Abstimmung vom 18. Juni Die Klimabewegung hat aus dem Nein zum CO2-Gesetz gelernt

Stefan Michel

26.5.2023

Die Jugend allein reicht nicht: Der Klimastreik wirbt für ein Ja zum Klima-Gesetz, über das die Schweiz am 18. Juni 2023 abstimmt. (Archivbild)
Die Jugend allein reicht nicht: Der Klimastreik wirbt für ein Ja zum Klima-Gesetz, über das die Schweiz am 18. Juni 2023 abstimmt. (Archivbild)
Bild: KEYSTONE

Mit einer Kundgebung wirbt der Schweizer Klimastreik für ein Ja zum Klima-Gesetz. Das CO2-Gesetz hatte die Bewegung noch nicht unterstützt. Sprecher Jonas Kampus erklärt, was sich geändert hat.

Stefan Michel

26.5.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Klimastreik wirbt für ein Ja zum Klima-Gesetz – obwohl er sich beim schärfer formulierten CO2-Gesetz nicht zu einer Ja-Parole durchringen konnte.
  • Der Klimastreik erhofft sich von der Abstimmung am 18. Juni auch ein Ja der Stimmbevölkerung zum Klimaschutz.
  • Dennoch steht für den Klimastreik-Aktivisten und Physik-Studenten Jonas Kampus fest, dass es weiterreichende Massnahmen braucht, als im Klima-Gesetz formuliert, damit die Schweiz ihre Klimaziele erreichen kann.

2021 hat die Schweizer Stimmbevölkerung das CO2-Gesetz abgelehnt, mit einer Mehrheit von 51,6 Prozent. Alle Parteien hatten die Ja-Parole ausgegeben, ausser die SVP. Und der Klimastreik. Einzelne lokale Gruppen des Klimastreiks engagierten sich sogar gegen das CO2-Gesetz, weil dessen Massnahmen – unter anderem Abgaben auf Flugtickets, fossilen Treib- und Brennstoffen – nicht ausreichten, um den Klimawandel entscheidend zu bremsen. 

Einige mutmassten danach, es hätte für ein Ja gereicht, hätte die Klimabewegung geschlossen dafür geworben, statt Zweifel zu säen.

Jonas Kampus, aktiv im Klimastreik, sieht das anders: «Die FDP und die Mitte haben es nicht geschafft, ihre Basis zu mobilisieren. Das hatte einen viel grösseren Einfluss gehabt.» Persönlich sei er frustriert gewesen ob der Ablehnung, und dass das Nein der Klimabewegung in die Schuhe geschoben worden sei.

Keine Parole zum CO2-Gesetz, Ja zum Klima-Gesetz

Das Klima-Gesetz, über das am 18. Juni abgestimmt wird, geht weniger weit als das CO2-Gesetz. Es enthält zwar Ziele, aber kaum konkrete Massnahmen, zum Beispiel über 3 Milliarden Franken für ökologische Gebäudesanierung ohne Vorgabe, wann diese zu erfolgen haben.

Dennoch unterstützt der Klimastreik das Klima-Gesetz mit einer offiziellen Ja-Parole. «Die Parole haben wir schon im November 2022 gefasst», betont Kampus im Gespräch mit blue News. Am Samstag vor Pfingsten ruft der Klimastreik sogar zu einer Kundgebung in Bern, um für ein Ja zur Vorlage zu werben.

Hat der Klimastreik also vom Nein zum CO2-Gesetz gelernt? Kampus räumt ein, dass sie das berücksichtigt hätten, als sie ihre Position formulierten. «Vor allem haben wir erkannt, dass die Ablehnung eines solchen Gesetzes weitergehende Auswirkungen hat. So interpretierten gewisse Kreise das knappe Nein zum Gesetz als allgemeines Nein der Bevölkerung zum Klimaschutz.»

Die Klimabewegung ist also bereit, ein Gesetz zu unterstützen, das auch gemäss Wissenschaftlern nicht reichen wird, um die Vorgaben des Pariser Klima-Abkommens zu erreichen und die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken.

Die Bevölkerung für den Klimaschutz gewinnen

Jonas Kampus betont: «Es braucht natürlich noch viel mehr. Das Klima-Gesetz allein reicht nirgends hin. Aber vor allem braucht es jetzt ein klares Zeichen der Stimmbevölkerung, dass sie Klimaschutz will.»

Dem Klima-Gesetz ist anzumerken, dass die Bevölkerung nicht mit harten Massnahmen abgeschreckt werden soll. Noch spricht sich die Mehrheit in Umfragen für die Vorlage aus, doch die Zustimmung sinkt.

Renovate Switzerland plant keine Autobahn-Blockade an Pfingsten
Aktivisten von
KEYSTONE

Am Karfreitag blockierten Aktivist*innen die A2 vor dem Gotthard-Nordportal. An Auffahrt war auch die Operation Libero im Stau aktiv, ohne diesen zu verlängern. An Pfingsten plant Renovate Switzerland keine Aktionen, wie deren Sprecherin dem «Blick» mitgeteilt hat. Die Operation Libero habe die Anfrage nicht beantwortet. Der Pfingststau formiert sich freilich auch ohne Klimakleber*innen.

Es stellt sich die Frage, ob sich – nach Ansicht der Wissenschaft – genügend scharfe Massnahmen auf demokratischem Weg überhaupt durchsetzen lassen. Für Kampus ist das die falsche Frage. Es sind gemäss dem Physik- und Volkswirtschaftsstudenten gewisse Konzerne, die ohne demokratische Kontrolle entschieden, wie viel CO2 die Schweiz ausstosse. Vision des Klimastreiks ist deshalb die «Demokratisierung der Schweizer Wirtschaft». Die Bevölkerung soll beispielsweise mitentscheiden können, ob Glencore noch Kohle fördern darf.

Die Klimabewegung demonstriert morgen in Bern wie üblich im Rahmen einer bewilligten politischen Kundgebung. Eine andere Taktik wählt Renovate Switzerland, die Strassen blockiert, um Massnahmen gegen den Klimawandel anzumahnen. Die Frage ist, ob diese Guerilla-Aktionen die Zustimmung zum Klima-Gesetz erhöhen oder eher den Widerstand dagegen befeuern.

Kampus und der Klimastreik haben auch da eine andere Perspektive: «Ich kann die Aufregung der Autofahrer nicht nachvollziehen. In Italien sind nach den durch den Klimawandel hervorgerufenen Unwettern die Strassen während Wochen gesperrt und nicht nur während 10 Minuten. Wir alle profitieren davon, wenn griffige Massnahmen dagegen ergriffen werden.»