Justiz-Initiative Sollten Bundesrichter per Los ernannt werden?

Von Alex Rudolf

18.10.2021

Die Bundesrichter*innen sollen künftig im Los-Verfahren gewählt werden. Dadurch sollen sie parteiunabhäniger werden.
Die Bundesrichter*innen sollen künftig im Los-Verfahren gewählt werden. Dadurch sollen sie parteiunabhäniger werden.
KEYSTONE/CHRISTIAN BRUN

Am 28. November entscheidet das Stimmvolk über die Justiz-Initiative. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Alex Rudolf

18.10.2021

Worum geht es?

Die 38 vollamtlichen Mitglieder des Bundesgerichts in Lausanne werden heute vom Parlament gewählt. Freiwillig nehmen National- und Ständerat hierbei Rücksicht auf eine angemessene Vertretung sämtlicher Sprachregionen wie auch der politischen Parteien. Genau daran stören sich die Initiant*innen der «Justiz-Initiative» rund um den Zuger Unternehmer Adrian Gasser. Der bald 80-Jährige finanziert und organisiert die «Justiz-Initiative», weil er das aktuelle Verfahren für demokratie-politisch bedenklich hält. So müssen Anwärter*innen auf eine Position im Bundesgericht de facto Mitglied einer Partei sein, um überhaupt eine Chance zu haben, kritisiert das Komitee. Parteilose Richter*innen, die über beste Qualifikationen verfügen, schaffen es heute nicht ans Bundesgericht.

Was wollen die Initiant*innen?

Damit das Gremium der obersten Richter im Land keine parteipolitische Einfärbung mehr hat, sollen die Mitglieder des Bundesgerichts künftig im Los-Verfahren gewählt werden. Alle Sprachregionen sollen weiterhin angemessen vertreten sein, die Ausgestaltung des Auslosungssystems wird im Initiativtext nicht definiert. Wer am Los-Verfahren teilnehmen darf, soll eine vom Bundesrat ernannte Fachkommission bestimmen.

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Die Wahl von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern soll von einer Parteizugehörigkeit und von der Abhängigkeit des Parlaments losgelöst werden. Das verlangen die Initianten der Justizinitiative. Über 90 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer seien in keiner Partei, betonte die Luzerner Mitte-Kantonsrätin Karin Stadelmann. Und ein sehr grosser Teil der Bewerberinnen und Bewerber auf ein Richteramt würde sich heute überhaupt nur deshalb einer Partei anschliessen, weil sie anders gar nie Bundesrichter werden können. Dabei gehe es doch um Kompetenz und nicht um politische Gesinnung.

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Weiter sollen die Bundesrichter nicht mehr alle sechs Jahre wiedergewählt werden, sondern ihr Amt bis auf höchstens fünf Jahre nach dem ordentlichen Pensionsalter behalten dürfen.

Warum sind Bundesrat und Parlament dagegen?

Die Wahl der Mitglieder des Bundesgerichts durch die vereinigte Bundesversammlung sei transparent und habe sich bewährt, schreibt der Bundesrat. Ein Los-Verfahren wäre dem Schweizer Rechtssystem zudem fremd, da ein solches auch in keinem Kanton angewendet wird. Da heute die Wählerstärken der politischen Parteien bei der Besetzung des Bundesgerichts berücksichtigt würden, steigere man so auch die Akzeptanz des Gremiums in der Bevölkerung. «Ein Los-Verfahren kann den Anspruch nach Ausgewogenheit nicht oder nur teilweise gewährleisten», so der Bundesrat.

Urteilen die Bundesrichter politisch verzerrt?

Seit 1874 sei es noch nie zu einer Abwahl eines Bundesrichters wegen eines Urteils gekommen, schreibt der Bundesrat in seiner Stellungnahme. Zweimal wurde Bundesrichtern eine weitere Amtszeit aus Altersgründen nicht gewährt. Nach Auslegeordnung der Gegner*innen ist dies aber genau das Problem.

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So würden Richter*innen Urteile fällen, die der eigenen Partei genehm sind, um bei der nächsten Wahl im Amt bestätigt zu werden. Eine Studie hat zudem belegt, dass es bei asylrechtlichen Entscheiden zu Verzerrungen kommt. SP-Richter*innen würden verglichen mit ihren SVP-Kolleg*innen Beschwerden doppelt so oft gutheissen, schreibt die NZZ.

Warum geht es auch um Geld?

Wer Mitglied einer politischen Partei ist und ein Amt bekleidet, entrichtet der Partei üblicherweise einen Anteil des Lohns. Die sogenannte Mandatssteuer ist für die Parteien eine wichtige Finanzspritze, da die Schweiz eine staatliche Parteienförderung nicht kennt. Zwar fusst die Mandatssteuer auf keiner gesetzlichen Grundlage, sie ist in der Schweiz aber Usus. Die Parteikassen blieben also leer, wenn parteilose Richter*innen gewählt würden.

Wer ist dagegen, wer dafür?

Die SP, FDP, Grüne, die Mitte und die Grünliberalen sind dagegen. Also alle ausser der SVP, bei der eine Parolen-Fassung noch aussteht. Bei der Schlussabstimmung im Nationalrat im vergangenen März sprach sich nur gerade eine Person für die Initiative aus: Nationalrat Lukas Reimann (SVP/SG).