Verzögerter Festakt Der Bund feiert 50 Jahre Frauen-Stimmrecht mit Verspätung

uri/SDA

2.9.2021

Piloten und Stewardessen propagieren ein klares (und herzliches) Ja zum Frauenstimmrecht für die bevorstehende Eidgenössische Abstimmung am 7. Februar 1971. (Archiv)
Piloten und Stewardessen propagieren ein klares (und herzliches) Ja zum Frauenstimmrecht für die bevorstehende Eidgenössische Abstimmung am 7. Februar 1971. (Archiv)
Bild: Keystone

Fünfzig Jahre nach dem Einzug der ersten Frauen ins Parlament haben 150 Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und der Zivilgesellschaft im Nationalratssaal das «historische Ereignis» gefeiert. Besonders gewürdigt wurden dabei die Pionierinnen der Frauenbewegung.

uri/SDA

Heute feiert die Schweiz ganz offiziell die Einführung des Frauenstimmrechts vor 50 Jahren. Und das dem Anlass ganz angemessen – mit ordentlicher Verspätung.

Grund für den späten Festakt zum runden Jubiläum – schliesslich sagten 621'109 Schweizer Männer bereits am 7. Februar 1971 Ja zum Stimm- und Wahlrecht für Frauen – ist indes nicht fehlender politischer Wille. Es ist der Corona-Pandemie geschuldet, dass die ursprünglich bereits für den 4. Februar 2021 geplante Feier auf den jetzigen Termin verschoben wurde.



«Der Bundesrat ist der Ansicht, dass dieses Jubiläum in einem würdigen Rahmen gefeiert werden soll», teilt das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) mit, das den Anlass auch organisiert. Man wolle den Festakt auch dazu nutzen, «die geschichtliche Entwicklung und die politischen Auswirkungen der Gleichstellung von Frau und Mann aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten». 

Geburtsstunde der modernen Schweizer Demokratie

Justizministerin Karin Keller-Sutter bedankte sich in ihrer Ansprache am Donnerstag denn auch bei allen Frauen - und auch Männern -, die sich während Jahrzehnten für die politische Gleichberechtigung der Frauen eingesetzt hatten. Die Einführung des Frauenstimmrechts sei «fraglos» ein Sieg der Frauen gewesen, «die unermüdlich dafür gekämpft hatten, als gleichwertige Bürgerinnen anerkannt zu werden».

Ironischerweise hätten ausgerechnet die ausgebauten Volksrechte dazu beigetragen, dass die Schweiz «im 20. Jahrhundert zu einer demokratie-politischen Nachzüglerin» geworden sei. Doch am 7. Februar 1971 habe eine Mehrheit der Schweizer Bürger anerkannt, dass es einer Demokratie nicht würdig sei, die Frauen von den politischen Entscheidungen über die Zukunft des Landes auszuschliessen.

Der Tag sei damit zur Geburtsstunde jener Demokratie geworden, «auf die wir heute zu Recht stolz sind: einer ganzen Demokratie». Heute stehe die Schweiz mit einem Frauenanteil von über 40 Prozent im Parlament anderen europäischen Ländern in nichts mehr nach.

In anderen politischen Gremien und in den Chefetagen von Unternehmen hingegen gebe es noch Luft nach oben. Und auch andere Herausforderungen wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die Bekämpfung von häuslicher und sexueller Gewalt blieben bestehen.

«Endlich!»

Auch Bundespräsident Guy Parmelin bedankte sich «bei allen Personen, die sich für die Einführung des Frauenstimmrechts eingesetzt haben». Für den Entscheid des Schweizer Volkes vor fünfzig Jahren sei ein resolutes Engagement der Frauen entscheidend gewesen. Sie hätten damit «den Grundstein für diesen Sieg» gelegt.

Dank der Frauenbewegung seien auch in der Schweiz die Zeichen der Zeit erkannt worden - rückblickend sage er dazu mit einem erleichternden Seufzer: «Endlich!» Und er zitierte die Zürcher Juristin Getrud Heinzelmann mit den Worten: «Erst ab jetzt entsprechen die Volksabstimmungen auch wirklich ihrer wahren Bedeutung.»

Bei der Feier sprachen auch alt Bundesrätin Ruth Dreyfuss und alt Nationalrätin Hanna Sahlfeld-Singer über ihre Erfahrungen. Ausserdem anwesend waren Verteidigungsministerin Viola Amherd, Nationalratspräsident Andreas Aebi, Bundesgerichtspräsidentin Martha Niquille sowie Jugendliche aus allen Kantonen.

Eines der letzten Länder Europas

Die Schweiz war eines der letzten europäischen Länder, das den Frauen die vollen Bürgerrechte zugestand. Das Frauenstimmrecht in der Schweiz wurde 1971 in einer Volksabstimmung beschlossen.

Die meisten Kantone folgten 1971 und 1972 dem Beispiel des Bundes. Einige Kantone hatten das Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene schon früher eingeführt: Waadt und Neuenburg waren 1959 die ersten, 1960 folgte Genf, 1966 Basel-Stadt, 1968 Baselland, 1969 das Tessin.

Appenzell Ausserrhoden war 1989 der zweitletzte Kanton, der das Frauenstimmrecht einführte. Nur der Nachbarkanton Innerrhoden verweigerte seinen Frauen die politische Gleichberechtigung noch länger.

1990 lehnten die Innerrhoder Männer an der Landsgemeinde in Appenzell das Frauenstimmrecht ab. Aber noch im gleichen Jahr wurde dem kleinsten Schweizer Kanton das Frauenstimmrecht vom Bundesgericht verordnet. Das reine Männerstimm- und -wahlrecht verletze die von der Bundesverfassung garantierte Gleichberechtigung von Frau und Mann, stellte es fest.