Rücktritt angekündigt Schneider-Ammann: stets mehr Patron als Bundesrat

Von Nicolas Hehl, sda

27.4.2018

Er gehört zu den reichsten Männern des Landes, war Nationalrat, Oberst im Generalstab und respektierter Wirtschaftsführer. Johann Schneider-Ammann ist ohne Frage ein Mann von Format. Gegen Ende seiner Amtszeit bleiben aber Zweifel, ob es das richtige Format für den Bundesrat war.

Dabei hatte alles vielversprechend begonnen. Als es Ende 2010 die Nachfolge für FDP-Bundesrat Hans-Rudolf Merz zu bestellen galt, zog das Parlament den Patron aus dem bernischen Emmental der St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter vor. Die Linke hatte der Hardlinerin die Unterstützung versagt.

Schneider-Ammann hingegen, damals Präsident des Industrieverbands Swissmem und Vizepräsident von economiesuisse, punktete in den Krisenjahren mit demonstrativer Distanz zu den Banken und seinem Bekenntnis zum Werkplatz Schweiz. Darüber ging sogar sein Einsatz gegen die Mutterschaftsversicherung oder das Bekenntnis für ein höheres Rentenalter vergessen.

Liberaler Betriebsunfall

Die Gewerkschaften begrüssten einen Vertreter der Realwirtschaft im Bundesrat. Die Wirtschaft ihrerseits erwartete vom erfolgreichen Unternehmer gute Rahmenbedingungen, den Abbau von Regulierungen, eine zurückhaltende Finanzpolitik - jenes politische Programm, das Hans-Rudolf Merz so wirkungsvoll in die Regierung getragen hatte. Schneider-Ammann erfüllte diese Erwartungen jedoch nur teilweise.

Einen - aus liberaler Sicht - ersten Betriebsunfall verursachte der frisch gewählte Bundesrat mit dem Massnahmenpaket für die krisengeplagte Tourismus- und Exportindustrie. Wenige Monate nach seiner Wahl gab er dem Druck der Branchen nach und versprach zwei Milliarden Franken zur Abfederung des starken Frankens. Geplant waren sogar direkte Subventionen für die betroffenen Unternehmen.

Nach Protesten der Wirtschaft strich der Bundesrat das Hilfspaket auf die Hälfte zusammen. Obwohl es sich um einen Entscheid des Gesamtbundesrats handelte, blieb die ordnungspolitisch umstrittene und von Kommunikationspannen geprägte Aktion doch an Schneider-Ammann hängen.

Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann bei einem Telefonat im September 2010 in der Wandelhalle in Bern.
Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann bei einem Telefonat im September 2010 in der Wandelhalle in Bern.
Bild: Keystone

Schwindende Gunst

Danach häuften sich die unpopulären Dossiers: Den Bauern musste Schneider-Ammann eine Landwirtschaftsreform verkaufen, bei der mehr als nur eine heilige Kuh geschlachtet wurde. Der Bauernverband reagierte mit einer Initiative, zog diese zu Gunsten eines Gegenvorschlags zurück - und fühlte sich verraten, als Schneider-Ammann die Pläne für die weitere Entwicklung vorlegte. Die Stossrichtung: Marktöffnung und Freihandel.

Die Gunst der Wirtschaft strapazierte Schneider-Ammann mit neuen Gesamtarbeitsverträgen, höheren Mindestlöhnen für Hausangestellte und mit dem Einsatz für den Ausbau der flankierenden Massnahmen. Dabei ist Schneider-Ammann jeder Dirigismus ein Horror - am liebsten sind ihm sozialpartnerschaftliche Lösungen. Doch im entscheidenden Moment versagte das Rezept.

Vor dem Urnengang über die Masseneinwanderungsinitiative schaffte es der Wirtschaftsminister nicht, die Sozialpartner auf Linie zu bringen. Diese einigten sich erst einen Monat nach der Abstimmung über den Ausbau der flankierenden Massnahmen - zu spät, um die gewerkschaftliche Linke ins Boot zu holen.

Wenig Lob erntete Schneider-Ammann auch für den Entscheid, die seit Jahren dahindümpelnde Fachkräfte-Initiative in den Dienst der neuen Zuwanderungspolitik zu stellen. Bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative zerstritt er sich überdies mit Bundesratskollegin Simonetta Sommaruga: Um die Forschungszusammenarbeit mit der EU zu retten, war Schneider-Ammann von Anfang an bereit gewesen, den Zuwanderungsartikel grosszügig zu interpretieren.

Hölzerner Auftritt

In anderen Fällen war auch eine Portion Pech im Spiel, etwa beim Korruptionsskandal im Seco oder den Offshore-Konten seines früheren Unternehmens Ammann Group. Vor allem aber fehlte Schneider-Ammann das Charisma, um solche Schwächen zu überspielen.

Schon als Unternehmer und Nationalrat hatte er sich eher als Netzwerker denn als Redner hervorgetan. Als Bundesrat verhedderte er sich dann oft in einen umständlichen Duktus, was ihn bei den Medien und im Parlament Punkte kostete. Die Ansprache des Bundespräsidenten 2016 zum Tag der Kranken missriet derart, dass sie zum Youtube-Hit avancierte.

Schneider-Ammanns hölzerner Auftritt dürfte massgeblich dafür verantwortlich sein, wenn Kommentatoren eine durchzogene Bilanz über seine Amtszeit ziehen. Dieser blieb oft stärker in Erinnerung als das Gesagte und überschattet die Erfolge des abtretenden Bundesrats. Solche gab es durchaus, auch wenn sie manchmal unscheinbar waren.

Seiner Initiative ist es zu verdanken, dass der Bund kräftig in die Ausbildung einheimischer Mediziner und in die höhere Berufsbildung investiert. Unter seiner Ägide ist die neue Hochschul-Koordination zu Stande gekommen. Das Meisterstück seiner Amtszeit ist jedoch das Freihandelsabkommen mit China. Es war eine der seltenen Gelegenheiten, bei welchen Schneider-Ammann so etwas wie Begeisterung versprühte und die Öffentlichkeit ihm und seiner Arbeit Respekt zollte.

Erfolgreicher Unternehmer

Trotzdem dürfte er als Bundesrat in Erinnerung bleiben, der nie ganz in seinem Amt angekommen ist - als Magistrat, bei dem man sich stets fragte, warum er nicht Unternehmer geblieben ist. Denn als solcher war er bemerkenswert erfolgreich. Der Sohn eines Emmentaler Tierarztes war Anfang der 80er-Jahre als ETH-Elektroingenieur ins Geschäft des Schwiegervaters eingestiegen.

Mit dem Baumaschinenbau-Unternehmen Ammann fuhr er eine erfolgreiche Internationalisierungs- und Wachstumsstrategie. Er rettete nicht nur die 800 Schweizer Arbeitsplätze durch die Krise der 1990er-Jahre, sondern baute die Firma aus und erhöhte die Zahl der Stellen in der Schweiz auf 1200. Den Umsatz konnte er mehr als vervierfachen. Zudem gehört er zu den Rettern der Bieler Firma Mikron.

Als der Vater zweier erwachsener Kinder die Firma im Herbst 2010 in die Hände der sechsten Generation der Familie übergab, lag der Umsatz bei rund einer Milliarde Franken. Die "Bilanz" führt die Familie Schneider-Ammann 2016 in der Liste der 300 Reichsten mit einem geschätzten Vermögen von 475 Millionen Franken auf Platz 189.

Bilder aus der Schweiz
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