Wirte geben idyllisches Bergbeizli auf«Die Öffnungszeiten haben uns fast ins Grab gebracht»
tafi
21.11.2023
Der Kanton Zürich schreibt die Öffnungszeiten vor: Weil die Pächter der Sennhütte im Tösstal deswegen bis zur Erschöpfung arbeiten, werfen sie hin. Aus Angst vor einem Burn-out kündigen sie den Pachtvertrag.
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21.11.2023, 15:40
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die Pächter des beliebten Berggasthaus Sennhütte im Tösstal geben auf: Sie lassen den Pachtvertrag auf Ende Jahr auslaufen.
Grund dafür sind die strengen Öffnungszeiten, die ihnen der Kanton Zürich als Vermieter vorschreibt.
Arbeitszeiten von 16 Stunden am Tag belasteten die Psyche und Gesundheit.
Wirtin Sarah Tiefenbacher und ihr Mann Felipe Rojas können nicht mehr und haben den Pachtvertrag für das Berggasthaus Sennhütte im Zürcher Tösstal auf Ende Jahr gekündigt. Der Grund: Der Kanton schreibt ihnen Öffnungszeiten vor, die sie nicht einhalten können. Aus Angst vor einem Burn-out ziehen sie nun die Reissleine.
Vermieter der Sennhütte ist die Baudirektion Zürich. Sie hatte im Mietvertrag festgelegt, dass die Ausflugsbeiz im Sommer von 9 bis 21 Uhr offen sein muss, bei schönem Wetter sogar bis 22 Uhr. Auch im Winter müssen die Wirte von 9 bis 20 Uhr geöffnet haben. Das zehrt an den Kräften.
«Die Öffnungszeiten haben uns fast ins Grab gebracht», sagen sie dem «Landboten», und beschreiben einen normalen Arbeitstag: «Wir stehen um 6 Uhr auf, backen Brot und Kuchen, am Sonntag Zopf, bereiten das Restaurant vor, bedienen die Hotel- und dann die normalen Gäste, bewirtschaften die zwei Doppel- und zwei Gruppenzimmer, kochen zu Mittag, beantworten E-Mails, kümmern uns um unsere vierjährige Tochter, putzen, servieren Kuchen und Kaffee, räumen ab, kochen Abendessen, machen sauber. Das fünf Tage die Woche, mindestens 16 Stunden am Tag.»
«Niemand will so viel arbeiten wie wir»
Das Pensum geht an die Substanz, zumal die Wirte kaum Hilfe haben. Zwar kämen immer wieder mal Nachbarn als Aushilfe, manchmal sogar ein professioneller Springer. Fix anstellen liesse sich in der 1000 Meter hoch gelegenen Abgeschiedenheit aber niemand, den Fachkräftemangel dabei mal aussen vor gelassen. «Wir finden keine Person, die so viel arbeiten will wie wir. Viele, die kompetent waren, hat es bereits verheizt», sagt Sarah Tiefenbacher.
Gleichwohl die Wirte Verständnis dafür haben, dass sich der Kanton als Vermieter lange Öffnungszeiten für die Wanderer wünscht, ärgert sie das mangelnde Verständnis für wirtschaftliche und gesundheitliche Folgen: «Wenn wir am Montag – so richtig geknüttelt vom Wochenende – trotz weniger Gäste nicht um 18 Uhr zumachen dürfen, sondern noch bis 21 Uhr ausharren müssen, bringt das niemandem etwas.» Selbst wenn sie einen Tag pro Woche mehr zumachen könnten, würden sie überleben.
Bei aller Unterstützung, die der Kanton ihnen in anderen Belangen habe zukommen lassen, die mangelnde Flexibilität bei den Öffnungszeiten sei der Grund, warum sie die Sennhütte aufgeben. Dabei hatten sie den Ruf der von den Verpächtern abgewirtschafteten Beiz mit einem aufwendigen Konzept aus Gemütlichkeit und regionalen Produktion gerade erst wiederhergestellt.
Rechtlich ist der Kanton auf der sicheren Seite
Dass individuelle Gastronomie Aufwand und Zeit kostet, ist Tiefenbacher klar. Der Ansatz ist aber gewissermassen auch eine Notwendigkeit: Früher haben Hüttenwirte einen grossen Teil des Umsatzes mit Getränken erwirtschaftet. Und heute? «Die Trinkerei ist nicht mehr salonfähig», sagt Tiefenbacher. Wenn sie fünf Grappas pro Woche verkaufe, sei das schon viel.
Rechtlich gesehen hat sich der Kanton korrekt verhalten, betont Daniel Mägerle. Im «Landboten» sagt der Winterthurer Fachanwalt für Arbeitsrecht, dass es sich nicht um einen Konflikt handele: «Vereinbart sind die Öffnungszeiten, nicht die Arbeitszeiten des einzelnen Arbeitnehmers.»
Die Mieter hätten sich freiwillig für ihr aufwendiges Konzept entschieden und seien als Betreiber eines Berggasthauses dafür verantwortlich, dass es aufgehe. Gleichwohl könnte man im konkreten Fall vom Kanton mit seinen gut bezahlten Angestellten mit moderaten Arbeitszeiten etwas mehr Kulanz und Flexibilität erwarten. Der Kanton Zürich wollte sich gegenüber dem «Landboten» zum Sachverhalt nicht konkret äussern.