Neue Mörser Griff Ueli Maurer direkt in Armee-Beschaffung ein?

SDA / tmxh

25.6.2020 - 08:04

Noch immer nicht fertig entwickelt: Der 12-Zentimeter-Mörser von Ruag. Die Finanzkontrolle kritisiert das Beschaffungsverfahren. (Archivbild)
Noch immer nicht fertig entwickelt: Der 12-Zentimeter-Mörser von Ruag. Die Finanzkontrolle kritisiert das Beschaffungsverfahren. (Archivbild)
Source: KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Wirbel um die neuen Armee-Mörser: Die Finanzkontrolle kritisiert das seit Jahren verzögerte VBS-Projekt. Besonders schwer wiegt der Vorwurf der politischen Einflussnahme durch Ueli Maurer.

Die Beschaffung des neuen 12-Zentimeter-Mörsers ist inzwischen fast drei Jahre im Rückstand. Das hat vor allem damit zu tun, dass das VBS ein noch nicht existierendes Waffensystem bestellt hat. Die Eidgenössische Finanzkontrolle stellt dem Projekt kein gutes Zeugnis aus: Schwer wiegt vor allem der Vorwurf, dass Ueli Maurer politisch in das Verfahren eingegriffen habe.

Was heisst das genau? Es geht um 32 Mörser des Typs «Cobra» des bundeseigenen Rüstungskonzerns Ruag, die auf einem Mowag-Radpanzer montiert sind. 2016 hatte das Parlament dafür insgesamt 424,5 Millionen Franken bewilligt. Die Mittel waren frei geworden, nachdem der Gripen-Kampfjet an der Urne gescheitert war.



Obwohl das Verteidigungsdepartement VBS das Beschaffungsverfahren wegen angeblicher Dringlichkeit abgekürzt hatte, ist der «Cobra»-Mörser noch immer nicht einsatzbereit. Laut VBS soll die sogenannte Truppentauglichkeitserklärung Ende Juli 2020 vorliegen. Die Beschaffung des Waffensystems dürfte 2026 statt wie geplant 2022 abgeschlossen sein. Der Bericht der Finanzkontrolle (EFK) beleuchtet, wie es zu der Beschaffungspanne kommen konnte.

Auf den Plan gerufen wurde die EFK nicht nur wegen der erheblichen Verzögerung des Projekts, sondern auch wegen der um zehn Millionen Franken erhöhten Entwicklungskosten, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete.

Politischer Entscheid

Brisant ist der Vorwurf der politischen Einflussnahme. Die EFK stellte fest, dass nur zwei Waffensysteme in die engere Auswahl kamen – neben dem Ruag-Minenwerfer der Mörser des finnischen Herstellers Patria. Wie diese Shortlist entstand, sei nicht ausreichend dokumentiert, schreibt die EFK. Diverse Gesprächspartner hätten auf eine politische Beeinflussung verwiesen. Der Kauf des 12-Zentimeter-Mörsers war unter SVP-Bundesrat Ueli Maurer aufgegleist worden. Beim Fahrzeug gab es gar keine Auswahl.

Der Vorwurf der Einflussnahme durch Ueli Maurer wiegt schwer. Genauer wird der Bericht dahingehend nicht. Der Bundesrat will laut «Tages-Anzeiger» indes nicht Stellung beziehen: Die Frage, ob er die Beschaffung des Minenwerfers einst angeordnet habe, blieb der Zeitung zufolge unbeantwortet. Sein Kommunikationschef Peter Minder teilte demnach mit, dass sich Maurer dazu nicht äussern wolle. 

Anforderungen mehrfach umgeschrieben

Die EFK stellte fest, dass die militärischen Anforderungen an das Waffensystem mehrmals umgeschrieben worden sind. Da die Anforderungen in gewissen Bereichen nicht erfüllt werden konnten, seien sie an die technischen Möglichkeiten und den damaligen Stand angepasst worden.

Laut Finanzkontrolle habe vor dem Entscheid eine Lockerung der militärischen Anforderungen (etwa die Möglichkeit des Direktschusses) und der Pflichtenhefte stattgefunden. Nur dadurch sei der Schweizer «Cobra»-Werfer dem «Tages-Anzeiger» zufolge erst in die Auswahl gekommen.



Nach jahrelangem Druck hatten die Experten des Bundesamts seinerzeit die Liste der infrage kommenden Mörser von 14 auf zwei verkürzt: das finnische Modell Nemo sowie ebenjener Schweizer Mörser «Cobra». Die Heeresführung hatte sich zunächst für die Einführung des teureren finnischen Mörsers ausgesprochen, laut «Tages-Anzeiger» lagen die Kaufverträge schon bereit. Durchsetzen konnte sich dann jedoch der weder serienreife noch truppentaugliche Minenwerfer «Cobra».

Abgekürztes Verfahren

Unklar blieb für die EFK auch, warum das Rüstungsgeschäft freihändig vergeben wurde. Die freihändige Vergabe an inländische, für die Landesverteidigung unerlässliche Unternehmen sei möglich, sofern sie begründet werde, heisst es im Bericht. Im Dokument zum Verfahrensentscheid fehlten allerdings solche Begründungen.

Hinzu kommt, dass die Evaluationsgrundlagen unvollständig sind. Im Antrag fehlten die technische und kommerzielle Risikoeinschätzung wie auch die Lebenszykluskosten. Dies berge das Risiko, dass nicht das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag erhalten habe, schreibt die EFK.

Schliesslich kritisiert die EFK, dass ein noch nicht fertig entwickeltes Waffensystem im abgekürzten Verfahren beschafft wurde. Dieses sei für einfaches und marktgängiges Material geeignet, nicht aber für Neu- und Weiterentwicklungen. Die Finanzkontrolle empfiehlt daher, «komplexe Beschaffungen beim Parlament erst zu beantragen, wenn diese beschaffungsreif sind».

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