Künftige Sicherheitspolitik Bundesrat rückt Kooperation mit Ausland in Vordergrund

su, sda

7.9.2022 - 17:05

Die Schweiz soll bei der Neutralität bleiben, aber dabei ihre Sicherheitspolitik konsequenter auf internationale Zusammenarbeit ausrichten. Das hält Verteidigungsministerin Amherd fest.
Die Schweiz soll bei der Neutralität bleiben, aber dabei ihre Sicherheitspolitik konsequenter auf internationale Zusammenarbeit ausrichten. Das hält Verteidigungsministerin Amherd fest.
Bild: Keystone

Die Schweiz soll neutral bleiben, dabei ihre Sicherheitspolitik aber konsequenter auf die internationale Zusammenarbeit ausrichten. Zudem will der Bundesrat die Armee weiter modernisieren. 

Keystone-SDA, su, sda

Die Schweiz soll bei der Neutralität bleiben, aber dabei ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik konsequenter auf internationale Zusammenarbeit ausrichten. Das hält der Bundesrat fest. Und er will die Modernisierung der Armee vorantreiben.

Das sind Schlüsse des Zusatzberichts zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021. Am Mittwoch hiess der Bundesrat diese Ergänzung gut. Die Landesregierung habe nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine möglichst rasch eine Analyse des Kriegs und dessen Folgen vornehmen wollen, schrieb das Verteidigungsdepartement (VBS).

Ein Geben und Nehmen

Der Krieg habe eine neue Dynamik in der sicherheits- und verteidigungspolitischen Kooperation ausgelöst, hiess es in der Mitteilung des VBS. Denkbar seien beispielsweise eine verstärkte Teilnahme an Übungen, eine Intensivierung des Partnerschaftsstatus bei der Nato oder eine Beteiligung der Armee an EU-Verbänden.

Dabei wird gemäss Bericht «zu prüfen sein, wie weit die Schweiz in der Zusammenarbeit mit Partnern gehen kann». Partnerschaften könne nur eingehen, wer auch substanzielle Leistungen erbringen könne. Die Schweiz müsse daher über die gesamte Breite an Verteidigungsfähigkeiten verfügen. «Es ist letztlich ein Geben und Nehmen – auch in der Verteidigung.»

Die Armee arbeitet seit Jahrzehnten mit ausländischen Streitkräften und internationalen Organisationen zusammen, darunter mit der Nato und mit der EU. Der Bericht erörtert Möglichkeiten, diese Kooperation auszubauen – unter Einhaltung der Neutralität.

Es nennt dabei eine verstärkte Schweizer Teilnahme an Übungen, eine Ausweitung der militärischen Zusammenarbeitsfähigkeit auf für die Verteidigung relevante Bereiche und eine Intensivierung des Partnerschaftsstatus bei der Nato.

Nato-Beitritt keine Option

Auch eine Schweizer Beteiligung der Armee an EU-Verbänden wie beispielsweise der EU Rapid Deployment Capacity für Rettungs-, Evakuierungs- und Stabilisierungsoperationen sprach das VBS an.

Ein Beitritt zur Nato ist für den Bundesrat keine Option. Dass die Schweiz den sicherheitspolitischen Alleingang wählt und danach strebt, sich autonom zu verteidigen, ist für den Bundesrat aber ebenso nicht die Lösung.

In absehbarer Zukunft unwahrscheinlich ist gemäss dem Bericht, dass Russland die Schweiz direkt und mit Waffen angreift. Konkretisiert hat sich aber die Bedrohung durch hybride Kriegsführung, etwa durch Desinformation, Ausüben von Druck, Erpressung, Cyberangriffe, verdeckte Operationen.

Beschaffungen beabsichtigt

Ein Augenmerk liegt auch auf den militärischen Fähigkeiten der Armee. Dass das Parlament der Armee mehr Mittel zugestehen will, ermöglicht es, wichtige Fähigkeiten rascher aufzubauen und Lücken zu schliessen.

Kritische Lücken bestehen laut VBS bei der Panzerabwehr und bei der Durchhaltefähigkeit, vor allem wegen zu kleiner Munitionsvorräte. Namentlich will das VBS eine weitreichende Boden-Boden-Lenkwaffe kaufen und mit dem Rüstungsprogramm 2023 mehrere hundert Millionen Franken für eine Erhöhung der Munitions- und Lenkwaffenbestände beantragen.

Der Krieg in der Ukraine verstärkt zudem die Notwendigkeit, die Fähigkeiten zur sicherheitspolitischen Früherkennung und Antizipation im Verbund verschiedener Bundesstellen weiterzuentwickeln.

Schutzräume wieder auf dem Tapet

Der Bevölkerungsschutz wiederum soll verstärkt auf einen bewaffneten Konflikt ausgerichtet werden. Der Krieg in der Ukraine habe verdeutlicht, dass es Schutzbauten brauche, heisst es im Bericht. Die Mehrheit der sanitätsdienstlichen Schutzanlagen sei veraltet und nicht mehr nutzbar. Der künftige Bedarf müsse rasch geklärt werden.

Zum Thema Bezug der Schutzräume wird gemäss dem Bericht Informationsmaterial erarbeitet und verteilt. Nachdem Informationen zu den Schutzräumen in den vergangenen Jahren nicht prioritär waren, sei das Informationsbedürfnis mit dem Krieg in der Ukraine gestiegen.

In Sachen Krisenmanagement hat der Bundesrat – als Lehre aus der Pandemie – bereits Aufträge erteilt. Bundeskanzlei und VBS werden zusammen mit den anderen Departementen bis Ende März 2023 Varianten für die Organisation des Krisenmanagements der Bundesverwaltung auf strategischer und operativer Ebene präsentieren.

Grundlage für den Bericht des VBS war eine Analyse des Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich zur sicherheits- und verteidigungspolitischen Kooperation in Europa. Als Zweitmeinung diente dem VBS eine Analyse des früheren Botschafters Jean-Jacques de Dardel zur sicherheitspolitischen Kooperation in Europa.

Bundesrätin Viola Amherd spricht am Mittwoch an der Medienkonferenz über die zukünftige Sicherheitspolitik. (Archivbild)
Bundesrätin Viola Amherd spricht am Mittwoch an der Medienkonferenz über die zukünftige Sicherheitspolitik. (Archivbild)
KEYSTONE/Anthony Anex

SDA/red.