Silvester-Krawallen: 103 Festgenommene in Berlin wieder frei
Berlin, 03.01.2023
Brennende Autos und verletzte Polizisten: Beim nächsten Mal soll die Silvesternacht anders laufen, fordern Gewerkschafter und Politiker. Darüber, wie dieses Ziel zu erreichen ist, gehen die Meinungen allerdings auseinander.
Mindestens 103 der während der Berliner Silvester-Krawalle festgenommenen Verdächtigen seien nach Feststellung der Identität freigelassen worden, teilte die Polizei auf Anfrage mit.
Insgesamt hatte die Polizei 159 Festnahmen gemeldet. Ob die übrigen Verdächtigen ebenfalls wieder frei sind, konnte eine Polizeisprecherin zunächst nicht sagen.
Um solche Angriffe in Zukunft zu verhindern, brauche es rasch einen Runden Tisch mit Politikern und Praktikern sowie neue Ansätze in der Integrationspolitik, fordert die Gewerkschaft der Polizei.
In der Nacht zum Neujahrstag waren in mehreren Städten Polizisten und Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen worden, unter anderem mit Böllern und Raketen.
Besonders heftig waren die Attacken in einigen Vierteln von Berlin. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hatte am Montag eine bundesweite Debatte über Konsequenzen nach den Angriffen auf Polizei und Feuerwehr in der Silvesternacht gefordert.
04.01.2023
Krawalle und Angriffe gegen Polizisten und Rettungskräfte, wie sie sich in der Silvesternacht in Berlin ereignet haben, können auch in der Schweiz passieren, sagt die oberste Polizistin.
Auch am vierten Tag schlagen die Neujahrs-Krawalle in Berlin ausserhalb der deutschen Landesgrenzen hohe Wellen, wo während der Silvesternacht mehrere Polizisten und Rettungskräfte mit Böllern, Raketen und Flaschen vorsätzlich attackiert und verletzt worden sind.
Die Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB), Johanna Bundi Ryser, ist deswegen bei «Blick-TV» zu Gast gewesen und zeigte sich betroffen von den Ereignissen in der deutschen Hauptstadt. Sie sagt: «Solche Angriffe können auch in der Schweiz passieren.» Denn ihre Kolleg*innen würden immer öfter Zielscheiben solcher Attacken.
Für die 59-Jährige ist klar, Einsatzkräfte verkörpern den Staat und wirken deshalb als Blitzableiter für angestaute Wut der Bürger: «Wer unzufrieden mit der Politik oder der Regierung ist, lässt dies an der Polizei aus.» Alkohol und Drogen würden die Hemmungen senken, so Bundi Ryser.
Schwindender Respekt vor der Polizei
Ausserdem schwinde der Respekt vor der Polizei, insbesondere in urbanen Zentren, sagt die Verbandsvorsteherin. Ihren Kolleg*innen schlägt dann die ganze angestaute Wut der Bürger*innen entgegen.
Ein Blick in die Kriminalstatistik bestätigt diese Beobachtung: In den letzten 10 Jahren (2011–2021) ist die Zahl registrierter Straftaten im Bereich Gewalt/Drohungen gegen Beamte auf über 1000 Meldungen gestiegen, von 2519 auf 3557 Meldungen.
Besonders Grossanlässe wie Fussballspiele, 1.-Mai-Kundgebungen oder eben Silvester seien ein Risiko, da viele Menschen zusammenkommen, so Bundi Ryser. Obwohl die Polizei versuche deeskalierend aufzutreten, sei diese Strategie nicht immer erfolgreich.
Solche Angriffe würden rasch aus dem Nichts entstehen, erklärt Bundi Ryser und sagt: «Rottet sich der Mob zusammen und ist auf Krawall eingestellt, dann hat man fast keine Chance.» Da würden auch Helme, Westen und Schilder nicht mehr schützen.
Bundi Ryser machen die Geschehnisse in Deutschland nachdenklich, aber auch wütend: «Die Polizei ist nicht der Feind, nicht der Gegner – wir kommen, um zu helfen.»
355 Verfahren eingeleitet
Mittlerweile hat die Berliner Polizei weitere Zahlen zu der Krawall-Silvesternacht veröffentlicht. Sämtliche mutmasslichen Randalierer, vorwiegend männlich, sind wieder freigelassen worden, teilte ein Polizeisprecher am Dienstagabend mit. Insgesamt seien 18 Nationalitäten erfasst worden.
Nebst den Inhaftierungen seien laut dem deutschen «Tagesspiegel» insgesamt 355 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Ermittelt werde unter anderem wegen Landfriedensbruch, Angriff auf und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Rettungskräfte, gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion.
Unklar ist nach wie vor, wie viele der 41 im Einsatz verletzten Polizisten zeitweise dienstunfähig waren. Laut Polizeiangaben konnte ein Polizist, der schwere Brandverletzungen erlitten hatte, inzwischen aus dem Spital entlassen werden.