Baumängel, Kinderschutz, TerrorDas hat der Bundesrat heute alles entschieden
SDA, gbi
19.10.2022 - 13:34
Der Bundesrat bei einer seiner Sitzungen. (Archiv)
Bild: Keystone
Schutz der Kinder vor Gewalt in der Erziehung, nationale Wahlen und Foltergüter: Der Bundesrat hat am Mittwoch Entscheide zu unterschiedlichen Themen gefällt. Eine Übersicht.
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19.10.2022, 13:34
19.10.2022, 16:32
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Reserve-Gaskraftwerke
Reserve-Gaskraftwerke sollen neben den verschiedenen bereits ergriffenen Massnahmen helfen, die Stromversorgung in den nächsten Wintern sicherzustellen. Der Bundesrat hat am Mittwoch die entsprechende Winterreserveverordnung in die Vernehmlassung geschickt. Die Vernehmlassung dauert bis am 18. November 2022, die neuen Regeln sollen spätestens Mitte Februar 2023 in Kraft treten.
Für den kommenden Winter 2022/2023 stehen vorerst rund 250 MW des Reservekraftwerks in Birr AG zur Verfügung. Die Kosten der Winterreserve tragen die Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher. Für die Zeitperiode 2024 bis 2026 dürften die Strompreise um durchschnittlich rund 1,4 Rappen pro Kilowattstunde steigen.
Sommaruga. «Alle können mithelfen, damit wir gut durch den Winter kommen.»
Reserve-Gaskraftwerke sollen neben den verschiedenen bereits ergriffenen Massnahmen helfen, die Stromversorgung in den nächsten Wintern sicherzustellen. Der Bundesrat hat am Mittwoch die entsprechende Winterreserveverordnung in die Vernehmlassung geschickt.
19.10.2022
Geld für die SBB
Die SBB erhalten zusätzliche Beiträge von insgesamt rund drei Milliarden Franken. Damit soll es dem Bahnunternehmen möglich sein, die Nettoverschuldung bis ins Jahr 2030 auf die vom Bundesrat vorgegebene Zielgrösse zu senken. Die Landesregierung hat Massnahmen aus dem vergangenen Jahr angepasst, um die finanzielle Situation der SBB zu stabilisieren.Die aktuelle Nettoverschuldung liegt bei über elf Milliarden Franken.
Bereits ergriffene Sparmassnahmen seien erkennbar, schreibt der Bundesrat. Er verzichtet wie im Dezember 2021 angekündigt darauf, dass die SBB ihr Ergebnis um jährlich achtzig Millionen Franken verbessern müssen.
Corona-Impfstoff
Neun Millionen Covid-19-Impfdosen müssen entsorgt werden. Bis im Februar nächsten Jahres werden 5,1 Millionen weitere Impfdosen verfallen. Der Bundesrat erwartet, dass die Entsorgung pro Million Dosen zwischen 1500 bis 3000 Franken kosten wird. 3,2 Millionen Impfdosen seien an Drittstaaten weitergegeben worden, teilte die Landesregierung mit.
Bei der Bestellung sei es das Ziel gewesen, mögliche Produktionsengpässe oder Qualitätsmängel zu umgehen. Damit nahm der Bund gemäss Mitteilung in Kauf, dass zu viel Impfstoff beschaffen wird. Mehr zum Thema liest du hier.
Wer ein Haus kauft oder neu baut, soll sich besser gegen Baumängel zur Wehr setzen können. Das schlägt der Bundesrat vor. Er hat am Mittwoch die Botschaft für eine Gesetzesänderung zuhanden des Parlaments verabschiedet mit dem Ziel, Bauherren und Käufer besser zu schützen. Eine Anpassung ist die Verlängerung der Rügefrist. Für Werk- und Grundstückkaufverträge sieht der Bundesrat neu eine Frist von sechzig Tagen statt der heutigen sofortigen Rüge vor. Die Parteien sollen aber weiterhin eine andere Frist vereinbaren können. Der Bundesrat bezeichnet dies trotz divergierender Wünsche in der Vernehmlassung «als mehrheitsfähigen Kompromissvorschlag».
Iran-Sanktionen
Die Schweiz prüft die Übernahme neuer EU-Sanktionen gegen den Iran. Im Moment laufe die Konsultation in der Bundesverwaltung zu möglichen Schritten, sagte Bundesratssprecher André Simonazzi auf eine entsprechende Journalistenfrage vor den Medien in Bern. Ein Entscheid sei demnächst zu erwarten. Federführend sei das Wirtschaftsdepartement von Bundesrat Guy Parmelin.
Strafrecht
Ab dem 23. Januar 2023 gelten die neuen Bewirtschaftungsregeln für das Strafregister. Sie legen im Detail fest, wie die gespeicherten Daten über Strafurteile und hängige Strafverfahren im Strafregister-Informationssystem (Vostra) bearbeitet werden. Der Bundesrat hat am Mittwoch die entsprechende Verordnung verabschiedet. Das Parlament hatte die Totalrevision des Gesetzes im Juni 2016 beschlossen. Es entschied unter anderem, dass Einträge zu schweren Gewalt- und Sexualstraftaten erst beim Tod des Täters gelöscht werden sollen. Vostra ermöglicht es gemäss der Mitteilung des Bundesrats, Strafregisterdaten sicher, schneller und benutzerfreundlicher einzutragen und zu verwalten. Zudem leiste das System einen wichtigen Beitrag zur Digitalisierung in der Strafjustiz. Dank der technischen Neuerung kostet ein Strafregisterauszug neu nur noch 17 statt wie bisher 20 Franken.
Mobbing
Das Strafrecht schützt ausreichend vor physischem und virtuellem Mobbing. Zu diesem Schluss kommt der Bundesrat in einem Bericht. Bei Delikten im Internet sei die Strafverfolgung häufig schwierig oder unmöglich, schrieb der Bundesrat in einer Mitteilung. Denn die Täterschaft bleibe meistens anonym. Ein spezifischer Cybermobbing-Artikel im Strafrecht würde das Problem aus Sicht des Bundesrats aber nicht lösen. Im Bericht bezog er sich auf ein Postulat der Nationalratskommission für Rechtsfragen. Sie hatte den Bundesrat aufgefordert, zu prüfen, wie digitales Mobbing und Gewalt bestraft werden können. Die Rechtsprechung bei Hassreden wird der Bundesrat separat prüfen.
Fachkräfte
Im Interesse des Wirtschaftsstandorts Schweiz will der Bundesrat künftig Drittstaatenangehörige mit Hochschulabschluss aus Bereichen mit ausgewiesenem Fachkräftemangel in der Schweiz arbeiten lassen. In diesem Sinne hat die Landesregierung auf Geheiss des Parlaments eine Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) beschlossen, wie sie mitteilte. Jährlich würden davon schätzungsweise 200 bis 300 Personen profitieren. Die betroffenen Personen würden in hiesigen akademischen Institutionen ausgebildet und seien in der Regel bereits gut in die Schweizer Gesellschaft integriert, so der Bundesrat. Für Absolventen mit einem Masterabschluss oder mit einem Doktorat soll künftig bei der Zulassung zum Arbeitsmarkt eine Ausnahme vom Drittstaatenkontingent gelten. Damit wird eine Motion von Nationalrat und Unternehmer Marcel Dobler (FDP/SG) umgesetzt.
Mietrecht
Mieterinnen und Mietern soll künftig bei Eigenbedarf des Vermietenden nicht schneller gekündigt werden können. Dieser Meinung ist der Bundesrat. Er hat eine entsprechende Vorlage der Rechtskommission des Nationalrats (RK-N) zur Ablehnung empfohlen. Die geltende Regelung für die Kündigung bei Eigenbedarf sehe bereits vor, dass ein Mietverhältnis bei dringendem Eigenbedarf aufgelöst werden könne. Der Bundesrat lehnt auch neue Regeln für die Untermiete ab, die es erlauben würden, eine zustimmungslose Untervermietung oder eine Untermiete, welche mit einer treuwidrig erschlichenen Zustimmung erfolgt, schärfer zu sanktionieren. Der Bundesrat bezeichnet diesen Vorschlag als «nicht gerechtfertigt respektive unverhältnismässig». Nun ist der Nationalrat am Zug.
Erziehung
Kinder und Jugendliche sind gesetzlich genug vor Gewalt geschützt. Der Bundesrat erachtet einen neuen Gesetzesartikel als unnötig, wie er in einem am Mittwoch veröffentlichten Postulatsbericht schreibt. Eine zusätzliche Gesetzesbestimmung würde den rechtlichen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt im familiären Umfeld nicht erhöhen. Hier böten die verschiedenen Instrumente und Angebote der Prävention den besseren und bewährteren Ansatz.
Auf Antrag des Nationalrates legt die Landesregierung trotzdem die Formulierung einer programmatischen Norm vor, die im Zivilgesetzbuch verankert werden könnte. Es sei nun am Parlament, darüber zu entscheiden. Der Bundesrat empfiehlt den entsprechenden Vorstoss zur Ablehnung.
Bundespersonal
Mobiles Arbeiten im Ausland soll für das Bundespersonal aufgrund der grossen Unsicherheiten bezüglich Rechtmässigkeit, Sozialversicherungen und Steuern nur in begründeten Ausnahmefällen möglich sein. Diese und weitere Anpassungen hat der Bundesrat im Bundespersonalrecht vorgenommen und entsprechende Verordnungsänderungen genehmigt, wie er mitteilte. Die Änderungen betreffen auch die Rückzahlung von Abgangsentschädigungen oder die Erhöhung des Beschäftigungsgrades nach einer Elternschaft.
Eine Rückzahlungspflicht für Abgangsentschädigungen gilt neu auch für Auftragsverhältnisse, nicht nur für Angestelltenverhältnisse. Bei der Erhöhung des Beschäftigungsgrades nach einer Elternschaft gilt für die Arbeitgeberin neu eine Vorlaufzeit von mindestens drei Monaten, damit die zusätzlichen Stellenprozente zur Verfügung gestellt werden können. Die Änderungen treten auf den 1. Januar 2023 in Kraft.
Foltergüter
Die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr von Foltergütern soll in der Schweiz künftig verboten sein. Der Bundesrat hat das entsprechende Foltergütergesetz in die Vernehmlassung geschickt. Ebenfalls untersagt sein soll es, technische Hilfe von Foltergütern bereitzustellen, sie zu bewerben oder auf Messen zu präsentieren.
Unter Foltergütern verstehen sich Güter, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zum alleinigen Zweck der Folter benutzt werden, wie aus der Mitteilung hervorgeht. Im neuen Gesetz sollen Arzneimittel, die zur Hinrichtung von Menschen verwendet werden können, nicht mehr im Heilmittelgesetz verankert werden.
EU-Grenzschutz
Der Bundesrat stärkt die Sicherheit im Schengen-Raum weiter. Er hat abgeänderte Verordnungen zum Schengener Informationssystem (SIS) verabschiedet und auf den 22. November 2022 in Kraft gesetzt. Die Änderungen stärken die Bekämpfung des illegalen Aufenthalts im Schengen-Raum und die Zusammenarbeit der nationalen Sicherheits- und Migrationsbehörden in Europa. So werden etwa Zugriffsrechte der Migrationsbehörden und anderer Behörden auf Fahndungseinträge präzisiert.
Zusätzlich werden die Ausschreibungskategorien für Personen und Gegenstände erweitert, beispielsweise für schutzbedürftige Personen. Auch werden neu Rückkehrentscheide sowie alle vollstreckbaren strafrechtlichen Landesverweisungen im SIS erfasst. Das Parlament hatte die entsprechenden Gesetzesanpassungen im Dezember 2020 gutgeheissen.
Tessiner Raumplanung
Die Tessiner Gemeinden müssen ihre Bauzonen überprüfen und allenfalls verkleinern. Zwei Jahre haben die Gemeinden dafür Zeit. Der Bundesrat hat bei der Prüfung des kantonalen Richtplans festgestellt, dass die 2018 einkalkulierte Bevölkerungsentwicklung überholt ist und die Bauzonen demnach zu gross sind. Sollten der Kanton und die Gemeinden Ausnahmen bestimmen, müssen die Auszonungen andernorts kompensiert werden, wie der Bundesrat mitteilte. Das revidierte Raumplanungsgesetz verlange, dass die Bauzonen dem voraussichtlichen Bedarf für die nächsten 15 Jahre entsprechen. Nun würden für alle Kantone überarbeitete Richtpläne vorliegen, die den Anforderungen des revidierten Gesetzes entsprechen.
Integration
Der Bundesrat will die Integration von Ausländerinnen und Ausländern mittels Sprachkursen, Ausbildungsplätzen und Fachstellen weiterhin unterstützen. Er stellt für die Jahre 2024 bis 2027 einen Verpflichtungskredit von knapp 250 Millionen Franken zur Verfügung. Das hat die Landesregierung beschlossen.
Gut die Hälfte des Kredits soll für die Umsetzung der verschiedenen Integrationsprogramme an die Kantone fliessen. Der Rest der Beiträge ist beispielsweise für die Integrationsvorlehre vorgesehen, welche Migrantinnen und Migranten gezielt und praxisorientiert auf eine ordentliche Berufslehre vorbereitet. Der Kredit wird im Rahmen der Budgetdebatte 2024 vom Parlament behandelt.
Wahlen 2023
Der Bund hat eine Website mit Informationen zu den Parlamentswahlen 2023 lanciert. Die Plattform erklärt unter anderem, wie eine Kandidatur funktioniert und wie die Wahl abläuft. Im Verlaufe des Wahljahrs werde das Angebot auf ch.ch/wahlen2023 auch mit Erklärvideos ergänzt, schrieb der Bundesrat in einer Mitteilung. Zudem erliess der Bundesrat ein Kreisschreiben an die Kantone mit Instruktionen für die Nationalratswahlen. Bestimmungen zur Transparenz bei der Politikfinanzierung würden darin erstmals im Hinblick auf die Wahlen 2023 erwähnt.
Terrorismus
Terrororganisationen wie Al-Kaida und Islamischer Staat (IS) bleiben in der Schweiz weiterhin verboten. Die Maximalstrafe für Verstösse beträgt fünf Jahre. Der Bundesrat hat die entsprechende Verfügung beschlossen, die sich auf das Nachrichtendienstgesetz stützt. Demnach geht von den zwei erwähnten sowie verwandten Organisationen «nach wie vor eine grosse Bedrohung für die innere Sicherheit aus». Bisher beruhte das Verbot auf einem eigenen Gesetz, das jeweils befristet erlassen wurde. Im Nachrichtendienstgesetz übertrug das Parlament dem Bundesrat die Kompetenz, Verbote zu verfügen. Es ist nun das erste Mal, dass der Bundesrat vom entsprechenden Artikel im Gesetz Gebrauch macht.