Neue Umfrage zeigt Mehrheit ist für Einheitskasse – aber nicht um jeden Preis

dmu

25.4.2024

Bei Einführung einer Einheitskasse würde die Zahl der verschiedenen Versichertenkarten wohl deutlich kleiner. 
Bei Einführung einer Einheitskasse würde die Zahl der verschiedenen Versichertenkarten wohl deutlich kleiner. 
Bild: Keystone

Die Einheitskasse gewinnt hierzulande an Sympathie. Zumindest geht das aus einer neuen Umfrage hervor: Demnach befürworten 71 Prozent der Erwachsenen eine Reform des Krankenkassensystems.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Gesundheitskosten in der Schweiz steigen kontinuierlich.
  • Viele Schweizer*innen wünschen sich offenbar eine Umgestaltung des Systems: Laut einer Umfrage sind 71 Prozent der Erwachsenen im Land für die Einführung einer Einheitskasse.
  • Befürwortet wird das Anliegen aber nur, wenn die monatlichen Prämien mindestens 40 Franken sinken würden.

Bisher sind alle Abstimmungen zur Einführung einer staatlichen Einheitskasse gescheitert: 1994 wurde eine entsprechende Initiative mit 77 Prozent verworfen, bei der letzten Abstimmung 2014 noch mit 61,5 Prozent. Doch jetzt hat die Stimmung offenbar gedreht: Gemäss einer repräsentativen Umfrage des Onlinevergleichsdienstes Comparis würden heute 71 Prozent der Erwachsenen in der Schweiz eine Einheitskasse befürworten.

Demnach ist die Befürworterquote bei den über 55-Jährigen mit 78 Prozent besonders hoch. Bei den 36- bis 55-Jährigen befürworteten 71 Prozent das Anliegen, bei den jungen Erwachsenen 65 Prozent. Grund für den Stimmungswechsel dürften die kontinuierlich steigenden Krankenkassenprämien und die anziehende Inflation sein.

Bei Einführung einer Einheitskasse würde die Grundversicherung von den zahlreichen privaten in eine einzige öffentliche Kasse überführt – wohl mit jeweils einer Zweigstelle pro Kanton. Der Wettbewerb zwischen den Krankenversicherern würde entsprechend gestoppt.

Hoffnung auf Prämienreduktion

Die Befürworter erhoffen sich laut Umfrage von einer Einheitskasse hauptsächlich günstigere Grundversicherungsprämien. «Allerdings würde ein schwächerer Anstieg der Gesundheitskosten nicht genügen, damit die Prämien sinken», wird Comparis-Krankenkassenexperte Felix Schneuwly in einer Mitteilung zitiert.

Drei Viertel der Fürsprecher erwarten mindestens 40 Franken tiefere Prämien pro Monat, damit sich eine Einheitskasse aus ihrer Sicht lohnen würde. Das entspricht einer durchschnittlichen Prämien- und Kostenreduktion von gut 10 Prozent.

«5 Prozent der Prämien sind Verwaltungskosten der Krankenkassen. Selbst wenn die Einheitskasse gratis arbeitete, würde das 10-Prozent-Ziel bei Weitem nicht erreicht», warnt Schneuwly. Für ihn ist es allerdings keine Überraschung, dass viele Versicherte die Krankenkassen für die stetig steigenden Kosten an den Pranger stellen: «Schliesslich verlangen die Kassen jedes Jahr höhere Prämien.»

Es sei gemäss dem Experten eine Illusion, den Wohlstand steigern und die Gesundheitsausgaben senken zu wollen: «So wird etwa im staatlichen britischen Gesundheitswesen hart rationiert.» Trotzdem sei in Grossbritannien der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) wegen des schwachen Wirtschaftswachstums aber mittlerweile höher als in der Schweiz.

Auch die Suva ist keine Einheitskasse

Dass die Einheitskasse bei der Grundversicherung ein bisher nicht dagewesenes Experiment wäre, ist zudem nur den wenigsten Befragten bewusst. Tatsächlich gibt es selbst bei der – häufig als Vorbild herangezogenen – Unfallversicherung mehr als 20 Anbieter und nicht bloss die Suva. Zwar glauben 13 Prozent der Befragten zu wissen, wie viele Unfallversicherungen es in der Schweiz gibt. Doch hat mehr als die Hälfte dieser Gruppe eine falsche Antwort gegeben.

Eidgenössische Abstimmungen

Auf der Abstimmungsseite von blue News findest du alle wichtigen Informationen zu den Eidgenössischen Abstimmungen: Initiativen und Referenden verständlich erklärt, umfassende Hintergrund-Storys sowie Zusammenfassung und Einordnung der Resultate.

Die Resultate der städtischen Abstimmungen erfreuen das Grüne Bündnis Bern. (Symbolbild)
sda

Laut Schneuwly hinke der oft erwähnte Vergleich mit der Suva mehrfach: «Erstens ist die Suva keine Einheitskasse, sondern bloss ein Teilmonopol. Zweitens sind die Verwaltungskosten der Suva höher als die der Krankenkassen. Drittens ist man nur bis zur Pensionierung gegen Unfallfolgen bei der Suva versichert, danach bei den Krankenkassen.»

Mehr wollen, weniger bezahlen

Felix Schneuwly vergleicht das Gesundheitswesen mit der Altersvorsorge: «Die meisten von uns wollen immer mehr. Bezahlen sollen aber andere.» Es sei verlockend, die Schuld für die steigenden Kosten und Prämien den Chefs der Spitäler, Krankenkassen oder der Pharmaindustrie zu geben, aber gleichzeitig zu verlangen, dass immer mehr und immer bessere Medizin weniger kosten soll.

Ob sich die Stimmung im Land demnächst auch wieder auf politischer Ebene niederschlägt und allenfalls in einer weiteren Abstimmung mündet, wird sich weisen. Zunächst kommen am 9. Juni mit der Prämienentlastungsinitiative und der Kostenbremse-Initiative zwei richtungsweisende Gesundheitsvorlagen vors Volk.

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