Unispitäler in der Pandemie «Wir haben Büros leergeräumt für Patienten»

SDA/lmy

6.5.2021

Die Vorsitzenden der fünf Universitätsspitäler traten am Donnerstag gemeinsam vor die Medien.
Die Vorsitzenden der fünf Universitätsspitäler traten am Donnerstag gemeinsam vor die Medien.
KEYSTONE

Die fünf Unispitäler sind in der Corona-Pandemie personell und finanziell an ihre Grenzen gekommen. In der Bewältigung der grössten Krise des Gesundheitssystems seit Jahrzehnten spielen sie eine zentrale Rolle.

SDA/lmy

6.5.2021

Dass die Schweiz auf drastische Lockdowns verzichten konnte, liegt am leistungsfähigen Gesundheitswesen, bilanzierten die Direktoren der Universitätsspitäler Basel, Bern, Zürich, Genf und Lausanne. Die Krise belegte die zentrale Rolle dieser Spitäler in einem Netzwerk mit den anderen Versorgern.

Die Intensivpflege wäre ohne die Unispitäler nicht zu bewältigen gewesen. Dank der Abdeckung aller Therapieangebote konnten sie rasch und angemessen auf die Pandemie reagieren. Die notwendigen Kapazitäten standen der Bevölkerung dadurch kurzfristig zur Verfügung.

Intensivpflege ausgebaut

Das Intensivpflegeangebot der Universitätsspitäler stieg um 65 Prozent auf 378 Betten. Dass dies nötig war, zeigte sich im November 2020. Damals waren 208 dieser Betten mit Covid-19-Patientinnen und -patienten belegt. Ohne den Ausbau hätte es kaum Spielräume für Nicht-Covid-Fälle oder ein Grossereignis gegeben.

2020 pflegten die Universitätsspitäler insgesamt 8153 Menschen mit Covid-19 stationär. 1295 von ihnen betreuten sie auf der Intensivstation, 922 davon mit künstlicher Beatmung. Dass dies zu bewältigen war, liegt an der Vernetzung und der Solidarität der fünf Spitäler untereinander, wie sie bilanzierten. Dadurch wurde eine unkomplizierte Hilfe etwa bei Patiententransfers möglich.

Einen Silberstreif am Horizont sehen die Spitalleitungen in der Impfkampagne. Dabei nehmen die Universitätsspitäler eine zentrale Rolle ein. Sie stellten in kürzester Zeit Impfzentren auf die Beine.

Zudem sind sie an Forschung und Entwicklung stark beteiligt. Allein 2020 lancierten sie 232 Forschungsprojekte zu Covid-19. Solche kontinuierliche Investitionen könnten nur Universitätsspitäler leisten, hiess es vor den Medien.

20'000 «normale» Fälle weniger

Die betriebswirtschaftlichen Spuren der Pandemie sind gross. Die Universitätsspitäler behandelten 2020 mit gut 8000 rund zwei Fünftel der 19'500 stationären Covid-19-Fälle. Bei den übrigen Spitaleinlieferungen betrug ihr Anteil knapp 20 Prozent. Wegen der hohen Auslastung durch die Pandemie ging die Zahl der übrigen Fälle deutlich zurück. 2020 waren es 20'000 Fälle weniger als im Vorjahr. Betroffen war namentlich die Chirurgie.

Die Kosten der Universitätsspitäler sind bei der obligatorischen Krankenversicherung bereits ohne Pandemie nicht gedeckt. 2020 kamen in allen fünf Spitälern im stationären Bereich Ertragsausfälle von 202 Millionen Franken hinzu. Weiter fielen 340 Millionen Franken für Covid-spezifische Personal- und Materialaufwände an. Die Kantone federten das mit 357 Millionen Franken ab. Trotzdem bleibt für die fünf Spitäler ein Verlust von 86 Millionen Franken.

Angesichts ihrer Vorhalteleistungen etwa für die Notfall-, Intensiv- und Spitzenmedizin erachten die fünf Universitätsspitäler eine separate Tarifregelung für angebracht. Ihre zentrale Funktion dürfe nicht gefährdet werden. Die Spitaldirektoren Werner Kübler (Basel), Uwe Jocham (Bern), Gregor Zünd (Zürich), Bertrand Levrat (HUG, Genf) und Philippe Eckert (Chuv, Lausanne) erklärten weiter, ihr Personal sei nach über einem Jahr Pandemie ausgelaugt.

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  • 11.43 Uhr

    Die Medienkonferenz ist beendet

    Die Medienkonferenz geht mit einer kurzen Fragerunde zu Ende. Wir bedanken uns für die Aufmerksamkeit und beenden den Ticker an dieser Stelle.

  • 11.34 Uhr

    40 Prozent der Corona-Patienten in Unispitälern

    «Ich bin stolz auf das, was wir mit unseren Spitälern in der Bewältigung der Covid-Krise beitragen konnten», schliesst Jocham. Rund 40 Prozent der Corona-Patienten seien von Unispitälern behandelt worden, während man 20 Prozent der schweizweiten Kapazitäten habe. Die Pandemie hätte ohne die Unispitäler nicht bewältigt werden können.

    Dafür sei ein hoher Preis bezahlt worden, nicht nur finanziell. Etwa 20'000 stationäre Fälle hätten nicht behandelt werden können. Das Personal sei an die Grenzen gekommen.

  • 11.24 Uhr

    Regionale Koordination bewährte sich

    Uwe Jocham von der Berner Inselgruppe ergreift nochmals das Wort. Man habe regelmässige regionale Koordinationstreffen gehabt, unter anderem mit Vertretern von Apotheken, Pflegeheimen und Spitälern. Das habe sich sehr bewährt, um die neusten Erkenntnisse an alle Akteure weiterzugeben.

    Die Unispitäler hätten auch ihre öffentliche Rolle wahrgenommen. «Wir sind froh, dass unser Wort an vielen Orten sein Gehör gefunden hat», sagt Jocham. Er und seine Kollegen seien oft in den Medien präsent gewesen, und im Dezember hätten sie mit einem offenen Brief an den Bundesrat viel bewirken können.

  • 11.18 Uhr

    «Am Schluss machen es die Menschen aus»

    «Am Schluss machen es die Menschen aus», betont Zünd. Man habe immer zusammen versucht, die beste Lösung zu finden, im Unispital Zürich und mit Partnern ausserhalb. Das habe dazu beigetragen, dass die Schweiz eine tiefe Mortalität in Bezug auf Covid habe. Man habe aber zu wenig Fachpersonal. Zünd bedankt sich bei Medizinstudierenden für ihr Engagement, die sich an verschiedenen Stellen eingebracht hätten. Mit der frühen Impfung konnte man das Personal wirkungsvoll schützen, was sehr wichtig gewesen sei.

  • 11.15 Uhr

    300 Forschungsprojekte durchgeführt

    Auch Forschung war ein wichtiges Thema. Er habe viel Innovationskraft im Spital gesehen und eine grosse Vernetzung mit Universität und ETH, sagt Zünd. Man konnte über 300 attraktive Forschungsprojekte durchführen und einige Studien durchgeführt, die weiterhin laufen. Vor allem in der Intensivmedizin konnte man in Zusammenarbeit mit den anderen Unispitälern zu einem frühen Zeitpunkt wichtige Daten sammeln und auswerten. Die offene Kultur des Austauschs sei sehr wichtig gewesen und habe sich bewährt.

  • 11.12 Uhr

    Kontakt zu Hausärzten wichtig

    Die Koordination der verschiedenen Fachrichtungen sei eine Herausforderung gewesen, führt Gregor Zünd vom Universitätsspital Zürich aus. Man habe schon im Frühjahr 2020 Material bestellt, um vorbereitet zu sein. Umliegende Hausärzte und Spitäler seien bald regelmässig informiert worden über neue Entwicklungen. Viele Patienten hätten Spitäler aus Angst vor Ansteckungen gemieden, umso wichtiger sei der Kontakt mit Hausärzten gewesen.

  • 11.06 Uhr

    280 Millionen Franken Verlust in zwei Jahren

    Die Krise hatte ihren finanziellen Preis, sagt Levrat. So werde das Unispital Genf im vergangenen und in diesem Jahr voraussichtlich 280 Millionen Franken Verlust einfahren. Als Spitaldirektor könne er nicht verstehen, dass sie nicht mehr Unterstützung erhielten von den Versicherern und auch vom Staat.

    Zum Schluss ruft er alle dazu auf, sich impfen zu lassen und das Coronavirus nicht zu unterschätzen.

  • 11.03 Uhr

    «Die Unispitäler haben viele Leben gerettet»

    «Die Unispitäler haben viele Leben gerettet», so Levrat. Man habe viele Corona-Patienten erfolgreich behandelt. Mittlerweile sei eine Mehrheit der Hospitalisierten aus der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen, während ältere Personen seltener schwere Verläufe hätten.

  • 10.57 Uhr

    «Wir haben Büros leergeräumt für Patienten»

    In Genf sei die Situation speziell gewesen, sagt Bertrand Levrat vom dortigen Unispital. Man habe in kurzer Zeit Büros leergeräumt, um Patienten unterbringen zu können. Trotz der schwierigen Situation konnte man die Durchführung aller notwendigen Operationen garantieren.

  • 10.54 Uhr

    Dank an Mitglieder der Taskforce

    Werner Kübler vom Universitätsspital Basel ist jetzt an der Reihe. Dank der Koordination unter Führung der Unispitäler konnten die Intensivbetten im ganzen Land gut ausgelastet werden.

    Der Unispital Basel entsendet vier Mitglieder in die wissenschaftliche Taskforce des Bundes. Kübler dankt ihnen für den Einsatz, sie würden regelmässig 16 bis 18 Stunden pro Tag arbeiten. Auch die Kommunikationsabteilung hatte viel zu tun: Sie hatte bis zu 50 Anfragen pro Tag von Journalisten, oft für Hintergrundinfos, so Kübler.

    Die Mortalität von Covid-Patienten sei im Vergleich zum Ausland tief. Das System war nie überlastet, man habe die Krise gemeinsam bewältigen können.

  • 10.44 Uhr

    Andere Patienten nicht vernachlässigen

    Nun übernimmt Philippe Eckert, Chef des Unispitals Lausanne. In der ersten Welle habe teilweise das Material gefehlt, aber die grosse Herausforderung liege beim Personal. Man habe in der zweiten Welle ein System gefunden, um die Einsätze zu koordinieren, auch national. Die Spitäler hätten auch Patienten verschoben, ohne diese Koordination und den direkten Austausch auf höchster Ebene wäre das nicht machbar gewesen.

    Man müsse aber aufpassen, dass andere Patienten ohne Corona nicht vernachlässigt werden. Alle dringenden Operationen wurden durchgeführt, man habe aber noch nicht genug Kapazitäten, um alle Operationen durchzuführen. Eckert hofft, dass der Rückstand bis Ende Jahr aufgeholt wird.

  • 10.35 Uhr

    «Wir sehen einen Silberstreifen am Horizont»

    Man habe nach der ersten Welle ein dynamisches System für die Belegung der Intensivbetten entwickelt, das man in der zweiten Welle anwenden konnte. Es musste aber wieder eine grosse Zahl von Eingriffen verschoben werden. In der zweiten Welle hätten die Unispitäler auch mitgeholfen, die Impfzentren aufzubauen. Die Belastung sei hoch, man sehe aber einen Silberstreifen am Horizont.

    Die CEOs der Unispitäler haben ein wöchentliches Treffen, um sich über die Corona-Pandemie auszutauschen. So konnten die Spitäler ihre Rolle als leitende Institutionen in ihren Regionen wahrnehmen.

  • 10.30 Uhr

    Die Medienkonferenz beginnt

    Auf dem Podium vertreten sind die Vorsitzenden der fünf Unispitäler, Uwe Jocham von der Berner Inselgruppe beginnt. Covid-19 sei die grösste Herausforderung für das Schweizer Gesundheitswesen und die Gesellschaft seit Jahrzehnten. Die Schweiz habe einen Mittelweg gewählt, der sich aus seiner Sicht bewährt habe. Man habe die Situation stets unter Kontrolle gehabt.

    «Das System kam aber auch an seine Grenzen und die Unispitäler waren gefordert», sagt Jocham.

Die fünf Schweizer Unispitäler – Zürich, Basel, Bern (Inselspital), Genf, Lausanne – sind in der Corona-Pandemie besonders gefordert. Das Unispital Zürich etwa machte im vergangenen Jahr einen Verlust von 48 Millionen Franken.

Heute ziehen die Unispitäler an einer Medienkonferenz in Bern gemeinsam eine zweite Bilanz zu ihrem bisherigen Kampf gegen das Corona-Virus und zeigen Perspektiven auf.