Von Berset bis MerkelDiese Fehler mussten andere Politiker auch schon zugeben
lmy
22.5.2021
Alain Berset hat eingestanden, zum Anfang der Corona-Pandemie einen Fehler gemacht zu haben. Er ist nicht der einzige Politiker, der ein solches Eingeständnis macht oder sich entschuldigt.
lmy
22.05.2021, 17:54
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Alain Berset war am Donnerstag Gast der SRF-TV-Sendung «Gredig direkt». Moderator Urs Gredig fragte den Gesundheitsminister, ob er während der Corona-Pandemie Fehler gemacht habe und wie selbstkritisch er sei. Schliesslich gestand Berset ein, in Bezug auf Hygienemasken einen Fehler gemacht zu haben: «Ich habe am Anfang die Wissenschaft zu wenig hinterfragt.»
In einem Interview, das am Freitag im «Tages-Anzeiger» erschien, nannte Berset weitere Fehler: «Wir waren beispielsweise am Ende des Sommers etwas blauäugig.» Man habe wie die Nachbarländer die zweite Welle erst im Dezember oder Januar erwartet, aber nicht im Oktober. «Da waren wir zu zuversichtlich.»
Damit ist Berset nicht allein. Schon im Januar gestand der neue Bundespräsident Guy Parmelin Fehler bei der Bewältigung der Corona-Krise ein: «Zwischen Juli und September haben wir die Lage unterschätzt», sagte er in einem Interview mit dem «SonntagsBlick». «Wir dachten, wir könnten das Virus meistern. Gedanklich war es weit weg.» Auch die Koordination mit den Kantonen sei nicht immer optimal gewesen, so Parmelin weiter.
Merkels historischer Schachzug
Einen Schritt weiter ging Angela Merkel. Vor Ostern sorgte sie für Aufsehen, als sie die Entscheidung über die sogenannte Osterruhe zurücknahm und sich dafür bei der Bevölkerung entschuldigte. Das ganze Prozedere habe viel Verunsicherung ausgelöst, sagte die deutsche Bundeskanzlerin damals: «Das bedauere ich zutiefst, und dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung.» Die Idee eines harten Lockdowns über die Festtage sei ein Fehler gewesen – und zwar «einzig und allein mein Fehler».
Damit gewann sie ihre Handlungsfähigkeit zurück, schrieb der «Tages-Anzeiger». Wenn Politiker einen Fehler machen, müssten sie zwar oft zurücktreten, weshalb sie diese ungern zugeben. Umso ungewöhnlicher und historischer erschien Merkels Schachzug, für den sie viel Respekt und sogar Bewunderung erhielt. Die Bevölkerung könne gar nicht anders als ihr vergeben, und ihre Kritiker stünden mit leeren Händen da.
«Menschen verzeihen eine ganze Menge»
Gar einen «Trend zur Entschuldigung» sieht das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Im politischen Alltagsbetrieb sei es fast schon üblich geworden, dass Politiker für etwas um Entschuldigung bitten. Seit Beginn der Corona-Krise hatte sich etwa auch der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier dafür entschuldigt, dass die Auszahlung von Hilfsgeldern so lange dauert. Und Gesundheitsminister Jens Spahn merkte früh an: «Wir werden einander in ein paar Monaten wahrscheinlich viel verzeihen müssen.»
«Eine richtig umfangreiche, persönliche Entschuldigung ist immer ein aussergewöhnliches Ereignis», sagte Politologin Karina Strübbe der «Süddeutschen Zeitung». Dabei gehe es darum, Reue zu transportieren und dem Publikum glaubhaft zu versichern, dass man aus seinem Fehler gelernt habe. «Menschen verzeihen grundsätzlich eine ganze Menge, wenn man sich aufrichtig entschuldigt», so Strübbe weiter.