Aufklärung von Kriegsverbrechen Der Wille ist da, die Resultate bleiben aber noch aus

Lia Pescatore

23.4.2022

Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Mitte, und SEM-Chefin Christine Schraner-Burgener, links, auf Besuch im Basler Bundesasylzentrum Ende März. Bei der Registrierung vor Ort werden die Geflüchteten auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, als Augenzeugen auszusagen.  
Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Mitte, und SEM-Chefin Christine Schraner-Burgener, links, auf Besuch im Basler Bundesasylzentrum Ende März. Bei der Registrierung vor Ort werden die Geflüchteten auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, als Augenzeugen auszusagen.  
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Die Schweizer Behörden sind bereit: Per QR-Code könnten sich Augenzeugen von Kriegsverbrechen registrieren. Eine Taskforce der Bundesanwaltschaft steht, um Beweismittel zu sichern. Doch noch bleiben die Meldungen aus. 

Lia Pescatore

Die Schweiz wolle ihren Beitrag leisten, um die Kriegsverbrechen in der Ukraine aufzuklären, kündigte Bundesrätin Karin Keller-Sutter vor zwei Wochen an. Und die Schweiz scheint bereit:

Bereits Ende März hat die Schweizer Bundesanwaltschaft eine Taskforce einberufen. Ein Hauptziel: Mögliche Beweismittel und Zeugenaussagen von einreisenden Flüchtlingen zu erheben und zu sichern.

Denn: Zeugenaussagen sind besonders wichtig, um Kriegsverbrechen auch vor Gericht beweisen zu können. Das bestätigt der erfahrene Strafrechtler Stefan Trechsel im Interview mit blue News.

Damit sich die Augenzeugen ohne grosse Umwege an das Bundesamt für Polizei (Fedpol) wenden können, richteten die Behörden einen extra QR-Code ein, der gezielt an die Geflüchteten weitergegeben wird bei der Registrierung durch das Staatssekretariat für Migration (SEM).  

Dieser Prozess sei in dieser Form bisher einmalig, sagt Fedpol-Mediensprecher Christoph Gnägi auf Anfrage. Einmalig, aber ungenutzt: «Bis jetzt hat uns noch keine Meldung erreicht», sagt er. Obwohl über 30'000 Menschen den Registrierungsprozess bereits durchlaufen sind.

Augenzeugen können sich auch auf Polizeiposten melden

Über die Gründe könne man nur spekulieren. Einerseits habe die Ukraine selbst bereits eine Plattform zur Verfügung gestellt, die allenfalls zugänglicher sei für die Geflüchteten. Andererseits seien die Menschen, die bisher in die Schweiz gelangten, entweder sehr früh und daher wohl aus Gebieten ohne direkte Kampfhandlungen geflüchtet. «Für viele Menschen ist es zudem prioritär, an ihrem neuen Wohnort zuerst Stabilität zu finden und ihr Leben zu organisieren», sagt der Sprecher.

Den QR-Code sei bewusst nicht öffentlich zugänglich, sondern werde gezielt an die Geflüchteten abgegeben. «Wir sind an qualitativ hochwertige Meldungen interessiert.» Das Online-Formular sei jedoch nicht der einzige Weg, um sich als Augenzeuge oder Besitzer*in von Beweismitteln zu melden. Dies sei auch auf jedem Polizeiposten oder über eine Behörde wie das SEM möglich. «Wir haben die Behörden darauf sensibilisiert, dass sie mögliche Augenzeugen von Kriegsverbrechen auch auf die Möglichkeit auszusagen, hinweisen», so Fedpol.

Informationen werden international ausgetauscht

Was geschieht, sobald eine Meldung eintrifft? Das Fedpol würde in einem ersten Schritt die Meldung prüfen und falls nötig mit der Person Kontakt aufnehmen, erklärt Gnägi. Die gesammelten Informationen würde dann in den Austausch mit nationalen und internationalen Partnern wie Europol oder Eurojust, der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, einfliessen.

«Steht der Verdacht auf Kriegsverbrechen und weiteren Verstössen gegen das Völkerstrafrecht im Raum, entscheidet die Bundesanwaltschaft, ob es zu einem Strafverfahren kommt oder ob die Informationen per Rechtshilfe weitergegeben werden», sagt der Mediensprecher. Beweismittel könnten so zum Beispiel auch in Prozesse am Internationalen Strafgerichtshof oder an einem anderen nationalen Gericht einfliessen.