Mildere Alternative zu PistolenOberster Polizeidirektor spricht sich für obligatorische Taser aus
23.11.2021
In St. Gallen standen zwei Stadtpolizisten vor Gericht, weil sie im vergangenen Jahr einen Mann mit mehreren Schüssen tödlich verletzt hatten. Hätte der Einsatz von Tasern den Tod des Mannes verhindern können?
23.11.2021, 12:46
23.11.2021, 13:46
Sollen Polizistinnen und Polizisten künftig nicht nur eine Schusswaffe bei sich tragen, sondern auch zwingend einen Taser bei sich führen? Nach einem Schusswaffeneinsatz, bei dem im September 2020 ein Mann tödlich verletzt wurde, ist nun eine Debatte über den Einsatz von Tasern als Ergänzung zur klassischen Schusswaffe entbrannt.
Die beiden Stadtpolizisten waren am 2. September 2020 über Funk zu einer Wohnung an der Speicherstrasse in St. Gallen beordert worden. Dort sahen sie einen Mann, der auf einer am Boden liegenden Frau kniete und ihr schwere Verletzungen am Kopf zufügte. Er reagierte nicht auf Zurufe, sondern schlug mit einer Pfanne weiter auf die Frau ein.
Laut Anklage gaben beide Polizisten je sieben Schüsse ab, von denen zehn den 22-jährigen Angreifer trafen. Die Frau, eine 46-jährige Italienerin, starb im Spital an einem schweren Schädelhirntrauma.
«Das mildeste Mittel»
Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage wegen versuchter Tötung sowie wegen mehrfacher schwerer Körperverletzung erhoben, beantragte aber gleichzeitig Freisprüche für beide Polizisten. Dem kam das Gericht am Dienstag nach und sprach die beiden Männer frei.
Hätten die Polizisten bei dem Einsatz neben ihrer Schusswaffe noch einen Taser bei sich getragen, wäre der Angreifer möglicherweise noch am Leben. Taser sind Elektroschockwaffen, die einen Stromstoss abgegeben und einen Menschen damit kurzzeitig ausser Gefecht setzen können. Auch Taser sind nicht unumstritten, normalerweise aber nicht tödlich.
«Wir sehen keinen Grund, wieso man die Patrouillen nicht sofort mit Tasern ausrüstet, damit sie das mildeste Mittel einsetzen können, wenn sie in eine gefährliche Situation geraten», sagte nun Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizeibeamter, zu SRF. Rysers Verband fordert deshalb, dass jede Polizeipatrouille künftig auch Taser bei sich führt.
«Bereitschaft mitbringen, den Taser zu gebrauchen»
Ähnlich sieht das der St. Galler Sicherheitsdirektor Fredy Fässler, der auch Präsident der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) ist. Fässler sagte SRF: «Wenn schon die Pistole obligatorisch ist, wieso soll dann nicht auch das mildere Einsatzmittel obligatorisch werden?» Es sei «ausgeschlossen», dass Taser als Folterinstrumente verwendet würden – eine Befürchtung, die noch vor einigen Jahren die Debatte über die Elektroschockwaffen geprägt hatte.
Auch wenn Taser noch nicht standardmässig zur Ausrüstung von Polizistinnen und Polizisten in der Schweiz gehören, werden sie immer häufiger eingesetzt. Laut SRF stieg die Zahl der Taser-Einsätze von 73 im Jahr 2019 auf 96 im Jahr 2020.
Bruno Zanga, Kommandant der Kantonspolizei St. Gallen, glaubt allerdings nicht, dass bald ein Taser-Obligatorium kommt. «Man muss eine Bereitschaft mitbringen, den Taser zu gebrauchen. Und man muss sich auch auf die Ausbildung einlassen, sonst gefährdet man sich selbst und die Mitarbeiter», schränkt Zanga im SRF-Gespräch ein.