Erste Sitzung nach den Ferien Das hat der Bundesrat heute alles beschlossen

SDA/uri

11.8.2021

Bundespräsident Guy Parmelin, Bundeskanzler Walter Thurnherr und Vizekanzler Viktor Rossi (von rechts nach links) auf einer Sitzung des Bundesrats. (Archiv)
Bundespräsident Guy Parmelin, Bundeskanzler Walter Thurnherr und Vizekanzler Viktor Rossi (von rechts nach links) auf einer Sitzung des Bundesrats. (Archiv)
Bild: Keystone

Digitalisierung, Kohäsionsmilliarde, Grenzgängerabkommen: Diese Themen haben den Bundesrat in der ersten Sitzung nach der Sommerpause bislang beschäftigt. Eine Übersicht.

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11.8.2021

Corona

Die Corona-Politik des Bundes geht in eine neue Phase: Fortan will der Bundesrat die Schraube bei den Massnahmen erst wieder anziehen, wenn eine Überlastung der Spitäler droht. Zudem sollen Tests von Personen ohne Symptome ab Oktober nicht mehr bezahlt werden. Damit sollen die Impfunwilligen animiert werden, sich doch noch impfen zu lassen. In seiner ersten Sitzung nach den Sommerferien hat der Bundesrat am Mittwoch zudem beschlossen, die noch geltenden Corona-Massnahmen beizubehalten. Neu beurteilen will er die Situation Anfang September.

Klima

Der Bundesrat bleibt dabei: Bis 2050 sollen die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen der Schweiz auf Netto-Null sinken. Der Bundesrat will dieses Ziel in die Bundesverfassung schreiben - als direkten Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative. Er hat am Mittwoch eine entsprechende Botschaft an das Parlament verabschiedet. Ein faktisches Verbot fossiler Brennstoffe, wie dies die Initiative verlangt, geht dem Bundesrat zu weit

Elektronische Patientendossiers

Die Einführung des elektronischen Patientendossiers verläuft weiterhin schleppend. In einem am Mittwoch verabschiedeten Postulatsbericht schlägt der Bundesrat eine Reihe von Massnahmen vor. So soll beispielsweise geprüft werden, ob das aufwendige Zertifizierungsverfahren der Stammgemeinschaften durch eine staatliche Anerkennung ersetzt werden soll. Daneben will der Bundesrat das dem Dossier zugrunde liegende Gesetz unter die Lupe nehmen. Die Regierung wird nach eigenen Angaben bis Ende Februar 2022 über das weitere Vorgehen entscheiden.

Bundesfinanzen

Die Bewältigung der Corona-Pandemie führt in der Bundeskasse auch 2021 zu einem immensen Loch. Die vom Bundesrat zur Kenntnis genommene Hochrechnung geht von einem rekordhohen Gesamtdefizit von 17,4 Milliarden Franken aus. Dabei schlagen allein 16,4 Milliarden Franken als coronabedingte Aufwendungen zu Buche. Bewilligt hatte das Parlament 21 Milliarden Franken. Im ordentlichen Haushalt rechnet der Bund mit einem Loch von 2,4 Milliarden Franken.

Luftfahrt

Der Bundesrat hat am Mittwoch die Anpassung der Objektblätter für den Flughafen Zürich, das Flugfeld Reichenbach BE und den Heliport Holziken AG genehmigt. In den Objektblättern setzt der Bund generelle Vorgaben für die Infrastruktur und den Betrieb der Flugplätze fest. Die Anpassungen am Flughafen Zürich betreffen den Sicherheitszonenplan des Flughafens (Gebiet mit Hindernisbegrenzung) und die Kompensation von Fruchtfolgeflächen, die vom Flughafen für Bauten beansprucht werden.

Hochwasserschutz

Die Schweiz und Österreich wollen die Kapazität des Rheins an der 26 Kilometer langen gemeinsamen Strecke ausbauen, um Hochwasserschäden zu minimieren. Dazu ist ein neuer Staatsvertrag erforderlich. Nun hat der Bundesrat das Mandat der Schweizer Delegation für die Aushandlung des Vertrags verabschiedet. Der Staatsvertrag und die Finanzierung müssen nach den Verhandlungen von den Regierungen und den Parlamenten beider Länder genehmigt werden. Die Bauarbeiten auf der gemeinsamen Rheinstrecke dürften danach insgesamt rund zwanzig Jahre in Anspruch nehmen.

Sicherheit im Schengen-Raum

Der Bundesrat will die Sicherheit innerhalb des Schengen-Raums stärken. Er hat drei entsprechende Vorlagen in die Vernehmlassung geschickt. Erstens soll mit einem neuen Fonds die finanzielle Hilfe sichergestellt werden für Länder, die hohe Kosten für den Schutz der Schengen-Aussengrenzen tragen. Zweitens soll das Visumverfahren für einen kurzfristigen Aufenthalt erleichtert werden. Drittens soll das europäische Reiseinformations- und -genehmigungssystem (Etias) mit den anderen EU-Systemen interoperabel werden. Dazu müssen die Zugriffsrechte angepasst werden.

Waldkredit

Der Bundesrat stockt den Waldkredit für das laufende Jahr um 25 Millionen Franken auf. Er den entsprechenden Antrag ans Parlament beschlossen. Erfüllt wird damit eine Motion von Ständerat Daniel Fässler (Mitte/AI), die die Räte im Sommer überwiesen haben. Fässler ist Präsident von Wald Schweiz. Der Zusatzkredit zum Verpflichtungskredit Wald 2020-2024 beläuft sich damit auf 100 Millionen Franken. Das zusätzliche Geld wird namentlich zur Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald eingesetzt.

Grenzgängerabkommen mit Italien

Die Schweiz behält 80 Prozent der regulären Quellensteuern auf den Einkommen von neuen Grenzgängerinnen und Grenzgängern aus Italien. Diese werden zwar auch von ihrem Heimatland ordentlich besteuert, eine Doppelbesteuerung wird aber beseitigt. In diesem Sinne hat der Bundesrat am Mittwoch die Botschaft zum neuen Grenzgängerabkommen zwischen der Schweiz und Italien verabschiedet. Das neue Abkommen war im Dezember 2020 unterzeichnet worden. Nach jahrelangen Verhandlungen war es gelungen, eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden.

Digitalisierung

Der Bund soll für die Jahre 2024 bis 2027 neue Digitalisierungsprojekte in der Verwaltung von Bund, Kantonen und Gemeinden mitfinanzieren können. Das sieht der Bundesrat in einer Übergangsbestimmung vor zum Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben. Die entsprechende Vorlage ist am Mittwoch in die Vernehmlassung geschickt worden. Konkret geht es um eine befristete Anschubfinanzierung an Projekte der Agenda «Nationale Infrastrukturen und Basisdienste Digitale Verwaltung Schweiz» (Agenda DVS).

Öffentlicher Verkehr

Wie im vergangenen Jahr soll der öffentliche Verkehr auch 2021 finanziell unterstützt werden. Der Bundesrat schlägt vor, dass der Bund die Defizite in Folge der Corona-Pandemie übernimmt. Er reagiert damit auf drei vom Parlament überwiesene Vorstösse. Geld erhalten sollen laut Bundesrat der regionale Personenverkehr und der Schienengüterverkehr. Das Geld für den Personenverkehr ist bereits budgetiert. Für den Schienengüterverkehr beantragt der Bundesrat zusätzliche 25 Millionen Franken. Anders als das Parlament will die Regierung jedoch den Ortsverkehr und den touristischen Verkehr nicht finanziell unterstützen. Dies sei Aufgabe der Kantone und Gemeinden, argumentiert der Bundesrat.

Mehrwertsteuer

Der Bundesrat ist gegen eine weitergehende Befreiung von gemeinnützigen Sport- und Kulturvereinen von der Mehrwertsteuer. Er befürchtet Wettbewerbsverzerrungen, namentlich in den Bereichen Gastgewerbe und Werbung. Dies schreibt er in seiner am Mittwoch verabschiedeten Stellungnahme zuhanden der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N). Diese beantragte im April, die Umsatz-Freigrenze von heute 150'000 auf 200'000 Franken anzuheben, weil die Mehrwertsteuer zu viele Ressourcen der Vereine binde. Diese hätten die Möglichkeit, die Mehrwertsteuer pauschal abzurechnen und verschiedene Leistungen seien schon heute von der Steuer ausgenommen, begründet der Bundesrat seine ablehnende Haltung weiter.

Klimakonferenz

Die Schweiz wird sich an der Konferenz zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens im November für einheitliche Regeln für alle Vertragsstaaten einsetzen. Der Bundesrat hat am Mittwoch das Mandat der Schweizer Delegation verabschiedet. Sowohl Bundespräsident Guy Parmelin als auch Umweltministerin Simonetta Sommaruga werden die Schweiz in Glasgow (Schottland) vertreten. Das Übereinkommen von Paris hat zum Ziel, die durchschnittliche globale Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Angestrebt wird ein maximaler Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius.

Biodiversität

Die Schweiz will sich an der 15. Vertragsparteienkonferenz der Biodiversitätskonvention im Oktober für «ambitionierte, messbare und prägnante Ziele» einsetzen. Eines der Ziele sieht vor, bis 2030 weltweit insgesamt 30 Prozent der Flächen für Biodiversität zu sichern ("30 by 30"). Der Bundesrat hat das entsprechende Mandat der Schweizer Delegation verabschiedet. Die Konferenz, die am 11. Oktober im chinesischen Kunming eröffnet wird, will einen neuen globalen Zielrahmen für die biologische Vielfalt verabschieden. Für die Schweiz nimmt Umweltministerin Simonetta Sommaruga virtuell an der Konferenz teil.

Corona-Zwangstests für abgewiesene Asylsuchende

Abgewiesene Asylsuchende sollen künftig zu einem Covid-Test gezwungen werden können, wenn dieser für die Ausschaffung verlangt wird. Trotz Kritik von Hilfswerken und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe hält der Bundesrat an diesem Vorgehen fest. Er hat am Mittwoch die Botschaft für eine entsprechende Gesetzesänderung verabschiedet. Die Zwangsmassnahme soll im Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) festgeschrieben werden. Entscheiden wird schliesslich das Parlament. Als Reaktion auf die Kritik, die auch die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter äusserte, hat der Bundesrat nun jedoch zwei Anpassungen vorgenommen: Jugendliche unter 15 Jahren sollen nicht zu einem Test gezwungen werden können, und die Tests sollen von spezifisch geschultem medizinischen Personal durchgeführt werden.

Kohäsionsmilliarde

Der Bundesrat hält an seinem bereits kommunizierten Plan fest, den ausstehenden zweiten Kohäsionsbeitrag an die EU «so rasch wie möglich» freizugeben. Er hat eine entsprechende Botschaft ans Parlament überwiesen. Grundsätzlich hatten die Räte das Geld bereits gesprochen, die Auszahlung jedoch an Bedingungen geknüpft. Diese Bedingungen sollen nun nach dem Willen des Bundesrats gestrichen werden. Ob die Vorlage in der Herbstsession bereits von beiden Kammern behandelt wird, ist fraglich.

Sozialversichungsabkommen mit Grossbritannien

Der Bundesrat hat am Mittwoch ein neues Sozialversicherungsabkommen mit Grossbritannien genehmigt. Mit dem Abkommen wird verhindert, dass Personen, die mit Sozialsystemen beider Staaten zu tun haben, über- oder unterversichert werden. Diese Übereinkunft war bisher im Freizügigkeitsabkommen der Schweiz mit der EU geregelt. Nach dem Austritt Grossbritanniens aus der EU musste nun eine neue Lösung gefunden werden. Das Abkommen solle nach einer Konsultation der zuständigen Parlamentskommissionen vorläufig angewendet werden, schreibt der Bundesrat. Es tritt endgültig in Kraft, wenn beide Parlamente das Abkommen genehmigen.

Bahninfrastruktur

Die geplante neue Tram- respektive Bahnlinie von Lugano nach Ponte Tresa und Manno bedingt eine Anpassung der bestehenden Infrastrukturkonzession der Ferrovie Luganesi SA (FLP). Der Bundesrat hat diese genehmigt. Die neue Strecke wird das Stadtzentrum von Lugano mit Bioggo verbinden. Von dort wird ein Ast nach Manno, der andere nach Ponte Tresa weitergeführt. Der Bund beteiligt sich am insgesamt auf rund 500 Millionen Franken veranschlagten Projekt mit rund 270 Millionen Franken. Es soll das öV-Angebot in den verschiedenen Teilen der Agglomeration Lugano verbessern, insbesondere im Malcantone und der Vedeggio-Ebene, wie der Bundesrat mitteilte.

Hochschule für Sport Magglingen

Wie alle anderen Hochschulen will der Bundesrat auch die Eidgenössische Hochschule für Sport Magglingen (EHSM) im Herbst 2022 beim schweizerischen Akkreditierungsrat akkreditieren lassen und ein entsprechendes Qualitätssicherungssystem einführen. Er hat die nötigen Anpassungen der Sportförderungsverordnung gutgeheissen. Die Akkreditierung verschaffe der Institution eine höhere internationale Sichtbarkeit. Namentlich würden durch den Schritt überdies ein Beirat und eine Mitwirkungsorganisation für Mitarbeitende rechtlich verankert. Eine Angleichung erfolgt auch bei der Zulassung zum Bachelorstudium, wie der Bundesrat schreibt. Zudem werde die Aus- und Weiterbildung von Trainerinnen und Trainern neu separat auf Verordnungsstufe geregelt.