Teure GovWare Schweizer Staatstrojaner wird teurer als geplant

SDA

9.1.2019

Das revidierte Überwachungsgesetz gestattet es den Strafverfolgungsbehörden unter anderem, Trojaner in Computer einschleusen – ein teures Unterfangen. (Symbolbild)
Das revidierte Überwachungsgesetz gestattet es den Strafverfolgungsbehörden unter anderem, Trojaner in Computer einschleusen – ein teures Unterfangen. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Die Beschaffung von Staatstrojanern wird teurer als erwartet ausfallen. Man müsse sich auf höhere Kosten einstellen, prognostiziert die Eidgenössische Finanzkontrolle – oder sich mit weniger Leistung zufrieden geben.

Die EFK hat drei IKT-Schlüsselprojekte unter die Lupe genommen, darunter das Programm Fernmeldeüberwachung (FMÜ). Mit diesem soll die Überwachung an die technischen Entwicklungen und die neuen gesetzlichen Aufgaben angepasst werden.

Das revidierte Überwachungsgesetz BÜPF erlaubt den Strafverfolgungsbehörden unter anderem, Trojaner in Computer einzuschleusen, um beispielsweise Skype-Gespräche mithören zu können. Zulässig ist dies nur im Rahmen von Strafverfahren und nur bei schweren Straftaten.

111,7 Millionen Franken

Die nötigen Informatikprogramme sind jedoch teuer, wie die EFK in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht schreibt. Bereits im vergangenen Frühjahr habe sich abgezeichnet, dass die Beschaffung der sogenannten GovWare so teuer werde, dass nicht genügend Mittel für den geplanten Realisierungsumfang zur Verfügung stünden, heisst es im Bericht.



Vorgesehen sind für das gesamte Programm FMÜ bis Ende 2021 insgesamt 111,7 Millionen Franken. Erhärteten sich die ersten Annahmen, müsse entweder der Funktionsumfang reduziert werden, oder es müssten mehr finanzielle Mittel vorgesehen werden, schreibt die EFK. Die Kosten der GovWare seien ein «grosser Unsicherheitsfaktor» im Programm.

Höhere Betriebskosten

Erst grob abschätzbar sind zudem laut der EFK die künftigen Betriebskosten der Fernmeldeüberwachung. Das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) rechnet wegen der neuen Anwendungen mit einem Anstieg um rund 20 auf rund 30 Millionen Franken. Es geht davon aus, dass die zusätzlichen Kosten nicht vollumfänglich durch die beschlossenen Gebührenerhöhungen finanziert werden können.

Zunächst hatte der Bundesrat die Gebühren für die Strafverfolgungsbehörden um 70 Prozent erhöhen wollen. Nach Kritik in der Vernehmlassung wurden sie um rund 60 Prozent erhöht.

Mangel an Experten

«Die Finanzierung der Lücke muss noch gelöst werden», hält die EFK fest. Bei GovWare ist vorgesehen, dass der Bund die Investitionen und die Kosten für das Personal für den Serverbetrieb übernimmt. Die Kantone bezahlen eine Fallpauschale zur Deckung der Lizenzkosten.



Weiter berichtet die EFK von Ressourcenengpässen. In den FMÜ-Projekten fehlten durchwegs erfahrene IT-Architekten und Business-Analysten, schreibt sie. Ein Grund dafür sei, dass in der aktuellen Marktsituation für die angebotenen Stundensätze kaum noch Experten zu finden seien. Mit diesem Problem haben laut der EFK auch andere Verwaltungseinheiten zu kämpfen.

Krisenresistente Kommunikation

Die Finanzkontrolle hat auch das IKT-Schlüsselprojekt «Voice System der Armee» überprüft. Es handelt sich um eine Telefonielösung, mit der das Verteidigungsdepartement (VBS) die Führungsfähigkeit der Armee in allen Lagen gewährleisten will. Das System soll das automatische Fernmeldenetz (AF-Netz) ablösen.

Für dessen Betrieb konnte die EFK keinen eindeutigen Verantwortlichen ermitteln, obwohl es seit 1995 genutzt wird. Sie empfiehlt der Gruppe Verteidigung, allen Nutzern das Lebensende der Lösung mitzuteilen und damit klare Verhältnisse zu schaffen. Das Kommando Operationen will die Empfehlung umsetzen.

Fehlende nationale Strategie

Weiter vermisst die EFK eine übergreifende Betrachtung: Sie empfiehlt dem VBS, der Bundeskanzlei und dem Informatiksteuerungsorgan des Bundes, gemeinsam eine Gesamtstrategie zur Sicherstellung der Kommunikation in allen Lagen zu erarbeiten. Die Angesprochenen halten dies zumindest kurzfristig nicht für zielführend.

Zum einen müsste zuerst festgelegt werden, wer in welcher Lage mit wem über Sprach-, Video- oder Datenverbindung kommunizieren müsse, halten sie fest. Die Anforderungen an die IT ergäben sich dann daraus. Zum anderen dränge sich eine Gesamtstrategie für eine schweizweit zentralisierte Koordination krisenresistenter Kommunikationsmittel nicht auf, weil die Schweiz föderalistisch organisiert sei.

Governance überdimensioniert

Schliesslich hat die EFK das IKT-Schlüsselprojekt DaziT unter die Lupe genommen. Mit diesem will die Eidgenössische Zollverwaltung bis 2026 alle Kernprozesse digitalisieren. Hier kritisiert die Finanzkontrolle die Programmorganisation und -governance. Diese seien überdimensioniert.

Ausserdem empfiehlt sie, Grundlagen zu schaffen für eine aussagekräftige Messung des Nutzens und des Leistungsfortschritts. Ferner soll das Finanzdepartement eine Roadmap zur Vereinheitlichung der Stammdatenverwaltung erstellen – ein Thema, das nicht nur für DaziT wichtig ist.

Bilder aus der Schweiz
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