Albiskette und Pfannenstiel Zürcher Regierung prüft neue Standorte für Windturbinen

lpe

8.11.2021

Zürichsee statt Griessee, Uetliberg statt Nufenenpass: Martin Neukom will die Windkraft im Kanton Zürich fördern. 
Zürichsee statt Griessee, Uetliberg statt Nufenenpass: Martin Neukom will die Windkraft im Kanton Zürich fördern. 
KEYSTONE

Ein Windkraftwerk auf dem Üetliberg? Das Potenzial der Windenergie will der Zürcher Baudirektor Martin Neukom ergründen. Die Energiebranche ist interessiert, die Gegner reagieren mit grosser Ablehnung.

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2025 droht im Ernstfall ein Strommangel. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Bundes. Seinen Beitrag zur Gewährleistung der Stromversorgung will auch Zürichs Baudirektor Martin Neukom (Grüne) leisten – und zwar mit dem Ausbau der Windenergie. Er arbeitet momentan daran, mögliche Standorte von Windkraftanlagen in den kantonalen Richtplan aufnehmen zu können, wie der «Tages-Anzeiger» weiss.

«Für eine ausreichende Stromversorgung mit erneuerbaren Energien müssen wir alle Möglichkeiten nutzen», sagt Martin Neukom der Zeitung.



Zwar habe die Solarenergie klar das grösste Potenzial, die Windenergie habe jedoch den Vorteil, dass mehr als die Hälfte des Ertrags im Winterhalbjahr anfalle – in dieser Zeit muss die Schweiz derzeit Strom importieren.

Windkraft könnte Drittel des Bedarfs stemmen

Bereits Neukoms Vorgänger Markus Kägi war an der Windkraft interessiert und liess 2013 eine Studie erarbeiten: Diese rechnet vor, dass im Kanton Zürich 800 Windanlagen jährlich bis zu 3,5 Terawattstunden Strom produzieren könnten, rund ein Drittel des kantonalen Strombedarfs.

Doch welche Standorte sind geeignet? Laut der Studie sind dies Orte auf einer erhöhten Lage, die über eine Windgeschwindigkeit von mindestens 4,5 Metern pro Sekunde verfügen. Dies ist zum Beispiel auf dem Pfannenstiel oder auf dem Albiskamm, also auch auf dem Üetliberg.

In den nächsten Jahren könne das Potenzial aber kaum ausgeschöpft werden, stellt die Studie fest: Nur gerade vier bis sechs Anlagen seien bis 2050 umsetzbar, die anderen dürften an anderen Interessen wie Landschaftsschutz sowie Lärmschutz scheitern.

Windkraftgegner: Kein Platz für Windkraft

Bei den Verfechtern dieser Interessen stossen Neukoms Bemühungen auf grosse Ablehnung. Elias Meier, Präsident von Freie Landschaft Schweiz, sieht für solche Grosswind-Anlagen im Kanton Zürich denn auch «nicht den geringsten Quadratmeter Platz». Die Technologie sei allgemein unpassend für das «Schwachwindland Schweiz», sagt er dem «Tages-Anzeiger».

Und für Kathrin Jaag, Co-Geschäftsführerin der Zürcher Sektion von Birdlife, ist es schwer vorstellbar, dass der Bau von Windanlagen im dicht besiedelten Kanton möglich sei, ohne dass dabei Naturschutzwerte tangiert würden.

Im Bundeshaus erhält Windkraft Auftrieb

Investitionen in erneuerbare Energie: eine Gewichtungsfrage. An dieser will man im Bundeshaus schrauben. So will die nationalrätliche Umweltkommission die Produktion von erneuerbarer Energie im Inland «drastisch erhöhen», allenfalls auch zulasten anderer nationaler Interessen wie des Naturschutzes.

Auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga plant verkürzte Rekursverfahren beim Ausbau der Stromproduktion, um jahrzehntelange Blockaden durch Windkraftgegner in Zukunft zu verhindern.

Zudem hat das Parlament entschieden, die erneuerbaren Energien bis 2030 weiterhin finanziell zu fördern.



Axpo macht gute Erfahrungen im Entlebuch

Die Windlobby begrüsst die Initiative von Neukom. Anita Niederhäusern, Sprecherin von Suisse Éole, sieht im Kanton Zürich Standorte, die es mit solchen im Jura aufnehmen könnten. Die Wirtschaftlichkeit sei gegeben, mit Windanlagen der neuesten Generation liesse sich sogar mehr Strom produzieren als mit jenen im Jura, sagt sie zur Zeitung.

Die neuartigen Anlagen sind jedoch grösser und haben längere Flügel. Dies ist Windkraftgegnern ein Dorn im Auge. Grössere Umweltauswirkungen seien die Folge und das grösste Problem könne dadurch auch nicht aus der Welt geschafft werden: die unstabile Produktion. «Der Stromversorgungs-Sicherheit nützen grössere Anlagen nichts», sagt Meier von Freie Landwirtschaft Schweiz zum «Tages-Anzeiger».

Elektrizitätswerk hat geeigneten Standort bestimmt

Vertreter der Energiebranche sehen das anders, sie zeigen Interesse an Neukoms Initiative. Die Axpo macht auf Anfrage der Zeitung zum Beispiel auf das Windkraftwerk der Axpo-Tochter CKW im luzernischen Entlebuch aufmerksam, das zuverlässig Strom liefere und dessen Leistung die Erwartungen übertroffen habe.

Auch die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ), haben mit dem Cholfirst bereits einen Standort für eine Windkraftanlage als geeignet befunden. Schafft es der Standort in den Richtplan, würde das, wie Freudiger sagt, «die Entwicklung eines Projekts wesentlich erleichtern».

Der Cholfirst liegt nur zehn Kilometer vom deutschen Windpark Verenafohren entfernt, also klar weniger zentral wie andere von Neukom überprüfte Standorte. Das Projekt dürfte es trotzdem schwer haben. Darauf stellt sich auch Neukom ein. «Viele Schweizer Windprojekte haben es schwer. Das wäre wohl auch im Kanton Zürich nicht anders.»