. «Unser Ziel ist es, die direkte Demokratie in der Schweiz zu stärken», sagte Tessemo.

Offenbar hinkt der hehre Anspruch Tessemos der Realität aber deutlich hinterher: Incop war bereits bei der Unterschriftensammlung zum Referendum gegen die Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm mit den ähnlichen Tricksereien negativ aufgefallen, wie CH-Media im Juli 2019 berichtete.

Die Aussagen eines Ex-Mitarbeiters des Vereins gegenüber RTS erwecken zudem den Eindruck, dass die Schummeleien Methode haben könnten. Er erklärte, dass für Incop vor allem viele Ausländer arbeiten, die nur wenig Kenntnisse vom politischen System der Schweiz hätten. Sie würden lediglich angeleitet, wie sie ihre Vorlage am besten an den Mann bringen könnten. Auch werden die Unterschriftensammler demnach nicht pauschal bezahlt, sondern bekommen einen Franken pro Unterschrift, was ein zusätzlicher Anreiz sein könnte, um trickreich viele Unterschriften zu bekommen.

Täuschung stehen nicht unter Strafe

Das von RTS aufgedeckte Vorgehen der Incop-Auftragnehmer ist rechtlich indes nicht zu sanktionieren. Das Sammeln von Unterschriften gegen Bezahlung ist in der Schweiz legal und selbst die Täuschung im Rahmen der Tätigkeit steht hierzulande nicht unter Strafe, solange kein Zwang ausgeübt wird oder den Unterschreibenden direkte Vorteile versprochen werden.

Die Neuenburger SP will das laut der «NZZ» ändern und nun vom Bundesgericht prüfen lassen, ob Unterschriftensammlungen gegen Bezahlung überhaupt mit dem Recht auf freie Meinungsbildung zu vereinbaren sind.

Auch die Politik werde sich bald wieder wieder mit dem Thema befassen müssen, schreibt die Zeitung, denn SP-Nationalrat Baptiste Hurni habe im Dezember eine Motion eingereicht, in der er eine Änderung des Strafgesetzes verlange, die das «betrügerische Einholen von Unterschriften durch Irreführung» ahnden soll. Viel Hoffnung solle sich Hurni dabei aber nicht machen. Die Landesregierung habe in der Vergangenheit nämlich schon mehrfach deutlich gemacht, dass man an der «möglichst freien Ausübung der Volksrechte» nichts ändern wolle.

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