Er versandte Sexvideos Ehemann sitzt fast ein Jahr in U-Haft und kommt dann direkt frei

aru

3.4.2024

Ein Mann sitzt über ein Jahr zu lang in Haft – nun wird er freigelassen, doch zieht er das Urteil an die nächste Instanz weiter.
Ein Mann sitzt über ein Jahr zu lang in Haft – nun wird er freigelassen, doch zieht er das Urteil an die nächste Instanz weiter.
Quelle: Daniel Naupold/dpa/Themenbild

Nach einer Hirnhautentzündung beim Ehemann verschlechtert sich das Verhältnis zu seiner Ehefrau: Am Gericht Pfäffikon ZH wurde ein Fall verhandelt, der beispielhaft zeigt, wie Ereignisse eskalieren können.

aru

3.4.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Nach Streitereien in einer Ehe landet ein Mann für zwei Jahre im Gefängnis. Doch für die groben Anklagepunkte wurde er nun freigesprochen.
  • Dafür erhält er eine Genugtuung von 31'400 Franken.
  • Damit ist er jedoch nicht zufrieden und zieht das Urteil ans Obergericht weiter.

Zwischen einem Ehepaar aus dem zürcherischen Tösstal spielte sich ein unglaublicher Justiz-Krimi ab, der nun jüngst vor dem Bezirksgericht Pfäffikon gipfelte.

An der Goldküste führten die beiden ein Geschäft im Luxussegment. Wie der «Landbote» schreibt, zählte alles, was in der Zürcher Bankenwelt Rang und Namen hatte, zur Kundschaft.

Doch diese Zeiten sind vorbei. Denn der Mann verbrachte die beiden vergangenen Jahre im Gefängnis. Er habe seine Frau vergewaltigt und sie über Monate hinweg immer wieder bedroht. Darüber hinaus habe er versucht, sie zu erpressen und zu nötigen. Auch Beschimpfungen gehören laut Staatsanwaltschaft zu den Anklagepunkten. 

Doch so wie es die Verteidigerin des Mannes an der Verhandlung schildert, drehte sich das Blatt. Wie der «Landbote» weiter schreibt, werde das vermeintliche Opfer zur eigentlichen Bösewichtin.

Frau räumt gemeinsame Konti leer

Alles begann im Sommer 2021, als eine Zecke den Mann beisst. Dieser Biss wird gefolgt von einer Hirnhautentzündung und einem mehrmonatigen Spitalaufenthalt. Anschliessend streiten die beiden vermehrt. Zwischen Januar und März 2022 räumt die Frau die gemeinsamen Konti leer – rund 170'000 Franken werden auf ihr eigenes Konto überwiesen. Der Grund: Sie wolle das Geld vor ihrem verschwenderischen Ehemann schützen.

Die Verteidigerin macht in der Verhandlung jedoch klar, dass der Mann in dieser Zeit keine aussergewöhnlichen Ausgaben getätigt habe – er sogar seit der Eheschliessung 2011 über kein eigenes Konto mehr verfüge.

Als Nächstes sorgt die Frau dafür, dass ihr Mann fürsorgerisch in die Psychiatrie eingeliefert wird. Nach nur zwei Tagen verlässt er die Institution aber wieder. Sein Weg führt ihn nach Spanien, auf den Jakobsweg. In den Textnachrichten aus dieser Zeit bekunden die Eheleute die gegenseitige Liebe, teilweise geht es aber auch um eine Trennung.

Schliesslich verbringt das Paar drei gemeinsame Tage in Spanien. Es kommt zu Sex, der bereits im Vorfeld abgemacht gewesen sein soll. Der Mann filmte den Akt und lässt der Frau am Tag ihrer Abreise das Video zukommen. «Sie reagierte mit Liebesbezeugungen und Hechel-Emojis», sagt die Verteidigerin.

Er versendet Sexvideos an Verwandte und Bekannte

Doch dann verschärft sich der Ton zwischen den beiden wieder. Er fordert Geld und droht mit der Veröffentlichung der Sexvideos. Sie zeigt ihren Mann Anfang April 2022 bei der Kantonspolizei Zürich wegen Vergewaltigung, Drohungen, Erpressung und Pornografie an. Er macht seine Drohung wahr und versendet die Videos an fünf Verwandte und Bekannte. Mitte Mai trifft der Mann am Flughafen Zürich ein, wo er von der Polizei festgenommen wird. Seither sitzt er in Untersuchungshaft.

Gut ein Jahr später, im Juli 2023, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Vergewaltigung ein. Dabei handelt es sich um den schwerwiegendsten Vorwurf. Dennoch muss der Mann in U-Haft bleiben.

Der Mann muss sich vor Gericht noch wegen mehrfach begangener versuchter Erpressung, Drohung, versuchter Nötigung, Beschimpfung und Missbrauch einer Fernmeldeanlage verantworten. Für diese Vergehen verlangte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von 27 Monaten, die zugunsten einer stationären Massnahme aufzuschieben sei.

Nach mehreren Stunden Beratung wird klar, dass der Mann freikommt. Die Richter*innen sprechen den Mann von den Vorwürfen der mehrfach versuchten Erpressung und der mehrfachen Drohung frei. 

Darüber hinaus habe der Mann Anrecht auf Geld von den Konten der Eheleute. Daher habe er seine Ehefrau auch nicht erpresst. Den Chatnachrichten mangle es an Androhungen ernsthafter Konsequenten für eine Verurteilung zu mehrfacher Drohung. Die Nachrichten hätten die Frau schliesslich nicht verängstigt, weil sie ihren Mann kurz darauf in Spanien besucht hatte.

Bedingte Freiheitsstrafe von zehn Monaten

Laut Richterspruch ist der Mann aber der mehrfachen versuchten Nötigung, der mehrfachen Beschimpfung und der mehrfachen Pornografie schuldig. Dafür erhält er eine bedingte Freiheitsstrafe von zehn Monaten, eine bedingte Geldstrafe sowie eine Busse von 3000 Franken sowie eine Anordnung zu einer ambulanten Therapie.

Die Freiheitsstrafe hat der Beschuldigte bereits abgesessen. Insgesamt war er für 314 Tage zu Unrecht in Haft. Dafür erhält er nun eine Genugtuung von 31'400 Franken, was 100 Franken pro Tag entspricht. Hinzu kommen gut 30'000 Franken für seinen Lohnausfall. Alles in allem liegen die Kosten, die der Beschuldigte übernehmen muss, in etwa gleich hoch wie die Beträge, die ihm das Gericht zuspricht.

Der Beschuldigte wird das Urteil ans Obergericht weiterziehen. Denn er sei weder mit dem Strafmass noch mit den Kosten, die man ihm auferlegt habe, einverstanden, schreibt der «Landbote».