Prozess in Bellinzona «Nur Gerede» – mutmassliches IS-Mitglied bestreitet Terrorpläne

SDA/gbi

8.9.2020

Eine Schweizerfahne am Bundesstrafgericht in Bellinzona.
Eine Schweizerfahne am Bundesstrafgericht in Bellinzona.
Bild: Keystone

Er soll zu einem Selbstmordanschlag aufgerufen und Terroranschläge in der Schweiz geplant haben: Ein Mann, der sich vor dem Bundesstrafgericht verantworten muss, weist alle Vorwürfe von sich.

Unter starken Sicherheitsvorkehrungen hat am Dienstag vor dem Bundesstrafgericht die Hauptverhandlung gegen einen 52-jährigen Iraker begonnen. Die Bundesanwaltschaft legt ihm zur Last, von der Schweiz aus Aktivitäten zugunsten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) entfaltet zu haben.

Der Beschuldigte war im Mai 2017 in einer Asylunterkunft im Thurgau verhaftet worden und sitzt seither in Untersuchungs- beziehungsweise Sicherheitshaft. Er wies die in der Anklageschrift enthaltenden Anklagepunkte zurück.

«Alle Beschuldigungen sind falsch und haben nichts mit der Realität zu tun», erklärte der Angeklagte. Auf seinem Pult lagen etliche handschriftliche Notizen, aus denen er zitierte.

Auf viele Fragen des vorsitzenden Richters Martin Stupf antwortete er indes ausweichend und wenig konkret – etwa was seine Haltung zur verbotenen terroristischen Organisation IS angeht. Da Fragen und Antworten von Deutsch auf Sorani übersetzt werden mussten, kam die Verhandlung nur schleppend voran.

Alles «nur Gerede»?

Die vorgespielten Auszüge aus Telefonaten und Chat-Unterhaltungen, in denen es um die Unterstützung des IS ging, in denen der Mann vom Märtyrer-Tod sprach und seine Verlobte im Libanon zu einem Selbstmordattentat ermunterte, nannte er «nur Gerede». Das sei Spass gewesen und könne nicht ernst genommen werden. Teilweise lachte der Beschuldigte beim Vorspielen der Tondokumente: «Ich kann mich selbst nicht verstehen.»

Der Beschuldigte bezeichnete sich als gläubigen Muslim sunnitischer Ausrichtung. Die Behauptung seiner ehemaligen Frau, sich radikalisiert zu haben, wies er zurück. Er habe früher einfach seine eigene Religion nicht verstanden.



Der Hauptverhandlung war zu entnehmen, dass gegen den Iraker 2002 ein 20-jähriges Einreiseverbot für die Schweiz verfügt worden war. Gegen dieses hatte er Berufung eingereicht. Offenbar mit Erfolg, denn vor seiner Verhaftung war er im Thurgau in einem Sozialdienst tätig, wie er zu Protokoll gab.

«Das wäre mein Todesurteil»

Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Anstiftung zu einem Selbstmordattentat im Namen des IS vor, eine wiederholte Finanzierung des IS mit einem Gesamtbetrag von rund 17'000 Franken sowie die Rekrutierung und Schleusung zum IS von mehreren Personen. Auch wird er beschuldigt, Anweisung eines IS-Führungsmitglieds zur Vorbereitung von Anschlägen in der Schweiz zustimmend entgegengenommen zu haben.

Der Beschuldigte erklärte, im Falle einer Freilassung wolle er die Schweiz verlassen: «Das ist hier meine letzte Station.» Der vorsitzende Richter fragte ihn: «Was droht Ihnen im Falle einer Verurteilung und Abschiebung in den Irak?» Die Antwort war: «Das wäre mein Todesurteil.»

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