Polizei über Corona-Skeptiker «Der Umgangston insbesondere auf Social Media ist rauer geworden»

Von Lukas Meyer

25.4.2021

Corona-Skeptiker demonstrierten mehrfach in den letzten Wochen, hier am 20. März in Liestal.
Corona-Skeptiker demonstrierten mehrfach in den letzten Wochen, hier am 20. März in Liestal.
KEYSTONE

Seit Beginn der Corona-Pandemie haben Drohungen gegen Politiker und Ämter stark zugenommen. Die Bundesanwaltschaft hat mehrere Verfahren eröffnet, das Fedpol setzt unter anderem auf Grenzziehungsbriefe und Gefährderansprachen.

Von Lukas Meyer

Sie träumen vom Sturm auf das Bundeshaus, verschicken Morddrohungen und verdächtige Pakete und lassen ihrem Hass im Internet freien Lauf: Die Drohungen gegen Politiker und Vertreter von Behörden häufen sich. Das beschäftigt auch die Bundesanwaltschaft (BA) und das Bundesamt für Polizei (Fedpol). Man prüfe in Koordination mit Fedpol laufend Fälle, «bei welchen Drohungen und Ehrverletzungsdelikte gegen Mitglieder von Bundesbehörden im Zusammenhang mit der Situation rund um Corona zur Diskussion stehen», teilt die BA auf Anfrage von «blue News» mit.

Derzeit seien verschiedene Strafverfahren eröffnet, «welche – teilweise nebst anderen Tatbeständen – so gelagerte Drohungen beinhalten». Bereits im Februar wurden unter anderem fünf Verfahren wegen Drohungen gegen den Bundesrat eröffnet. Ein Strafbefehl wurde bisher noch nicht erlassen, so die BA.

Seit Beginn der Pandemie gibt es mehr Drohungen gegen Bundesräte, bestätigt Fedpol, das die Meldungen beurteilt. Wenn diese strafrechtlich relevant sind, können die Opfer Anzeige erstatten. Offizialdelikte wie Nötigungen bringt Fedpol bei der Bundesanwaltschaft zur Anzeige.

Zuerst wird das Gespräch gesucht

Bei Grenzfällen gibt es zwei präventive Möglichkeiten, wie Fedpol-Mediensprecher Florian Näf erklärt. Einerseits könne man eine Person direkt anschreiben mit einem sogenannten Grenzziehungsbrief und auf mögliche Konsequenzen hinweisen. Oder man gehe bei einer Gefährderansprache mit der zuständigen kantonalen Polizei direkt bei der Person zu Hause vorbei.

Ähnlich geht die Kantonspolizei Zürich vor. «Auch wenn die Reizschwelle Einzelner teilweise gesunken ist, suchen wir in erster Linie das Gespräch», sagt Mediensprecherin Carmen Surber. Man appelliere nach wie vor an die Eigenverantwortung und Einsicht der Bevölkerung. «Wir stellen fest, dass insbesondere der Umgangston auf Social Media rauer geworden ist», teilt Hanspeter Krüsi von der Kantonspolizei St. Gallen mit. Man habe bis anhin aber keine Fälle von gewaltbereiten Corona-Skeptikern zu bearbeiten gehabt.

Die Kantonspolizei Aargau beobachte die Situation im Rahmen ihrer Möglichkeiten, teil Sprecherin Corina Winkler mit: «Wir mussten gewisse Tendenzen dahingehend feststellen, dass sich einzelne Personen vermehrt öffentlich bedrohlich äussern und in einem Mass Kritik an den Corona-Massnahmen kundtun, das über die übliche gesellschaftliche Diskussion hinausgeht und sich gegen einzelne Exponenten aus Politik und Verwaltung richtet.» Man könne von einer gewissen Radikalisierung sprechen, stelle aber keine konkreten Vorfälle oder eine Häufung von entsprechenden Anzeigen fest.

Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich allerdings lässt eine Einlassvorrichtung einbauen, damit keine Unbefugten ins Gebäude gelangen können, wie die «Neue Zürcher Zeitung» berichtet. Welche Vorfälle zu diesem Schritt führten, gab das Amt nicht bekannt. Auch andere Politiker, Behördenvertreter oder Wissenschaftler berichten der Zeitung von sehr aggressiven Drohungen. SP-Politiker Cédric Wermuth etwa hat in den vergangenen sechs Monaten drei Anzeigen wegen Drohungen gegen Leib und Leben eingereicht.

Nachrichtendienst beurteilt Lage laufend

Für Prävention und Früherkennung ist in der Schweiz der Nachrichtendienst (NDB) zuständig. Die Szene der Corona-Skeptiker per se falle nicht in seine Zuständigkeit, teilt der NDB auf Anfrage von «blue News» mit. «Allfällige Hinweise auf die Beteiligung von gewalttätig extremistischen Gruppierungen oder Personen an Aktivitäten der ‹Corona-Skeptiker› bearbeitet der NDB im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags.» Man beurteile die Lage laufend und sei im Kontakt mit Fedpol und Polizeien.

In der Vergangenheit habe es wiederholt – teils vorübergehend erfolgreiche – Versuche von gewalttätigen rechts- und linksextremen Gruppierungen gegeben, friedliche Protestbewegungen zu unterwandern und zu radikalisieren. Der NDB darf allerdings erst präventiv tätig werden, wenn ein konkreter Gewaltbezug vorhanden ist, also das Verüben oder Fördern von Gewalt oder der Aufruf dazu. Personen, die sich ideologisch oder politisch radikalisieren, fallen nicht in sein Aufgabengebiet.