Fallzahlen, Spitäler, Massnahmen Das kommt laut den Experten auf die Schweiz zu

Von Gil BIeler

4.1.2022

Samia Hurst, Vizepräsidentin der Covid-Taskforce, informiert in Bern flankiert von ihrem Taskforce-Kollegen Alain Di Gall (l.) und dem obersten Kantonsarzt Rudolf Hauri. 
Samia Hurst, Vizepräsidentin der Covid-Taskforce, informiert in Bern flankiert von ihrem Taskforce-Kollegen Alain Di Gall (l.) und dem obersten Kantonsarzt Rudolf Hauri. 
Bild: Keystone/Peter Klaunzer

Viel Schatten, aber auch ein wenig Licht: Die Fachleute von Bund, Taskforce und Kantonen haben einen eher düsteren Ausblick auf die kommenden Wochen gegeben. Die fünf wichtigsten Punkte. 

Von Gil BIeler

4.1.2022

Wie entwickeln sich die Fallzahlen?

Hier ist der Fall für die Fachleute klar: Die über 20'000 neuen Corona-Fälle, die am Dienstag vermeldet wurden, dürften kein statistischer Ausreisser bleiben. Es geht wohl noch weiter nach oben. Momentan steigen die Fallzahlen um rund 45 Prozent pro Woche. Eine weitere Zunahme «würde zu vielen Krankheitsfällen und damit auch Arbeitsausfällen in kritischen Bereichen wie dem Gesundheitssystem führen und Testkapazitäten überlasten», schreibt die wissenschaftliche Covid-19-Taskforce in ihrem neuesten Bericht.

Immerhin bestehe die Hoffnung, dass die Zunahme der Patientenzahlen auf den Intensivstationen weniger stark ausfallen werde als noch bei der Delta-Variante, sagte Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) vor den Medien. Grund: Omikron führe allem Anschein nach zu weniger schweren Krankheitsverläufen.

Was kommt auf die Spitäler zu?

Dem Gesundheitswesen stehen harte Wochen bevor. «Die Hinweise, dass es zu einer erneut starken Belastung kommt, die können wir auch aufgrund der Erfahrungen aus dem Ausland nicht mehr wegreden», sagte Patrick Mathys. Kritisch werden dürfte die Situation nicht primär auf den Intensivstationen, sondern «grundsätzlich in den Spitälern». Dies liege zum einen an den erwarteten hohen Fallzahlen, die zu entsprechend vielen Spitaleinweisungen führen würden. Zum anderen aber auch an den befürchteten Personalausfällen wegen Covid-Erkrankungen.

Laut Rudolf Hauri, Zuger Kantonsarzt und Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte, zeigt sich dieser Effekt schon jetzt: Die Spitäler seien bereits dadurch belastet, dass Mitarbeitende in Isolation oder in Quarantäne müssten.

Das grosse Fragezeichen sei einzig, wie das Verhältnis zwischen Infizierten, Hospitalisationen und der Notwendigkeit von Intensivpflege ausfallen werde, sagte Mathys. Doch auch hier gebe es kaum Grund zum Aufatmen. Die Kantone und Spitäler müssten daher alles tun, um sich für die kommenden Herausforderungen zu wappnen.



Was kommt auf die Kinder zu?

Da Kinder, die am wenigsten durchimpfte Bevölkerungsgruppe darstellten, seien sie besonders stark betroffen, sagte Alain Di Gallo von der wissenschaftlichen Covid-Taskforce. Dennoch müsse es das oberste Ziel bleiben, dass die Schulen offen bleiben und die Kinder ihren Alltag mit möglichst wenig Unterbrüchen leben könnten.

Dazu brauche es aber Schutz- und Vorsichtsmassnahmen wie regelmässiges Lüften, CO2-Messgeräte, um die Luftqualität zu überwachen, regelmässige Corona-Tests sowie Schutzmasken. Ausserdem könnten sich ab dieser Woche auch Kinder ab fünf Jahren impfen lassen.

Taskforce-Experte: «Das wichtigste Ziel ist die Offenhaltung der Schulen»

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Der starke Anstieg der Neuansteckungen mit dem Coronavirus macht auch vor den Kindern nicht halt. Dennoch müsse das Ziel sein, Schulschliessungen zu vermeiden, eklärt Taskforce-Mitglied Alain Di Gallo.

04.01.2022

Reichen die bestehenden Massnahmen?

Um die Omikron-Welle zu bremsen, müssten die sozialen Kontakte reduziert und die Boosterimpfung schnell unter die Leute gebracht werden, hält die Taskforce in ihrem Bericht fest. Die dritte Impfdosis könne den Schutz vor einer Ansteckung «zumindest kurzfristig» von rund 20 bis 30 Prozent auf 70 bis 80 Prozent erhöhen. Ausserdem brauche es genug Selbsttests für die Bevölkerung. Doch: Massnahmen, die bei bisherigen Wellen gereicht hätten, könnten bei Omikron nicht mehr ausreichen, gab Samia Hurst, Vizepräsidentin der Taskforce, vor den Medien zu bedenken. Darüber zu entscheiden, sei aber Sache der Politik.

Zur Erinnerung: Die nächste reguläre Sitzung des Bundesrats ist für den 12. Januar angesetzt.

Patrick Mathys vom BAG mochte nicht ausschliessen, dass es wieder schärfere Massnahmen braucht. Angesprochen auf anstehende Sportveranstaltungen wie die Skirennen in Adelboden und Wengen oder Eishockeyspiele, meinte er: «Ich hoffe nicht, dass solche Anlässe abgesagt werden müssen.» Zugleich habe sich aber gezeigt, dass Grossanlässe leicht zu Superspreader-Events werden könnten. «Von jedem solchen Anlass geht ein gewisses Risiko aus.»

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Mehrfach riefen sowohl Mathys wie auch Hurst in Erinnerung, dass die bekannten Hygiene- und Sicherheitsmassnahmen wie Lüften, Schutzmasken oder Händewaschen auch gegen Omikron nützen. «Es braucht noch einmal das Engagement von uns allen», appellierte Mathys an die Bevölkerung.

Ist die neue Virusvariante aus Frankreich das nächste Omikron?

In diesem Punkt konnten die Fachleute immerhin eine positive Botschaft verkünden: Die in Frankreich beobachtete neue Virusvariante B.1.640.2 scheine sich noch nicht stark zu verbreiten, sagte Samia Hurst. Varianten würden laufend auftauchen, doch die meisten könnten sich nicht gegen Delta oder Omikron behaupten – das sei nun offenbar auch bei B.1.640.2 der Fall. Man müsse sich wohl nicht allzu grosse Sorgen machen derzeit.