Energie-Experte «In der Schweiz gibt es zu wenig Wald für alle Heizungen»

Von Stefan Michel

4.11.2021

Rauch steigt aus einem Kamin in Lausanne auf. 
Rauch steigt aus einem Kamin in Lausanne auf. 
Bild: Keystone/Laurent Gilliéron

Öl und Gas werden teurer, Holz billiger. Ist die CO2-neutrale Energiequelle damit auch besser fürs Portemonnaie? Und gibt es überhaupt genug Holz? Daniel Binggeli, Experte des Bundesamts für Energie, gibt Antworten.

Von Stefan Michel

4.11.2021

Herr Binggeli, beim CO2-Vergleich verschiedener Heizsysteme schliesst Holz am besten ab. Ist Holz damit die klimafreundlichste Heizmethode?

Holz ist nach der Wasserkraft die zweitwichtigste einheimische Energiequelle. Pellets-Feuerungen haben zudem den höchsten Wirkungsgrad und die geringsten Feinstaub-Emissionen unter den Holzheizungen. Die Energiestrategie des Bundes setzt aber auf Vielfalt erneuerbarer Energien. Das gilt auch für das Heizen.

Gibt es in der Schweiz zu wenig Wald für alle zu heizenden Räume?

Das ist so. Heute deckt die Holzenergie knapp 6 Prozent des schweizerischen Gesamtenergieverbrauchs oder rund 10 Prozent des Wärmebedarfs ab. Das nachwachsende Energieholz ist nicht ausgeschöpft und die Nutzung könnte je nach Szenario um rund einen Drittel gesteigert werden. Werden in Zukunft die Gebäude vermehrt energetisch saniert, könnte Energieholz rund 20 Prozent des Wärmebedarfs abdecken.

Wärmepumpen stossen kein CO2 aus, brauchen aber viel Strom. Wie ökologisch sind sie wirklich?

Richtig, Wärmepumpen brauchen Strom, um die Umgebungswärme nutzen zu können. Je nach Wärmequelle – Erde, Wasser oder Luft – produziert eine solche Heizanlage aus einer Kilowattstunde Strom drei bis vier Kilowattstunden Wärme. Die meisten privaten Strombezügerinnen und -bezüger nutzen hauptsächlich Strom aus erneuerbaren Quellen, vor allem aus Wasserkraft. So erzeugt die Wärmepumpe zum grössten Teil Wärme aus erneuerbaren Quellen.



Heisst das, die Stromrechnung steigt deutlich, wenn ich von einer Ölheizung auf eine Wärmepumpe umsteige?

Die Stromrechnung steigt, aber die Energiekosten insgesamt für die Wärme gehen deutlich zurück. Unter dem Strich, über die Lebensdauer betrachtet, sind die erneuerbaren Energien konkurrenzfähig.

Die Preise sind in Bewegung, Erdöl und Gas werden zurzeit teurer, Holz wird dagegen billiger. Mit welchem Heizsystem fährt man mittel- und langfristig am günstigsten?

Erneuerbare Energieträger hatten in den letzten Jahren die geringsten Preisschwankungen. Mit dem Netto-Null-Ziel, dem sich der Bundesrat mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens verpflichtet hat, müssen die fossilen Energien ersetzt werden. Mit dem Heizkostenrechner Erneuerbarheizen.ch kann eine erste grobe Einschätzung der Kosten gemacht werden.

Angenommen, sämtliche Öl- und Gasheizungen in der Schweiz würden in den nächsten zehn Jahren durch Wärmepumpen oder Holzheizungen ersetzt. Wie weit wäre sie dann auf dem Weg zur Klimaneutralität?

Damit die Schweiz ihre klimapolitischen Ziele erreicht, muss die Wärmeversorgung CO2-frei werden. Die rund 2,3 Millionen Gebäude sind für 33 Prozent der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich. Das wäre ein beträchtlicher Schritt.