Thierry Burkart in der KritikRitzt die FDP das Wahlgeheimnis?
aru
15.12.2023
Eine gewisse «soziale Kontrolle» sorge dafür, dass er wisse, wie seine Fraktion abgestimmt hat: Dies sagte FDP-Präsident Thierry Burkart. Gilt bei der FDP das Wahlgeheimnis etwa nicht?
aru
15.12.2023, 09:59
15.12.2023, 10:12
aru
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Viele Mitglieder der Vereinigten Bundesversammlung stimmten an den Bundesratswahlen nicht so, wie es von den Fraktionen bestimmt wurde.
FDP-Präsident Thierry Burkart weiss aber, dass nicht viele FDP-Stimmen an den Sprengkandidaten Daniel Jositsch gingen.
So gebe es eine gewisse «soziale Kontrolle» in seiner Fraktion.
Bis zu 70 Stimmen machte der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch bei den Bundesratswahlen vom Mittwoch. Doch niemand in der Vereinigten Bundesversammlung will für Jositsch gestimmt haben.
So gaben SVP und FDP im Vorfeld zu den Wahlen bekannt, dass man sich an das offizielle Ticket halten werde. Er wisse genau, dass die Stimmen nicht aus seiner Fraktion stammen, sagte Thierry Burkart im «Rundschau Talk» von SRF. Ihm seien ein bis drei Parlamentsmitglieder bekannt, die ihren Stimmzettel für Jositsch in die Urne geworfen haben. Der Rest habe sich ans Ticket gehalten.
Wahlgeheimnis unter Beschuss?
Auf die Frage, wie er dies kontrolliert habe, antwortete Burkart, dass er durch die Reihen gegangen sei und mit den Leuten gesprochen habe. «Diese haben auch links und rechts geschaut – hier gibt es eine gewisse Sozialkontrolle.»
Das gesetzlich garantierte Wahlgeheimnis werde durch diese Aussage von Burkart geritzt, meint Martin Candinas von der Mitte zur «Tagesschau». «Ich würde mich in einer Partei mit sozialer Kontrolle nicht wohlfühlen», sagt er und verweist auf die Wahrung des Wahlgeheimnisses.
So heisst es in Artikel 130 des Parlamentsgesetzes: «Die Stimmabgabe bei Wahlen in der Bundesversammlung ist geheim.»
In einer liberalen Fraktion eine ‚soziale Kontrolle‘ der Wahlfreiheit und des Wahlgeheimnisses durchzusetzen, und sich als Liberale das noch gefallen zu lassen, ist vieles, aber kaum noch liberal. @FDP_Liberalenhttps://t.co/2dOXhZjHQW
Dieser Inhalt stammt von externen Anbietern wie Youtube, Tiktok oder Facebook.
Aktiviere bitte "Swisscom Werbung bei Dritten", um diesen Inhalt anzuzeigen.
Auch auf Twitter wird Burkart kritisiert. Gerhard Pfister, Parteipräsident der Mitte, schreibt etwa, dass es kaum noch liberal sei, wenn man sich als Liberaler eine soziale Kontrolle bei der Wahlfreiheit gefallen lasse.
Laut Burkart hätten die Parlamentarier*innen ihr Wahlverhalten von sich aus offengelegt. Er habe diese «soziale Kontrolle» keineswegs angeordnet.
Fall Portmann sorgt für zusätzliche Irritation
Dass FDP-Parlamentarier, die sich nicht an den Fraktionsentscheid halten, mit Konsequenzen rechnen müssen, bekam diese Woche der Zürcher Nationalrat Hans-Peter Portmann zu spüren.
Bei der Verteilung der Kommissionen wurde er nicht für das Präsidium der prestigeträchtigen Aussenpolitischen Kommission berücksichtigt, obwohl er das Vizepräsidium innehatte.
Zum Verhängnis wurde Portmann, dass ein Journalist eine seiner Aussagen auf Twitter verbreitet hatte. Demnach habe Portmann gesagt, dass die FDP nun frei sei, Jositsch zu wählen, da auch Teile der SP den grünen Kandidaten Gerhard Andrey unterstützt hatten. Dies berichtete «20 Minuten» am Donnerstag.
Politologe zu den Bundesratswahlen: «Es ist gerade nochmal gut gegangen für die SP»
Nebengeräusche begleiten Beat Jans' Wahl zum Bundesrat: Mit Daniel Jositsch holt ein Sprengkandidat viele Stimmen. Die Grünen wiederum greifen die FDP nur halb an: Was schliesst ein Politologe aus alledem?