Anwohner bleiben skeptisch «Die Pisten-Verlängerung wird zu mehr Flügen und Lärm führen»

Von Gil Bieler

3.6.2021

Landung am Flughafen Zürich: Die Betreiber und die Kantonsregierung wollen nun zwei der drei Pisten ausbauen.
Landung am Flughafen Zürich: Die Betreiber und die Kantonsregierung wollen nun zwei der drei Pisten ausbauen.
Bild: Keystone/Christian Beutler

Mehr Sicherheit, weniger Fluglärm: Von der geplanten Verlängerung zweier Pisten verspricht sich der Flughafen Zürich viel. Kritiker befürchten genau das Gegenteil. 

Von Gil Bieler

3.6.2021

Einmal geht es um 400 Meter, einmal um 280 Meter. Es sei «eine kleine Anpassung», die aber grosse Verbesserungen ermögliche, betonte Flughafen-CEO Stephan Widrig am Donnerstag vor den Medien. Mit der geplanten Verlängerung der Pisten 28 und 32 könne die Sicherheit weiter erhöht, das Problem mit den verspäteten Flügen entschärft und erst noch der Fluglärm reduziert werden.

Für manche klingt das zu schön, um wahr zu sein: «Argumentiert wird mit Sicherheit – gemeint ist Kapazitätserweiterung», kritisiert die Organisation «Fair in Air» in einer Mitteilung. Das heutige Pisten-System reiche für alle Bedürfnisse der Schweiz aus, nur nicht für «den Grössenwahn der Flughafenverantwortlichen». Und die Zürcher Grünen erkennen in dem Projekt nichts anderes als «aus der Zeit gefallene Ausbaufantasien».

«Sehr skeptisch» nimmt die Ankündigungen auch Roger Götz auf, Gemeindepräsident von Höri gleich nördlich des Flughafens. «Die Pisten-Verlängerungen werden mehr Möglichkeiten schaffen, was zu mehr Flügen und mehr Lärm führen wird – gerade für die Gemeinden im Norden», sagt der SVP-Politiker im Gespräch mit «blue News». «Dass die Flugkapazitäten erhöht werden, steht für mich ausser Frage.»

«Fast schon beängstigend still geworden»

Götz wehrt sich gegen einen weiteren Ausbau des Flugverkehrs Richtung Norden, bemüht sich aber um eine differenzierte Betrachtung. Für Höri und andere Anrainergemeinden sei der Flughafen wirtschaftlich von grosser Bedeutung. Mit Blick auf die vielen Arbeitsplätze, die daran hingen, sagt er denn auch: «In der Pandemie ist es am Himmel schon fast beängstigend still geworden.»

Dennoch hofft er, dass beim Wiederhochfahren des Flugverkehrs Mass gehalten werde. Die Zustände vor der Pandemie seien unhaltbar gewesen, besonders die Zahl der Starts nach 23 Uhr müsse dringend gesenkt werden. «Wenn noch acht, zehn Flüge ausserhalb der Betriebszeiten starten, ist das für die Bevölkerung belastend», sagt Höri. «Es gibt zwar Spielregeln, aber die werden einfach missachtet.»



Götz ist zugleich Präsident des Schutzverbands der Bevölkerung um den Flughafen Zürich (SBFZ), der sich für den Lärmschutz der Anwohner*innen einsetzt. Wie sich der Verband zu den Ausbauplänen stellt, könne er noch nicht sagen – das müsse der Vorstand erst noch diskutieren. Aber: «Generell sind wir gegen eine Änderung des Pisten-Systems, da damit auch mehr Flugverkehr droht.»

Bedenken gibt es also einige, doch die Flughafenbetreiber bleiben bei ihrem positiven Szenario. Zunächst zum befürchteten Kapazitätsausbau: Der Flughafen Zürich versichert, dass die Pisten-Verlängerungen nicht zu mehr Flugverkehr führten. Stattdessen würden längere Start- und Landebahnen die Sicherheit erhöhen und der Betrieb gemäss Ostkonzept könne auch bei widrigen Wetterbedingungen verbessert werden. Als Folge könnten die Abläufe vereinfacht werden, viele Kreuzungen von Maschinen am Boden und in der Luft fielen weg.

Punkto Verspätungen sei ebenfalls eine Verbesserung zu erwarten, erklärt Flughafen-Sprecherin Manuela Staub auf Anfrage: «Dank der Pisten-Verlängerungen wird es zu weniger Verspätungen am Tag und Abend kommen und dadurch wird es weniger Verspätungsabbau, also Flüge zwischen 23 Uhr und 23:30 Uhr, geben.» Das sei nicht nur im Sinne der Anwohner*innen, sondern auch der Passagiere.

Leisere Flieger sind eingeplant

Bleibt das Reizthema Fluglärm. An der Medienkonferenz wurde betont, dass laut einer Modellrechnung der Empa eine «generelle Verbesserung des Fluglärms» im Kanton zu erwarten sei. Auf Anfrage präzisiert die Flughafen-Sprecherin, dass es sich dabei um eine Prognose für den Flugverkehr im Jahr 2030 handle. Darin seien auch künftige Auswirkungen von Flottenerneuerungen eingerechnet, also etwa der Ersatz alter Flugzeugtypen durch leisere neue Maschinen.

Und obschon der Betrieb des Ostkonzepts optimiert werden soll, drohe der Bevölkerung östlich des Flughafens kein zusätzlicher Lärm. «Es finden nicht mehr Flüge statt. Es wird aber weniger wetterbedingte Abweichungen von den vorgesehenen Betriebskonzepten geben», erklärt Staub. Ostlandungen fänden auch künftig nur dann statt, wenn es im Betriebsreglement vorgesehen sei – also abends und an Feiertagen im süddeutschen Baden-Württemberg.

So erklärt der Flughafen Zürich den Pisten-Ausbau.

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Auch gegen Kritik von Umweltschützer*innen verwahrt man sich: «Die Pisten-Verlängerungen haben keinen Zusammenhang mit der Klimadiskussion, da sie nicht zu mehr Flugverkehr führen.» Zudem nehme der Flughafen Zürich den Klimaschutz ernst, habe die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens für 2030 bereits jetzt erfüllt und wolle bis 2050 CO₂-neutral sein.

Kreuzende Pisten als Seltenheit

Dass der Sicherheitsaspekt im Vordergrund steht, glaubt auch Hansjörg Bürgi, Chefredaktor des Aviatik-Magazins «Skynews.ch»: Längere Pisten seien generell sicherer, sagt er auf Anfrage. Das sei der eine Aspekt – der andere sei die Pisten-Führung: «Sich kreuzende Pisten sind bei Flughäfen von der Grösse Zürichs eine Seltenheit. Vor allem bei neueren Anlagen setzt man von Anfang an auf parallele Pisten.» Weil man den Flughafen Zürich aber nicht neu bauen könne, müsse man nun alles versuchen, um das Optimum herauszuholen – und jede Kreuzung stelle am Ende ein Risiko dar.

Die Ausbaupläne sind vorgestellt, die Meinungen auf beiden Seiten sind gemacht – entschieden ist aber noch nichts. Als Nächstes muss das Zürcher Parlament sich mit dem Projekt befassen, und gegen diesen Entscheid kann das Referendum ergriffen werden. Ausserdem drohen noch Einsprachen.

Flughafen-CEO Widrig sagte denn auch vor den Medien, dass er sich neben dem politischen Prozess auch noch auf den Gang durch die juristischen Instanzen vorbereite. Ein Baustart vor 2030 sei daher höchst unwahrscheinlich.