Berset stellt sich Nationalrat «Drei der vier Richtwerte sind nicht erfüllt»

jka/sda

17.3.2021 - 11:30

Der Nationalrat führt am Mittwoch eine Debatte zur Corona-Pandemie. Gesundheitsminister Alain Berset wird für den Gesamtbundesrat Rede und Antwort stehen.
Der Nationalrat führt am Mittwoch eine Debatte zur Corona-Pandemie. Gesundheitsminister Alain Berset wird für den Gesamtbundesrat Rede und Antwort stehen.
Bild: Keystone

Der Nationalrat diskutiert über mehrere dringliche Interpellationen verschiedener Fraktionen. Es geht um die Öffnung per 22. März, Impfnachweise und Verbesserungen beim Contact Tracing.

17.3.2021 - 11:30

Der Nationalrat führte am heutigen Mittwoch eine Debatte zur Corona-Pandemie. Verschiedene Fraktionen hatten mit dringlichen Interpellationen um eine Diskussion ersucht. Auch Gesundheitsminister Alain Berset war anwesend und stand Rede und Antwort.

Dabei verwies er auf die unsichere epidemiologische Lage, mit der man sich konfrontiert sehe. Seit gut einem Jahr kämpfe die Schweiz nun gegen die Pandemie, dabei habe man aber auch viel gelernt, so der Gesundheitsminister. 

Drei der vier Richtwerte des Bundesrats nicht erfüllt

Wie schon letzte Woche sagte Berset, eine dritte Pandemie-Welle sei möglich. Es gelte, wachsam zu bleiben. Damit nahm er auch Bezug auf die Interpellation von SVP-Nationalrat Roland Büchel. Dieser wollte wissen, ob der Bundesrat bereit sei, die in der am Mittwoch verabschiedeten Erklärung des Nationalrats auf den 22. März geforderten Öffnungsschritte zu gehen. 

«Lassen sie die Menschen wieder leben, lassen sie uns wieder arbeiten», richtete er sich im Parlament an den Bundesrat. Dieser verwies in seiner schriftlichen Antwort darauf, dass er über den Inhalt der Öffnungsschritte vom 22. März am 19. März (diesen Freitag) entscheiden und informieren werde.

Auch Berset verwies auf Freitag. Liess aber durchblicken, dass die Lage nicht optimal sei für weitere Öffnungen. Drei der vier Richtwerte, die man für weitere Öffnungen definiert habe, seien Stand jetzt nicht erfüllt. Er unterstrich aber auch, dass es sich dabei eben bloss um Richtwerte handle. 

«Wollen nicht schliessen»

SVP-Nationalrätin Esther Friedli richtete sich mit einer Frage direkt an Berset. Für die Gastronomie sei die mögliche Öffnung der Aussenbereiche nichts weiter als ein Tropfen auf den heissen Stein. Dem sei er sich bewusst, antwortete Berset.

Umfrage
Würden Sie die Corona-Massnahmen lockern?

In der jetzigen Situation könne man fast nur Falsches tun. Zwar entwickle sich das Ganze mit der Impfung in eine gute Richtung. Gleichzeitig komme mit der möglichen dritten Welle aufgrund der Mutationen eine Herausforderung auf die Schweiz zu. Man beobachte, was die anderen Ländern täten. Diese seien alle am Schliessen – «und wir wollen das nicht», stellte Berset klar. 

Aber auch die Hoffnungen auf Lockerungen im grossen Stile dämpfte Berset. Man wolle nicht jetzt öffnen, nur um später wieder schliessen zu müssen. 

Frage nach verlässlichen personalisierten Daten

Eine weitere Interpellation kam von der Mitte-Fraktion, die etwa wissen wollte, wie es mit einem elektronischen «Covid-free Nachweis» aussehen wird. Nationalrätin Ruth Humbel sagte im Rat, bei den Impfungen gebe noch viel zu tun. Die grosse Frage, die sich für die Zukunft stelle, sei jene nach verlässlichen personalisierten Daten.

Dazu schrieb der Bundesrat bereits in einer am Montag veröffentlichten Antwort, dass eruiert werde, ob es etwa einen «möglichst fälschungssicheren Impfnachweis» brauche, um zum Beispiel differenzierte Massnahmen für Covid-freie oder Geimpfte erlassen zu können.

Es müsse auch geprüft werden, welche rechtlichen, ethischen und technischen Rahmenbedingungen zu beachten wären. Es bräuchte zudem eine formell-gesetzliche Grundlage. Der Bundesrat verwies auf ein international koordiniertes Vorgehen im Hinblick auf einen global anerkannten, elektronischen Impfnachweis (WHO-Projekt «Smart Vaccination Certificate»).



Verbesserungen beim Contact Tracing

Die Fragen der Grünen und Grünliberalen gehen in eine ähnliche Richtung wie jene der Mitte-Fraktion. Die Grünen fokussieren aber etwa auf Verbesserungen beim Contact Tracing. Bei der Kontaktrückverfolgungen seien in den vergangenen Monaten grosse Anstrengungen unternommen worden, liess der Bundesrat dazu verlauten. Die nationale Datenbank für das Contact Tracing sei einsatzbereit – ihr seien 25 Kantone angeschlossen.

Präsident Balthasar Glättli sprach sich im Nationalratssaal zudem deutlich gegen vorschnelle Öffnungen aus. «Können wir Corona? Es mangelt auch beim Wir», sagte er. Er erinnerte nochmals daran, dass man nur gemeinsam aus dieser Krise komme. Dabei gelte es, auf die epidemiologische Lage zu reagieren – auch dann, wenn sich diese nicht so entwickle, wie man sich das wünsche.

Die Grünliberale Fraktion stellt sich Fragen zur Datenerfassung. In ihrem Vorstoss will sie etwa wissen, an welchen Orten Daten noch manuell erfasst oder übertragen werden. Gemäss dem Bundesrat können alle meldepflichtigen digital erfasst werden, es gebe aber einige Ärztinnen und Ärzte, die Papierformulare bevorzugen würden.

Betreffend Daten zur Krise auch im Zusammenhang mit der Forschung schrieb der Bundesrat zudem, dass die Schweiz einen breiten Zugang zu den relevanten EU-Gremien und Netzwerken erhalten habe, die für die Bewältigung von übertragbaren Krankheiten sowie für die Krisenbewältigung zuständig seien.

Fragen zu weltweiter Impfstoffverteilung

Etwas andere Fragen stellt sich die SP-Fraktion. Ihr geht es um den weltweiten Zugang zu Impfstoffen. Sie wirft die Frage auf, weshalb sich der Bundesrat gegen eine vorübergehende Einschränkung der Patente auf Corona-Impfstoffe wehre und ob die Schweiz bereit sei, überzählige Impfdosen der internationalen Covax-Initiative zur Verteilung von Corona-Impfstoff kostenfrei zur Verfügung zu stellen.

Letzteres verneinte der Bundesrat. Es stehe in der Schweiz derzeit nicht so viel Impfstoff zur Verfügung, dass die Weitergabe von überzähligen Dosen bereits ein Thema wäre. Die Patente betreffend ist es auch Sicht des Bundesrates nicht zielführend, hier bestehende Regeln zu unterbinden. Gerade in der aktuellen Krise brauche es den bewährten internationalen Rechtsrahmen.

jka/sda