Burka-Verbot Wer demonstriert, darf sich weiterhin verhüllen

Von Alex Rudolf

20.10.2021

Das geht künftig nicht mehr: Touristinnen mit Kopftuch auf dem Jungfraujoch im Berner Oberland.
Das geht künftig nicht mehr: Touristinnen mit Kopftuch auf dem Jungfraujoch im Berner Oberland.
KEYSTONE

Der Bundesrat legt einen Vorschlag auf den Tisch, wie die im März angenommene Verhüllungs-Initiative umgesetzt werden soll. Das Burka-Tragen soll verboten werden, doch gäbe es auch Grauzonen.

Von Alex Rudolf

Wer sein Gesicht an einem öffentlich zugänglichen Ort verhüllt, soll mit einer Busse bestraft werden. So will der Bundesrat die Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» umsetzen. Die Vorlage des Egerkinger Komitees wurde im März vom Schweizer Stimmvolk mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 51 Prozent angenommen und zielte grundsätzlich darauf ab, das Tragen von Burkas zu unterbinden.

Konkret soll das Strafgesetzbuch um einen neuen Verfassungsartikel erweitert werden, wonach Bussen für Verhüllung ausgesprochen werden dürfen. Bis Anfang Februar geht dieser Vorschlag in der Vernehmlassung.

Fasnächtler brauchen sich nicht zu sorgen

Doch erfüllt der vorliegende Gesetzesentwurf der Regierung die Forderungen der Initiant*innen? So gelten doch einige Ausnahmen. Wer sein Gesicht aus gesundheitlichen Gründen verhüllt, wird ebenso wenig gebüsst wie jemand, der dies aus Sicherheitsgründen tut. Corona-Schutzmasken und Töffhelme bleiben also weiterhin legal.

Auch klimatische Bedingungen und einheimisches Brauchtum sind vom Verhüllungsverbot ausgenommen. Fasnachtsfans brauchen sich also auch nicht zu sorgen.



Zudem gibt es einen Graubereich: Beispielsweise, wenn ein Töfffahrer mit aufgesetztem Helm kurz in einen Kiosk geht und dort Kaugummis kauft. Weil er seinen Helm anlässt, verstösst er gegen das Burka-Verbot?

Ja, bestätigt Marc Schinzel vom Bundesamt für Justiz. «Wir gehen davon aus, dass die Ausnahmen nicht ausgenützt werden und der Helm tatsächlich zum Schutz im Verkehr dient.» So müsste er während des Kiosk-Besuchs abgesetzt werden.

Wer aber mit einer Fasnachtsmaske im Kiosk Kaugummi kauft, darf dies tun. Denn diese Gesichtsbedeckung fällt unter die Kategorie Brauchtum und ist erlaubt.

Wer verfolgt wird, darf verhüllt demonstrieren

Der Vorschlag der Regierung beinhaltet zwei weitere Ausnahmen. So gilt eine Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum als legitim, wenn sie zur Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit notwendig sind. Dies aber nur, sofern die öffentliche Sicherheit nicht beeinträchtigt werde.

«Wer sich an einer Demonstration für das Recht von Kühen auf eine artgerechte Haltung einsetzt, der könnte beispielsweise eine Kuh-Maske tragen.»

«Wer sich an einer Demonstration für das Recht von Kühen auf eine artgerechte Haltung einsetzt, der könnte beispielsweise eine Kuh-Maske tragen», sagt Schinzel. Dieses Beispiel illustriere, wie eine Verhüllung mit der Meinungsäusserung einhergehe.

Chaot*innen, die sich anlässlich des Tags der Arbeit treffen, um zu randalieren, könnten mit der neuen Regelung schon verzeigt werden, wenn sie sich verhüllen.



«Und weiter gibt es Menschen, die aus Angst davor, erkannt zu werden, nicht an Standaktionen oder Demonstrationen teilnehmen. Diese Ausnahme ist auch für jene Personen gedacht.» Konkret geht es um Demonstrant*innen, die von Nachrichtendiensten autoritärer Staaten beobachtet und verfolgt werden.

Kann auch das Tragen einer Burka als Meinungsäusserung gewertet werden? «Es geht ja bei der Initiative genau darum, diese Verhüllung zu verbieten. Daher: Man muss die Grenze irgendwo ziehen», sagt Schinzel.

Wie hoch die Busse bei einem Verstoss ausfällt, lässt sich nicht genau sagen. Die Übertretung soll zwar im Strafgesetzbuch festgeschrieben werden, die Höhe der Busse liegt aber im Ermessensspielraum der Kantone. Rein theoretisch wären Bussen bis zu 10'000 Franken denkbar. Dies ist laut Schinzel aber kein realistisches Szenario: «Beispiele der Rechtsprechung aus Frankreich und Belgien zeigen, dass sie maximal 150 Franken betragen – es muss ein verhältnismässiger Betrag sein.»