Nach Corona-Infektion«Keine Angst vor Covid» – Trump drängt zurück in den Wahlkampf
dpa
6.10.2020
Vor kurzem noch war es Donald Trump gelungen, das Coronavirus-Thema in den Hintergrund zu drängen. Vier Wochen vor der Wahl ist es mit Wucht zurückgekehrt. Nun versucht er, die eigene Erkrankung zu seinem Vorteil zu nutzen – und lässt sich als «unbesiegbarer Held» feiern.
Mehr als 210'000 Tote in den USA, Zehntausende Neuinfektionen jeden Tag, Millionen Arbeitslose, die Wirtschaft in der Krise – und dann hat Donald Trump diese Empfehlung an seine Landsleute: «Haben Sie keine Angst vor Covid», schreibt der US-Präsident in einer Twitter-Nachricht. «Lassen Sie es nicht Ihr Leben dominieren.» Die Angehörigen der Opfer der Pandemie dürften das als Affront empfinden. Dasselbe gilt für viele Infizierte. Anders als der Präsident können sie nicht auf eine erstklassige Behandlung etwa mit einem experimentellen Antikörper-Cocktail zählen.
Trump checkt am Montagabend nach drei Tagen im Militärkrankenhaus Walter Reed aus und kehrt zurück ins Weisse Haus. Nachdem er seinen Beschluss am Nachmittag per Twitter verkündet hat, sagt sein Leibarzt Sean Conley, es spreche nichts gegen eine Entlassung des Patienten – auch wenn dieser «noch nicht endgültig über den Berg ist». Der Sender CNN zitiert informierte Quellen, wonach Trumps Ärzte ihn überreden mussten, das Krankenhaus nicht schon am Sonntag zu verlassen. Der Präsident sei besorgt gewesen, dass ihn der Aufenthalt dort «schwach aussehen lässt».
Trump will zurück in den Wahlkampf
Vier Wochen vor der Präsidentschaftswahl kann Trump es sich kaum erlauben, Schwäche zu zeigen. In Umfragen liegt der 74-Jährige Republikaner hinter seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden (77). Trump drängt nun zurück in die Arena. «Werde bald wieder auf Wahlkampftour sein!!!», kündigt er am Montag auf Twitter an. Trumps Wahlkampfchef ist derzeit zwar ebenfalls ausser Gefecht gesetzt, auch er hat sich angesteckt. Der Sprecher des Wahlkampfteams, Tim Murtaugh, kündigt im Sender Fox News aber schon einmal an, dass Trump beabsichtige, am zweiten TV-Duell mit Biden am 15. Oktober teilzunehmen. Trump hatte Biden bei der ersten Debatte noch dafür verspottet, stets eine Maske zu tragen.
Die Trump-freundliche Boulevardzeitung «New York Post» schreibt: «Wenn der Präsident wieder auf Wahlkampftour zurückkehrt, wird er ein unbesiegbarer Held sein, der nicht nur jeden schmutzigen Trick der Demokraten überlebt hat, sondern auch das chinesische Virus. Er wird Amerika zeigen, dass wir keine Angst mehr haben müssen.» Trump verbreitet die Passage am Montag über sein Twitter-Konto und ergänzt, eigentlich habe er den Sieg schon in der Tasche gehabt, bevor «die Seuche aus China» in die USA gekommen sei. «Werde trotzdem gewinnen.»
Wie das Virus Trumps Themensetzung torpediert
Problematisch für Trump: Seit seiner Infektion beherrscht das Coronavirus wieder die Schlagzeilen, und aus denen wollte er die Pandemie eigentlich verdrängen. Kurz vor seiner Ansteckung war Trump das kurzzeitig gelungen, als ihm ein Thema in den Schoss fiel: Durch den Tod der liberalen Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg wurde ein Platz im Obersten Gericht frei, den Trump noch vor der Wahl am 3. November mit seiner Kandidatin Amy Coney Barrett besetzen will. Sollte ihm das wie erwartet gelingen, wäre das ein Triumph: Dann hätte er drei der neun Richter am Supreme Court auf Lebenszeit ernannt und das Gericht womöglich auf Jahrzehnte konservativ geprägt.
Ironie des Schicksals: Trump stellte Barrett am 26. September im Rosengarten des Weissen Hauses vor mehr als 100 Gästen vor, unter denen womöglich ein mit dem Virus infizierter Super-Spreader war. Rund ein Dutzend Teilnehmer wurden in den Tagen danach positiv getestet, zuletzt teilt am Montag Trump-Sprecherin Kayleigh McEnany mit, sie sei ebenfalls erkrankt.
Umstrittenes Krisenmanagement
Die Pandemie dürfte Trumps Siegeschancen am 3. November schmälern, in Umfragen bescheinigt ihm seit Monaten eine Mehrheit ein schlechtes Krisenmanagement – trotz seines permanenten Eigenlobs. Als Vorbild taugte Trump kaum, eine Maske trug er fast nie, Veranstaltungen hielt er unbeirrt weiter ab. Trump selbst hat zugegeben, dass er die Gefahr durch das Virus kleingeredet hat – angeblich, um Panik zu vermeiden. Wahrscheinlicher ist, dass er die schwer angeschlagene Wirtschaft vor der Wahl um fast jeden Preis wieder ans Laufen bringen wollte. Dass das Virus den mächtigsten Mann der Welt dann derart ausser Gefecht setzte, dass er ins Krankenhaus musste, sieht nicht gut aus.
Trump versucht nun, seine Erkrankung im Wahlkampf zum eigenen Vorteil zu nutzen. Viel anderes dürfte ihm auch nicht übrig bleiben. Er scheint seiner Linie treu zu bleiben, die Gefahr durch das Virus herunterzuspielen und den Kampf seiner Regierung dagegen zu loben. «Ich fühle mich besser als vor 20 Jahren!», schreibt der prominenteste Corona-Patient am Montag auf Twitter. «Unter der Trump-Regierung haben wir einige wirklich grossartige Medikamente und Kenntnisse entwickelt.»
Trump in der «echten Schule»
Vor allem aber präsentiert Trump sich nun als Covid-Veteran, der wisse, was die rund 7,5 Millionen Amerikaner mitmachen mussten, die sich seit Beginn der Pandemie mit dem Coronavirus angesteckt haben. Trumps Stabschef Mark Meadows sagt am Montag im Sender Fox News, der Präsident verstehe, «was Millionen Amerikaner erleben mussten, als sie mit dieser Krankheit in Kontakt kamen». Mit diesem Spin dürfte das Trump-Lager versuchen, ein Manko auszubügeln, dass dem Präsidenten seit langem anhängt: dass er kaum Empathie zeigt.
Trump – der gerne auf sein Bauchgefühl setzt und dessen Misstrauen gegenüber Wissenschaftlern bekannt ist – gibt sich nun als Corona-Experte. «Es war eine sehr interessante Reise», sagt er in einem Video aus dem Krankenhaus, das er am Sonntag über Twitter veröffentlicht. «Ich habe viel über Covid gelernt. Ich habe es gelernt, indem ich wirklich zur Schule gegangen bin. Das ist die echte Schule. Das ist nicht die ‹Lasst uns die Bücher lesen›-Schule». Sein Fazit über das Virus: «Ich verstehe es.»